Das Schutzleder schlug Martin zurück und rückte zurSeite.„Komm man. spring auf!�»Sollte es gehen?"„Warum sollte es nicht gehen?"„Und denn übern Vierth?"„Ich weiß einen näheren Weg, hast schon mal von derJurt durch den See gehört?"Elsbe wußte nichts. Martin erzählte.Als die Brücke noch nicht gebaut war, ging die ordentlicheFahrt zwar über Todendorf, bei trockenem Wetter wurdeaber eine Furt durch den Hechtsee gewählt, die mit Besen-baken abgesteckt war. Da ist gelber Sandgrund, nur einpaar Rinnen und Priele gehen tiefer hinein. Nach Her-stellung der Brücke ist die Furt in SSergessenheit gekomnien,und die Besenbaken sind von Wind und Wetter und Eis zer-stört und weggetrieben. Aber der Grund ist noch der, derer war. Als Stinemesch sich nach Falkenstein, das hinterdem Hechtsee liegt, verheiratet hat, ist Martin(er war einjunger Knabe) zweimal mit seinem Vater hindurchgefahren,um sie in Falkenstein zu besuchen. Es ging ganz gut, dasHandpferd fiel nur einmal in ein Loch, kam aber auch gleichwieder heraus.„Elsbe, willst mit?"„Ja, denn man zu!"...(Fortsetzung folgt.)Alexander v. kwmboldt.(Gestorben am 6. Mai 1559.)Nie ist ein Name weiter geklungen, wie der eines Gelehrten,der vor jetzt 59 Jahren die Augen zum ewigen Schlummer schloß.Das Verdienst Humboldts war aber jedenfalls ein anderes, alsman gewöhnlich glaubt. Humboldt erlebte den Beginn einer bisjetzt noch ununterbrochenen Reihe glänzender wissenschaftlicherEntdeckungen, die an Großartigkeit sogar die hohen Leistungendes 17. Jahrhunderts übertrafen. Er war ein Zeitgenosse derVäter der neuen Chemie; er sah, wie aus den unbedeutenden An-sängen der Voltaischen Säule die Kenntnis vom Magnetismuskeimte und groß wurde; er erlebte� endlich, wie Magnetismus,Elektrizität, Wärme, ja, sogar Chemie sich zu einer Art gemein-famer Wissenschaft vereinten. Mitten in einem Feld reifenderund gereifter Entdeckungen knüpft sich Humboldts Name dochan keine größeren derselben, obwohl er solche vorbereiten halfund namentlich dadurch so befruchtend wirkte, daß er sie im echtenGeiste der Forschug hervorrief. So ist er mittelbar der Urheberunserer modernen Kenntnisse von den meteorologischen und denmagnetischen Witterungsgesetzcn unserer Erde geworden. Erallein, der lautere und reine Freund der Wissenschaften, besaßVertrauen und Ansehen genug, um den gesamten Erdball mit Bc-obachtungsplätzen überspannen zu lassen.Nur wenige Daten aus dem Leben des„Nestors der Natur-forscher" seien hier eingefügt. Alexander v. Humboldt wurdezu Berlin am 14. September 1799 geboren und erhielt mit seinemum zwei Jahre älteren Bruder Wilhelm v. Humboldt gemein-schaftlich Privatunterricht, nach dessen Beendigung er dieUniversitäten Frankfurt a. O., Berlin und Göttingen besuchte.1799 machte er längere Reisen durch Belgien, Holland und Frank-reich, und zwar in Begleitung Georg Forsters, der wohl zuerstfeine Blicke auf die tropischen Länder hinlenkte. Alexanderv. Humboldt vervollständigte dann seine Studien auf der Berg-akademie zu Freiberg, ward hierauf Assessor im Bergdepartementund bald darauf oberster Bergmeister in den fränkischen Fürsten-tümern. Schon als Student war er schriftstellerisch hervor-getreten; ganz widmete er sich der Wissenschaft, nachdem er seineAemter niedergelegt hatte. In Paris machte er dann die Bekannt-schaft des Botanikers Aime Bonpland.�mit dem zusammen erseine erste große Forschungsreise nach Süd-, Mittel» und Nord-amerika machte(von 1799 bis 1894). Von jetzt ab lebte Humboldtteils in Paris, teils in Berlin, wohin er 1827 definitiv zurück-kehrte. Oester wurde er auch für den diplomatischen Dienst inAnspruch genommen, besonders nachdem er eine große Expeditionnach Asien geleitet und erfolgreich durchgeführt hatte. Auchnach anderen Ländern führten ihn teils diplomatische Geschäfte,teils wissenschaftliche Zwecke. War die Frucht des fast 29jährigenAufenthaltes in Paris die Bearbeitung des amerikanischen Reise-Werkes(die Gesamtausgabe enthält 39 Bände, viele Atlanten,Kupferwerke usw.), so vollendete er in Berlin die Schilderungder asiatischen Reise und den„Kosmos". Sein Grab wie dasseines BruderS befindet sich im Schloßgarten von Tegel beiBerlin.Die beiden großen Reifen, die nach der neuen Welt und diespätere nach Zentralasien, haben Humboldts Namen weit ver-breiten helfen; aber so kühn und unerschrocken er auch in fremdeund unerforschte Räume drang, ihm voraus gingen und nach ihmfolgten Reisende und Entdecker, die jedenfalls viel Größeres ge-leistet haben. Kein Reisender vor und nach ihm konnte sich abereiner höheren, wenigstens nicht einer allgemeineren Bildungrühmen. Humboldt war ein Polyhistor im guten Sinne desWortes. Seine Sprachkenntnisse machten ihn vertraut mit denGeistesschätzen sämtlicher europäischer Völker, die slawischen aus-genommen, und selbst orientalische Sprachen und ihre Literaturwaren ihm nicht fremd. Dies erhob ihn zu dem gelehrtestenReisenden und dem gelehrtesten Naturforscher seiner Zeit. Seinwahres Fach jedoch blieb immer die Kosmographie(Welt-beschreibung), deren zahllose Zweigwissenschaften er mit Leichtig-keit beherrschte. In französischer Sprache haben wir von ihmeine Reiseschilderung, die dem unglücklichen Tagebuchstil, der sonstdiese Literatur so unschmackhaft macht, völlig fremd ist. Wir bc-sitzen seine große Arbeit über die Archäologie der eingeborenenKulturvölker Amerikas, drittens sein gediegenes Werk über dieKolonie Neuspanien(Mexiko), eine geographische Monographie,die wohl als höchstes und unerreichbares Muster noch lange Zeitgelten wird, und worin er episodenartig der Nationalökonomieden großen Dienst leistete, die erste wahre Wissenschaft von derMetallproduktion und dem Geldumlauf in der ganzen Welt zubegründen, serner seine umfangreiche Darstellung der GeographieZentralasiens. Dasjenige Werk, worin er zuerst den erstauntenLeser in das Universum seines Wissens blicken ließ, war die Ge-schichte der neuen Welt, die Entdeckungsgeschichte Amerikas, dieer nur bis zum dritten Bande vollenden konnte. Hätte Humboldtnur diese Werke und seine kleineren Schriften hinterlassen, sowürde immer schon sein Ruf als Reisender. Beobachter, Ge-lehrter die Welt erfüllt haben; allein alle diese Sachen werdenbald nur noch einen antiguarischen Wert besitzen inid bloß vonFachgelehrten und Historikern noch aufgesucht werden.Ein Teil der echten Größe Humboldts bestand in dem edlen»humanen Gebrauch, den er von seiner großen wissenschaftlichenAutorität machte. In einem großen wissenschaftlichen Zeitaltersicherte er sich den Ruhm, ein äußerst ersprießliches Richteramtgeübt zu haben. Aber dies war nur die eine und die kleinste Hälfteseines Verdienstes. Unvergänglich dagegen bleibr sein Name alsdeutscher Schriftsteller. Alexander von Humboldt bekleidete nurEhrenämter und bezog eine Pension wie etwa die Mitglieder desInstituts de France. Sein Vermögen hatte er schon frühzeitigaufgezehrt, eine Anstellung wollte er aus Gefühl für seine Un-abhängigkeit nicht annehmen, er erwarb sich daher bis in sein hohesAlter jein Brot als Literat, und obwohl er für seinen„Kosmos*die höchsten Honorare empfing, die jemals ein deutscher Verlegerzahlte, obwohl diese Honorare ihm mehr eintrugen, als in dernämlichen Zeit irgend ein Ministerposten, so hatte doch der treff-liche alte Herr wegen seines Wohltätigkeitssinnes und mangelnderfinanzieller Begabung oft genug mit Ueberfluß an Mangel zukämpfen. War er seinem Berufe nach Literat, so sind auch seineLeistungen als Schriftsteller es, die dem Namen Humboldts, der19 Jahre jünger als Schiller und 29 Jünger als Goethe war, alsProsaiker unbedingt den dritten Platz im Bunde dieser Klassikererteilen. Dieser Ruhm gründete sich auf seine beiden größtenWerke: auf die„Ansichten der Natur" und auf den„Kos-m o s"; auf die Leistungen der ersten Mannesreife und auf dieBlüten des höchsten Greisenalters. Die„Ansichten der Natur*sind nicht rein von stilistischen Fehlern, die Humboldt selbst er-kannte, die er aber nicht hinwegputzte, um den Puls der Jugendnicht abzutöten. Seine Darstellungsgabe überragt in den„An-sichten" noch die Leistungen Goethes, der freilich rascher erzeugteund weniger sorgfältig nachbesserte. Mit einem kühnen und glück-lichen Worte malte Humboldt den Charakter einer Form oderSache: er sprach von einem atlantischen Tale, von der„landschaft-lichen Anmut" des gestirnten Himmels beim Auftreten der Kometen,von dem„Aufbrechen der Milchstraße", um die dünnen oder inMilliarden von Jahren dünner werdenden galaktischen Stellen zubezeichnen. So beginnt er auch den Aufsatz über die Wüsten undSteppen:„Wenn man die Bergtäler von Caracas und den insel-reichen See Tacarigua, in dem die nahen Pisang-Stämme sichspiegeln; wenn man die Fluren, die mit dem zarten und lichtenGrün des tahitischen Zuckerschilfes prangen, oder den ernstenSchatten der Cacaogebüsche zurückläßt, so ruht der Blick im Südenauf Steppen..." Mit welcher Kunst ist hier das liebliche Bildtropischer Plantagenfluren beschrieben! In dem einzigen WorteZuckerschilf, welche malerische Vollendung! Wer sieht nicht dabeidas Zuckerrohr vor sich aus der Erde wachsen infolge der wunder-bar erschöpfenden Kraft des Humboldtschen Ausdruckes? Wie sorg-sam beschreibt er in einem anderen Aufsatze die Mündung desOrinoco:„Der Granitküste der Guyana näher, erscheint die weiteMündung eines mächtigen Stromes, der wie ein uferloser Seehervorbricht und rundumher den Ozean mit süßem Wasser über-deckt." Jedes kleine Wörtchen hat hier seinen geheimen Sinn, derdem Kundigen nur zugänglich, diesen gerade wegen der Kürze ent-zückt. Und wie vortrefflich verstand er, die erhabenen Eindrücke derNatur zu schildern:„Unauslöschlich wird mir der Eindruck jener stillenTropennächte der Südsee bleiben, wenn aus der duftigen Himmels-bläue das hohe Sternbild des Schiffes und das gesenkt unter-gehende Kreuz ihr mildes planetarisches Licht ausgössen, und wennzugleich in der schäumenden Meercsflut die Delphine ihre leuch-tenden Furchen zogen." In den„Ansichten der Natur" tritt Hum-boldt als Künstler auf, denn er beabsichtigte, wie er selbst erklärt,eine ästhetische Behandlung seiner Gegenstände, und daß er dazu,