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tonen, so waren sie doch allesamt einig, wenn es sich um ein Vor- Bundesversammlung eine neue Vorlage über die Grundsäße fünf geben gegen die anfangs der vierziger Jahre auftauchenden sozia- tiger politischer Auslieferungsverträge zu machen. listisch- kommunistischen Bestrebungen der Flüchtlinge handelte. Der Das war Wasser auf die Mühle des Bundesrats. In welchem Klasseninstinkt in den verschiedenen Kantonen war der gleiche. Sinne aber der mit der Ausarbeitung des Entwurfes beauftragte Als Weitling z. B. nach Zürich fam, wo sich damals Arnold Ruge , Professor Dr. Rivier seine Aufgabe auffaßte, geht daraus hervor, Herwegh , Hoffmann von Fallersleben , Alexander Herzen , Julius daß er kurzer Hand vorschlug, alle politischen Verbrecher, die sich Fröbel, Bakunin und andere mehr aufhieten und wo unter der eines Mordes, Diebstahls oder Brandstiftung schuldig gemacht, stets Blunschlichen Aegide ein fast russischer Wind wehte, wurde er wegen auszuliefern. feines noch nicht einmal herausgekommenen Evangelium einee Soweit wollte schließlich die Regierung doch nicht gehen, denn armen Sünders" zu 10 Monaten Gefängnis und Landesverweisung aus jedem Straßenkampfe lassen sich ja derartige Delikte heraus­berurteilt. 1843 mußte auch Herwegh den Züricher Staub bon destillieren. Nach langem Feilschen und gegenseitigem Handeln feinen Pantoffeln schütteln. Jede sozialistisch- kommunistische Agis brachten Bundesvat und Bundesversammlung dann aber doch eine tation aber glaubte die berfrähwinkelte Züricher Regierung 1845 recht bösartige Verschlechterung des bisherigen Ashlrechts zuwege. durch den Erlaß eines Ausnahmegefeßes totschlagen zu fönnen, Im Jahre 1892 einigten sich beide, folgenden Absatz den geltenden dessen erster Paragraph lautet: es ist untersagt, den Diebstahl oder Auslieferungsverträgen hinzuzufügen:" Wegen politischer Ver andere demselben verwandte Verbrechen öffentlich zu rechtfertigen brechen und Vergehen wird die Auslieferung nicht bewilligt. Die oder wegen Ungleichheit des Besizes eine Klasse gegen die andere Auslieferung wird indessen bewilligt, obgleich der Täter einen poli­aufzureizen". tischen Beweggrund oder Zwed borschüßt, wenn die Handlung, um terentwillen die Auslieferung verlangt wird, vorwiegend den Charakter eines gemeinen Verbrechens oder Vergehens hat. Das Bundesgericht entscheidet im einzelnen Falle nach freiem Ermessen über die Natur der strafbaren Handlungen auf Grund des Tat bestandes."

Bis zum Jahre 1866 bestand übrigens in allen schweizerischen Kantonen das Koalitionsverbot. Brachen gewerkschaftlich- wirt­schaftliche Streitigkeiten aus, schwebte über allen beteiligten oder nicht beteiligten Ausländern wie das Schwert des Damokles die Ausweisung. Auch heute wieder bedrohen alle die in letzter Zeit in Bern , Zürich und Graubünden erlassenen Streifgeseze wegen Streifvergehen Ausländer mit der Ausweisung.

Die politischen Ereignisse der Jahre 1848/49 brachten für das schweizerische Ashlrecht eine schwere Belastungsprobe, die die ver­fchiedenen Kantonsregierungen nicht gerade rühmlich bestanden. Um den Mächten zu beweisen, wie groß das Bestreben der Bundes­regierung sei, ihnen nach Kräften gefällig zu sein, wies sie z. B. auf Anfordern Preußens die militärischen und politischen Führer der deutschen Revolution aus, darunter Strube, Sigel und Bren­tano. Da der Bundesrat damals einmal im Zuge war, sich zum Handlanger auswärtiger Regierungen zu erniedrigen, so löfte er auch im folgenden Jahre auf deren Wunsch die 16 in der Schweiz bestehenden Gruppen des deutschen Arbeitervereins auf. Groß war damals die Zahl der Ausgewiesenen, unter ihnen Liebknecht, der vorher das Bergnügen gehabt hatte, zwei Monate in Freiburg in Untersuchungshaft zu brummen.

Der Sturz des Metternichschen Regimes bedingte dann aber für die Frage des schweizerischen Asylrechts eine grundlegende Aenderung. Die politischen Vorgänge hatten doch insoweit ernüch ternd auf die demokratische Anschauungsweise der Bevölkerung ge wirkt, daß sie vor allem das Bedürfnis fühlte, das Asylrecht auf eine feste Grundlage zu stellen. Denn bis dahin war das Recht des politischen Asyls wohl durch Tradition, aber nicht durch das Geseb festgelegt gewesen. Die Schweiz fing daher an, in allen nach 1848 abgeschloffenen Staatsverträgen ausdrücklich als Be­dingung zu stellen, daß für politische Verbrechen oder Bergehen die Auslieferung niemals gewährt wird". Der erste Vertrag, in dem dieser Grundfak niedergeigt ist, ist der im Jahre 1853 mit den Niederlanden abgeschloffene . 1855 folgte ein gleicher mit Defter reich. Regelmäßig wird den abgeschlossenen Verträgen vorsorglich noch beigefügt, daß ein Ausgelieferter in feinem Falle für ein bor seiner Auslieferung begangenes politisches Bergehen oder wegen einer mit einem politischen Bergehen in Verbindung stehenden Handlung bestraft werden darf.

Und in der Tat galt die Auffassung, daß die Schweig überhaupt niemanden wegen irgend eines politischen Vergehens ausliefern dürfe, lange Jahre der Mehrzahl der Bevölkerung als ein Sträut­lein Rührmichnichtan.

Das war denn nun eine allerliebste Kautschukbestimmung, die bollständig geeignet war, in der Hand willfähriger und reaktionärer Bundesrichter jedwede Asylfreiheit illusorisch zu machen. Und in der Tat übertrafen in der Folge die Urteile dieser Bundesrichter Die schlimmsten Befürchtungen, die je gehegt wurden. Die Aus­legung, die dem Delikte des politischen Verbrechens in mehreren Fällen gegeben wurde, war die direkteste Verhöhnung des gefunden Menschenverstandes. Im Falle Wassiliem vom vorigen Jahre de duzierten z. B. die Bundesrichter, ein Attentat gegen einen der blutigsten und infamsten Polizeischergen Rußlands gelte nicht als politisches Verbrechen und im Fall Belenzew vom Jahre 1907 stellten sie gar die mittelalterliche Forderung, das Asylrecht sei nur solchen Personen zu gewähren, welche seiner auch würdig sind. Ueber diese Würdigkeit" entscheiden dann natürlich die real­tionär gefiebten Bundesrichter. Damit ist dann für die Praxis dem Schweizer Asylrecht das Rüdgrat gebrochen und dieses nur noch eine Spottgeburt feiner ursprünglichen Zivede und Abfichten. A. Adé.

Kleines feuilleton.

Technisches.

Das geräuschlofe Gewehr. Ueber das neue geräusch lofe Gewehr, dessen Erfinder Hiram Beroy Marim ist, liegt ein aus. führlicher Bericht in Ueber Land und Meer" vor. Dieser Apparat, deſſen Herſtellung leine besonderen Rosten verursacht, farn jedem Gewehrfaliber angepakt werden, wird dem Gewehr gleich einem Bajonett aufgefeßt und ebenso schnell wieder abgenommen. Magims Schalldämpfer besteht aus einer 10 Bentimeter langen Stahlröhre von etwas größerem Durchmeffer als dem des Gewehrlaufs. In der Röhre fizen Reihen von Stahlbändern, die, nicht unähnlich den Bähnen eines Turbinenrades, spiralförmig angeordnet und in der Richtung den Lauf gebogen find. Die Bänder gegen nur soweit nach dem Innern der Röbre, um reichen einen Schußfanal freizulassen, durch den die Kugel ungehindert ihren Aber je mehr sich auch die Schweiz kapitalistisch entwidelte, eg finden kann. Wird nun ein mit dem Schalldämpfer versehenes um so unerträglider wurde für die herrschende Bourgeoisie jenes Gewehr abgefeuert, so bewegt sich die Kugel durch die Möhre, ohne absolute Berbot fleiner politischer Schergendienste. Und schon im geringften an Schnelligkeit, Bielrichtung oder Durchschlagskraft zu Die durch die Explosion der Patrone erzeugten Bulber 1872 im Falle Netschaiew fing man an, die geschlossenen Ausliefe berlieren. rungsverträge umzudrehen und zu deuteln. Von neuem in Fluß gafe jedoch, die nicht die Richtung des Schusses nehmen, sondern sich kam dann die Frage des schweizerischen Asylrechts durch den An- fofort nach Berlaffen des Gewehrlaufs ausbreiten, werden von den trag Desterreichs vom Jahre 1884, es möge die Bestimmung in den turbinenartig gewundenen Bändern im Innern des Schalldämpfers Auslieferungsvertrag aufgenommen werden, daß der Königsmord abgefangen. Sie winden fich rotierend ihren Weg ins Freie und und sonstige Attentate gegen das Leben eines Staatsoberhauptes fönnen nur ganz allmählich entweichen. Nach und nach werden ste nicht als politische Verbrechen gelten sollen. von der Luft aufgefogen und verlassen den Lauf, ohne den geringsten Eine derartige Forderung erschien dem Bundesrate doch etwas Lärm zu verursachen. Um dies recht flar zu machen, hielt Marim zu derb und weitgehend. Nach seiner Meinung mußte man die beim Abfeuern eines der größten zu den Experimenten verwendeten Sache feiner anfassen. Er erklärte sich daher bereit, mit der öffer- Gewehre eine Visitenkarte mit seinem Namen dicht vor die Mündung reichischen Regierung auf Grund folgender Auffassung zu verhan- des Schalldämpfers. Die Rugel schlug glatt durch seinen Vornamen, deln, daß ein gemeines Verbrechen keineswegs schon darum als ein und als Magim den Anwesenden die Karte zeigte, war sie nicht im politisches betrachtet werden müsse, weil der Urheber tatsächlich geringsten verbrannt, nur rings um das Kugelloch war eine leichte oder angeblich aus politischen Motiven gehandelt hat." Das End- gelbliche Färbung wahrnehmbar. Durch den Schalldämpfer wird ergebnis diefer Verhandlungen zwischen Oesterreich und dem schivei- auch der Rüdschlag des Gewebres auf ein Minimum reduziert. zerischen Bundesrat war schließlich folgender Antrag an die Bun- Größe und Gewicht des Silencer", wie Magim seine Erfindung desversammlung, in Ansehung politischer Verbrechen oder Ver- nennt, hängen vom Kaliber und der Stärke der einzelnen Gewehre gehen besteht keine Verpflichtung zur Auslieferung. Gemäß dieser ab. Für ein Gewehr von Kaliber 22 ist er etwa 10 Zentimeter Bestimmung wird jedoch die Auslieferung nicht verweigert, wenn lang und fein Gewicht beträgt etwa 154 Gramm. Das Gewicht ist die strafbare Handlung, welche dem Auslieferungsbegehren zu- so unbedeutend, daß dadurch nicht der geringste Einfluß auf das grunde liegt, nach den Gesezen des um Auslieferung angegangenen Bielen ausgeübt wird. Das Geräuich, das das Abfeuern eines mit Staates den Tatbestand eines gemeinen Deliftes begründet. dem Schalldämpfer verfebenen Gewehrs hervorruft, ist nicht stärker So sehr auch die bürgerliche Mehrheit der Bundesversammlung als ein leiser Hammerschlag auf einen Stein. Die Erfindung ist bereit war. in bezug auf das geltende Asylrecht mit sich handeln natürlich für den Jäger von großem Nußen, der nicht mehr fürchten zu lassen und der Reaktion Konzessionen zu machen, so konnte sie muß, durch den Gewehrknall das Wild in weitem Umkreis zu ber doch einem derartig unbestimmten Antrage ihrer Regierung feinen scheuchen. Auch für das Heer und die Kriegsführung verspricht fie Geschmack abgewinnen. Sie beauftragte jedoch den Bundesrat, der von großer Bedeutung zu werden. Berantwortl. Nebatteur: Hans Weber, Berlin .

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