Ip fast immer wertvoll. Zuweilen find eS auch Profastiicke. in einigen Fällen sogar Dialoge. WaS nun den Inhalt der Pasquille anbetrifft, so find fle ur- spriinglich, launisch, witzig, satirisch, beihend, sarkastisch. Ihre Ten- denz geht zunächst darauf hin, irgend eine Lächerlichkeit, eine Schwäche, einen Makel oder Fehltritt einer Person besonders natürlich aus der herrschenden Klasse oder auch etwas an Er- eigniffen respektive Personen Frappantes und Anstößiges aufzudecken und unter das Volk zu bringen. Später jedoch verliert sich sein launiger Charakter mehr und mehr, das Pasquill wird ernster in seiner Haltung, und bald ist sein Hauptzweck nicht mehr, witzig zu unterhalten, sondern: die politischen Zustände der Zeit in sittlichem Ernste, wenn auch mit beißender Satire zu geißeln. Viele dieser Pasquille hatten einen frömmelnden Nebengeschniack. Wir geben als Probe den Anfang eines Pasquills aus dem Jahre 1537, das fich gegen Rom   wendet und in dem der Verfasser(natürlich unter dem Namen .Pasquill") fich als aus Italien   vertrieben hinstellt: Ist's nicht ein Wunderding, wohlan! Daß Wahrheit nirgend bleiben kann? Wer Wahrheit sagt, hat nichts davon Als Neid und Haß, das ist sein Lohn. Drum klaget auch der gut Pasquill  , Die Wahrheit bringt ihm Ungunst viel. Dieweil er hat die Wahrheit gesagt, Hat ihn der Papst von Rom gejagt. Weil entdeckt der Romarinten Sünd, Schand, Schalkheit und Bubenlisten, Haben fie ihn nicht wollen leiden, Sondern das Land heißen vermeiden. Drum kommt er nun getrabt einher Und bringt Dir, Deutschland  , neue Mär. Bei Dir sucht er sein Zuverficht, Weiß, daß Du strafest die Wahrheit nicht, Bist Du nun klug, so nimm ihn an, Glaub alles, was er sagen kann. WaS Papst, Kardinäl und römische Rott' Im Sinne haben, das walte Gott  . Hoffentlich ist eS diesem guten Pasquill damals besser gegangen als heute, wo der europäische   Jünger der Freiheit um Deutschland  einen großen Bogen macht. Schon seit 1524 gab eS ein strenges Verbot aller Schmäh- und Spottschristen, deren Verfasser wie gesagt meist unbekannt sind. Gerade auf ihrer Anonymität beruhte ja ein großer Teil ihres Reizes. Zuweilen haben sie ihren Namen auch durch merkwürdige Buchslabcnverstellungen zu verbergen gewußt was ja auch die unbekannten Dichter von Volksliedern öfters taten. In einem Pasquill anläßlich des Kriegsausbruchs von 1546 z. B. betitelt: Gründliche Ursach der jetzt schwebenden Kriegsleuff", vermögen wir durch Zusammenstellung der Anfangsbuchstaben der letzten 21 Verse dy, Verfasser als Johann Schradin   von Reutlingen   zu entziffern. Manche Verfasser nannten fich auch offen zum Schluß, g. B.: Daß dies geschehe, wünscht zu Hand HanS Gnista, Prediger in Gothland  " eine Art des Schlusses, die wir ja auch aus den gleichzeitigen Fast- nachtsspielen des Nürnberger   Schuhmachers HanS Sachs   kennen. Wir versuchen nun, aus der Fülle der vielen Pasquillen- Sammlungen einige herauszugreifen, die für die Art des Spottes und den Gegenstand, aus den er fich richtete, charakteristisch sind. Hauptangriffsgegenstand war, wie schon erwähnt, die Kirche. Ihr gegenüber bediente man sich sehr ost der Parodie, sei eS von Gebeten. Bibelversen, Glaubensbekenntnissen usw. So parodiert z. B. folgendes Pasquill das noch heute gehandhabte Glaubens- bekenntnis. Der Verfasser ist Protestant. Daher wird außer dem Papst auch dem Herzog Heinrich von Braunschweig und dem Erz- bischof von Mainz   übel mitgespielt. Das Pasquill lautet: Ich glaube, daß der Papst ein Vater, Förderer und Verteidiger aller Lügen und Bosheit sei und daß Heinz von Braunschweig sein einiger Sohn sei, der empfangen ist vom bösen Geist, gelitten unter dem Kurfürsten von Sachsen  . gemartert und geplagt und verjagt, in der dritten Nacht abgeritten von Wolfenbüttel  , aufgefahren gen Rom  , fitzend zur rechten Hand seines Vaters, des Papstes, von dannen er kommen wird mit Mordbrennerei, Verräterei und aller Untreu und Büberei, zu richten alle, die wider seinen Willen getan. Ich glaube, daß der Bischof von Mainz   der leibhaftige Teufel sei, der da schwöret und wehret, daß die Kirche nicht durch die Bibel erlöst werde. Ich glaube, daß der Papst, Heinz und der von Mainz  drei Personen, aber ein einziges gottloses Wesen seien, die doch nicht glauben an Auferstehung des Fleisches und von Wolfenbüttel  «m ewiges Anwesen daselbst und nach diesem Leben in eine Bade- stube, da macht man's kalt und warm, wie es Einer haben will. Amen." Diese Parodie war im Anfang des 16. Jahrhunderts über ganz Deutschland   verbreitet und hat sicherlich mehr Köpfe erleuchtet, als es manch' dicker theologischer Wälzer vermochte. Auf ähnliche Weise wurden auch Gebete parodiert. Das katholische Leuockioits (Aller Augen warten auf Dich, Herr usw.) z. B. erfreute sich folgender Form: Aller Raben Augen warten auf Dich, Papst, daß Du ihnen Speise werdest in kurzer Zeit. Du thust Deine mild« Hand aus und stiehlest alles, was Dir wohlgefällt. Der Galgen ist Dein Reich. Dazu das Rad in Ewigkeit. Amen." Eine ganze Anzahl von deutschen   Pasquillen sind auf die Unter« schleife hin verfertigt worden, die der Papst beim Bau der PeterS« kirche sich zu schulden kommen ließ. Mit Entrüstung wird geschildert, wie dasunmäßige Geld, an dem der Armen Blut und Schweiß klebt", nur dazu gesammelt sei, um dem Papste Privatpaläste zu bauen und politische Freunde zu kaufen, mit welcher List dasall- einfältigste Völklein hinter den Bergen"(das find die Deutschen  ) von Rom   ausgebeutet werde und wie in der Nacht die päpstlichen Steinmetzen das, was sie am Tage an der Peterskirche gearbeitet. heimlich in die Paläste der Medici fortschaffte». Indem wir die Unmenge von Spottliedern übergehe», die daZ sogenannte Augsburger Interim, der zwischen Kaiser und Protestanten geschlossene faule Frieden, zeitigte, ivenden wir uns gleich zu den- jenigen PaSquillen, die den Kaiser Karl V.   und seine Stellung zur Religionsfreiheit angreifen. Das interessanteste von ihnen ist das des schon oben erwähnten Johann Schradin   von Reutlingen  . Dieses war hervorgerufen durch ein merkwürdiges Ereignis, das in den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts ganz Deutschland   aufregte: Auf dem Kyffhäuser   war ein weißbärtigcr alter Schwärmer auf- gegriffen, der tolle Reden hielt und sich für den wiedererstandenen Kaiser Barbarossa ausgab. Er wurde zwar festgenommen und als ein wahnfinniger Schneider aus Langensalza   ermittelt, aber in jener politisch und religiös so erregten Zeit war der Eindruck ein ganz gewaltiger. An dieses Ereignis das übrigens den Kern für die Barbaroffa-Sage abgegeben hat, die jetzt noch in unserem Geschichtsunter- richt herumspukt knüpfte nun der Pasquillendichter von Reutlingen   an. Er führt uns im Traum in eine Höhle, wo Ariovist, der alte Germanen- Häuptling, Hermann der Cherusker  , Georg von Frundsberg  , der Landsknechtsführer, und Friedrich Barbarossa   mit dem Dichter eine Unterredung über die Frage halten, ob ein Volk das Recht zur Re- Volution habe! Diese Frage wurde bekanntlich zu allen Zeiten von den Philosophen heftig umstritten. Der Pasquillendichter stellt sich auf die Seite der Volksvertreter: Wie kann der Euer Kaiser sein, Der sich absondert von Eurem Leibe? Daß er Euch von der Freiheit treib, Handelt wider sein Amt uud Stand, Verderbet selbst das Vaterland. Zwingt Euch unter fremde Tyrannei? Meinst Du, daß es ein Aufruhr sei, Wenn man nicht alles Übersicht( übersieht) Was jener unbillig anricht? Denn er ist nicht unser Halsherr!' Wenn man dann weiter liest, mit welchen Worten er des Kaisers göttliche Majestät belegt, so kann man sich nicht wunder», wenn dieser gegen alle Pasquillenverfasser Wut und Rache schnob. In Summa frag ich wahrlich daS: Der Kaiser ist ein La st ersaß, Gottes und des Teufels Knecht, Verachtet göttlich und menschlich Recht, In Summa: Keine Sünd ist so verdammt, Die er nicht treibet unverschämt." Viele dieser Gedichte waren übrigens mit Holzschnitten versehen, manche auch zu singen, wie z. B. das folgende gegen Kaiser Karl  : Es geht ein Butzemann im Reich herum Didum, Didum. Der Kaiser schlägt die Trumin, die Trumm(Trommel) Didum, Dioum. Mit Händen und mit Füßen, Mit Säbeln und mit Spießen! Didum, Didum. Außer Kaiser und Kirche waren es natürlich alle Einrichtungen dcS Reiches, alle Stände und Fürsten  , die dem Pasquillendichter her- halten mußten. So haben wir z. B. aus dem Jahre 1542 eine Sammlung, in der kritisch und sarkastisch unter Verwendung von Bibelsprüchen das ganze Deutsche Reich durchgehechelt wird. Da heißt es z. B. vom Kammergericht. Auf Mosis' Stuhl fitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer; alles, was sie auch sagen, daß ihr halten sollt, das haltet und tut, aber nach ihren Werken sollt ihr nicht tun. Was dieser Dichter durch die Blume sagt, daS spricht ein anderer offen und schars aus. Er glaubt, daß in der Verbindung des AdelS mit den Sädten gegenüber dem inimer brutaler werdenden Fürstentum (man wird fich erinnern, daß Laffalles Sickingen-Tragödie diese Verbindung zum Problem hat und wie seine brieflichen Debatten mit Marx über dieses Thema ein so helles Licht verbreiten) das politische Heil liege. Darum fordert er die Städte zu einem gemein- samen Vorgehen gegen das Fürstentum auf: Sie halten Brief und Siegel kein, Ihr Ja ist gleich und auch ihr Nein. Kein Glaub, kein Treu ist bei ihn'n mehr, Sie achten weder Gott noch Ehr. Allein auf ihren Nutz fie gahn, Kein's Ernst'S fich sonst nit nehmen«M. �ic pflegen nur der Prasserei