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Auf die Mache mit ihnen!" entschied der Schuhmann. Flüchtlinge auszuweisen, die Beranlaffung zu einem Konflikte mit Jemand wagte den schüchternen Einwand, der Knabe gehöre dem Ausland geben fonnten. Die Polizeioffizianten der heiligen doch nicht auf die Polizei, sondern ins Krantenhaus. Allianz zogen damals mit Prostriptionslisten bis in die höchsten Bei Euch heißt's immer gleich auf die Polizei!... Ein Gebirgswinkel der Schweiz und berjagten dort mit Hilfe der Mensch stirbt, aber Ihr dudenden Schweizer Behörden alle irgendwie nur auffindbaren Flüchtlinge.

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Mischen Sie fich gefälligst nicht hinein, Herr! Kennen Sie denn die Vorschriften, he? Darf man so einfach ins Kankenhaus? Wer ist er? Womit beschäftigt er fich? Das alles muß erst genau festgestellt werden, bevor

Der Schußmann winkte eine Droschte herbei, sette den Greis hinein und legte den Knaben quer auf den Boden des Gefährts. Dann fetzte er sich selbst wichtig neben den Alten, faßte ihn mit der linken Hand um den Leib und schrie befehlend:

Nach dem zweiten Polizeirevier!... Hast Du verstanden?" Habe verstanden..." antwortete der Kutscher und hieb auf feinen ausgemergelten Gaul ein.

Langfam begann fich das Publikum zu zerstreuen. Hier und dort wurden in den Schaufenstern bereits die Gasflammen gezündet. ( Fortsetzung folgt.)

Zur Gefchichte

des fchweizerischen Hfylrechts.

Da aber ein derartiges brutales Vorgehen der Mächte doch nicht nach dem Geschmade weiter Bevölkerungsschichten war, suchte Metternich und die fremden Regierungen die öffentliche Meinung der Schweiz mit allen Mitteln gegen die Flüchtlinge aufzustacheln. Eine Anzahl der in der Schweiz erscheinenden Zeitungen standen im Dienfte der Metternichfchen Scattion. Als sich in den dreißiger Jahren Gruppen des jungen Europas und des jungen Deutsch­ lands auf Schweizer Boden gebildet hatten, sette eine Verfol­gungsära schlimmster Art ein. Die Voltsverhebung feierte wahre Orgien. Nicht zum wenigsten infolge der direkten Unterstützung der schweizerischen Bundesbehörden. Diese hatten eine Unter an- suchung über das Treiben der in der Schweiz lebenden Flüchtlinge eingesetzt und mit dieser den bernischen Regierungsftatthalter Roschi beauftragt. Dieser Mensch tischte denn nun in seinem Be richte die fürchterlichsten Räubergeschichten über die Flüchtlinge auf. Ohne Scham und Scheu bezeichnete er die Mehrzahl von ihnen als gemeine Meuchelmörder und Banditen, die, geftüßt auf eine furchtbare und geheimnisvolle Organisation, alle Welt mit Tod und Verderben bedrohten. Amtlich wagte dieser Zuhälter Metternichscher Praktiken der Bundesregierung das Märchen von bollzogenen Hinrichtungen und ausgesprochenen Todesurteilen aufe zubinden. So erzählt er einmal mit einem Ernste, der sich nicht aus der Fassung bringen läßt, wie ein in Zürich an der Türe horchendes Dienstmädchen Bluturteile habe fällen hören. Zum Schluje verdichtete fich sein verlogener Bericht zu dem Antrage die Schweiz von diefen gemeingefährlichen, undantbaren Unruhe stiftern so geschwind als möglich zu befreien". Und wirklich hatte die Anregung des Inquifitionsrichters Erfolg, Hunderte von Flücht lingen wurden ausgewiesen.

Der öffentlichen Meinung gilt heute wie früher die Schweiz als ein Land, das selbst bis zum Uebermaße freiheitsliebend, nun auch jederzeit bereit ist, alle diejenigen zu schüßen und zu schirmen, die politischer Haß und politische Verfolgung aus Heimat und Bas terland getrieben. Daher denn auch die glühende, überschwengliche Verherrlichung der Schweiz durch Schiller , der die biederen Schwei­ zer ganz allgemein zu Trägern freiheitlicher und menschenrechtlicher Anschauungen stempelte, die jenen in Wirklichkeit ach so oft fremd waren und zum Teile auch... ach so fremd geblieben sind. Wenn die Schweiz im Mittelalter in allen politischen Fragen toleranter war als alle sie umgebenden Staaten, so verstand sich dies bei der Art der Entstehung der politischen Selbständigkeit der Eidgenossen­ schaft schließlich von selbst. Denn wer selbst einer gewaltsamen Re­bolution feine Selbständigkeit verdankt, kann unmöglich revolu­tionäre Handlungen und Taten von vornherein als Verbrechen betrachten. Der Thrannenhaß wurde denn auch im Mittelalter bon der herrschenden Klasse der Schweiz künstlich genährt, um durch den Popanz der Thrannenfurcht das unterdrückte Volt in Knecht feligkeit zu erhalten. Als 1518 in Basel eine Neuauflage des Urner Tellenspiels erschien, trug dieses das Motto:

Ehrannen und ein Hund, der tobt, Wer die erschlägt, der wird gelobt."

Wer damals den Nationalhelden Tell einen Verbrecher zu

nennen gewagt hätte, hätte kniend mit dem Strik um den Hals", öffentlich dem Volte Abbitte tun müssen.

Aber allzu scharf macht bekanntlich schartig. Daß ein der artig verlogener und zurechtgeftugter Bericht eines schweizerischen Regierungskommissars Wasser auf die Mühle der europäischen Ne altion sein mußte, war bei dessen Abfassung nicht bedacht worden. Diese hielt munmehr ihre Stunde für gekommen, um der Schweiz das Asylrecht überhaupt zu entreißen. Sowohl Preußen, wie Cesterreich. Württemberg und Baden usw. wandten sich nunmehr an die schweizerische Tagsaßung und forderten die weitgehendsten Garantien in bezug auf das Asylrecht. Die Schweiz wurde in den Noten der fremden Mächte dabei als Herd aller revolutionären Bestrebungen und als Beschüßerin aller verbrecherischer Elemente hingestellt, die den Frieden und die Ruhe Europas bedrohen. Die Mächte verlangten in ihrer Note vom 23. April 1834, daß die Nach barftaaten nicht nur allein Richter sein sollten über die ihnen aus dem Ashlrecht der Schweiz erwachsenden Nachteile, fondern daß sie auch das Recht haben sollten, das Bergehen des mißbrauchten Asyls einzig aus dem Gesichtspunkte der für sie selbst daraus entstehenden Gefahr zu beurteilen.

Und um jeden Widerstand etwa widerstrebender Kantone au Trozdem waren die Schweizer Kantone weit entfernt, das brechen, drohte man ihnen die Sperrung des gesamten Verkehrs Ashlrecht etwa als Attribut der Schweizer Freiheit zu betrachten, vom 1. Juni ab an, falls sie sich nicht bedingungslos fügten. Schon um so weniger, als ihre Mehrzahl bis zur französischen Revolution Mitte April waren übrigens die Vertreter der reaktionären Mächte nicht weniger freiheitsfeindlich, nicht weniger reaktionär war als mit Repreffalien gegen die Kantone vorgegangen, indem sie eine die sie umgebenden großen oder kleinen Feudalstaaten. Da haperte es denn mit der Asylfreiheit gar gewaltig. Wer einen großen Geld- neue, die Souveränität der Kantone direkt negierende Bagordnung beutel mitbrachte, um sich das Niederlassungsrecht in irgend einer eingeführt hatten. Kraft deren war den Landesregierungen das Stadt zu kaufen, brauchte schließlich nichts zu befürchten. Aber echt, für ihre eigenen Bürger Auslandspässe anzufertigen, ge nommen und den fremden Vertretern übertragen worden. Oben­alle die ärmeren Flüchtlinge wurden aus wirtschaftlichen oder po- brein sollte jeder Kanton sich für den politischen Glauben seines litischen Gründen gar bald läftig", und dann von Kanton zu Kanton, und schließlich ganz zum Bande hinaus geschoben. Dabei nachsuchenden Staatsangehörigen verbürgen. half denn gar leicht ein äußerer Drud mit. Besonders von seiten Frankreichs brauchte es im 17. und 18. Jahrhundert nur sehr ge­ringer Anstrengung, um seinen Flüchtlingen ein solches Schicksal zu bereiten.

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damals über die Forderungen der fremden Mächte verhandelnde Tagjagung die kantonalen Regierungen, daß nicht durch Miß­brauch der herkömmlich und einheimisch gewordenen Gastfreiheit der Schweiz folche Flüchtlinge in diefelbe eindringen, die wegen Stö rung der öffentlichen Ruhe aus einem anderen Staate entwichen sind und demnach verfolgt werden."

Mit Ausnahme von Bern und Luzern dachte bei allen diesen unverschämten Zumutungen niemand an Widerstand. Die übrigen Kantone schlossen sich der Ansicht des regierenden Bürgermeisters bon Zürich an, daß Menschen, welche durch Briefe, Schriften oder Bis zur franzöfifchen Revolution behauptete aber ein jeder durch Emissäre die Ruhe der Nachbarstaaten stören, wegzuweisen Kanton das Afhlrecht als einen ihm zustehenden Ausfluß seiner find". Sie waren von selbst bereit, als Bolizeimamelucen der hei Souveränitätsrechte, der politischen Unabhängigkeit und Selbftänligen Allianz die Ruhe der Nachbarstaaten zu erhalten und auf digkeit gegenüber etwaigen fremden Zumutungen mit großer eingereichte Namensverzeichnisse hin sofort die proftribierten Flücht Energie. Erst nach dem Wiener Kongresse fingen die europäischen linge aus der Schweiz zu verjagen. Ausdrücklich ermahnte die Staaten an, fich ein Mitbestimmungsrecht über die Handhabung bes schweizerischen Ashlrechts anzumaßen. Sie taten dies, weil auf dem Wiener Kongresse die Mächte die Neutralität der Schweiz garantiert hatten. Sie faßten jene Garantieklausel als eine Art stillschweigender Obervormundschaft über die Schweizer Kantone auf und versäumten, zumal nach Abschluß der heiligen Allianz, feine fich darbietende Gelegenheit, der Schweiz ihren Willen in der Troßdem erreichte die heilige Allianz den damals verfolgten Auffaffung der Asylfrage aufzuzwingen. Diese Eingriffe in die Zweck nicht. Die Nachgiebigkeit und der Serbilismus der Kantons schweizerische Bundes- und Kantonssouveränität fanden damals regierungen gegenüber den unerhörten Forderungen der realtio­wenig Widerstand. Der Geist Metternichs war in den damals nären fremden Mächte hatte unter den noch demokratisch empfin­wieder am Ruder befindlichen konservativ- aristokratischen Ele- denden Schichten der Bevölkerung einen solchen Grimm hervor menten ebenso mächtig, wie er es nur in einem der vielen deutschen gerufen, daß nicht nur eine Anzahl der aristokratischen Gewalthaber Waterländchen sein konnte. Die zahlreichen Deutschen , die sich zur gestürzt wurden, sondern auch ein Teil der übrigen es doch nicht Zeit der Metternichschen Demagogenhebe in die Schweiz retteten wagte, so ohne weiteres als getreue Handlanger fremder Mächte und hier ein Ashl suchten, fanden daher bei der Mehrzahl der Kan- au amtieren. So gab es immer einige weiße Raben unter den tonsbehörden eine nichts weniger als freundliche Aufnahme. Im Schweizer Kantonen, auf deren Gebiete die Flüchtlinge einiger Jahre 1823 waren die Kantonsbehörden schon derartig metter- maßen ein Asyl fanden.

nichisch infiziert, daß fie das sogenannte Conclufum zustande Bestanden aber in Beurteilung der politischen Momente in be brachten, d. h. eine Aufforderung an alle Kantone, alle politischen zug auf die Asylfrage Differenzen zwischen den einzelnen Kan