obgleich deS Franzosische» vollkommen Meister, seiner Mutter- spräche wegenihrer herrlichen Kraft und der Biegsamkeit� den Vorzug gegeben hat. ist höchst bedeutungsvoll. Man glaube übri­gens ja nicht, daß das künstlerische Genie Humboldts oder irgend eines anderen Meisters darin bestand, im Schwalbenfluge die hohen Ausdrücke zu erhaschen und zusammenzutragen, sondern das G'enie bestand auch hier nur darin, immer wieder neuere, voll- kommenere Formen zu finden, halbversteckte Mängel zu entdecken und zu beseitigen. Ehe Humboldt   die letzten Korrekturen deS Kosmos" zur Stereotypierung abgab, behielt er sie manchmal zwei Monate unter den Augen, immer wieder betrachtend, ändernd, ersetzend. Auf welchem tiefen Studium seine Schilderungen be- ruhen, das hat er dem Kenner ziemlich deutlich im zweiten Bande desKosmos" verraten, wo er Proben der gelungenen landschast- lichen Darstellungen aus den Sprachen beinahe sämtlicher litera- rischer Völker zusammenstellte. Zuweilen verfuhr er dabei mit großer künstlerischer Freiheit. Sein letztes großes Werk war derKosmos." Der erste Band dieses Weltgemäldes wird an Inhalt und Schönheit den Ansichten der Natur wenig nachgeben. Der zweite Band, eine Art der Geschichte der Kosmographie und die herrlichste Kultur- geschichte, die wir besitzen, ist durch den Reichtum seines belehren- den Inhalts ein unvergängliches Denkmal. Nach der Ansicht sehr vieler hätte Alexander von Humboldt   weise gehandelt, mit dem ersten, wenigstens mit dem zweiten Bande zu schließen, denn die nachfolgenden drei Bände enthielten nur eine Zergliederung oder weitere Ausführung des ersten Bandes. DerKosmos" wurde in dreißig und etlichen tausend Exemplaren aufgelegt, aber eS ge­hörte doch zu denjenigen Büchern, die entweder nur zum Putz oder aus Scham aufgestellt wurden. Von jenen 30 000 Exemplaren wurden vielleicht nur 10 000 bis zum ersten und bis zum zweiten Bande gelesen und höchstens der zehnte Teil vollständig benutzt. Man hat nicht mit Unrecht behauptet, daß derKosmos" für den Laien eine zu geweihte Sprache führe und der Gelehrte den strengen Apparat wissenschaftlicher Entscheidungen darin vermisse. Dieser Vorwurf ist im Grunde keiner. Ein Autor hat gewiß das Recht, sein Publikum zu wählen und seine eigenen Zwecke zu der- folgen, der Kritiker aber, der ihn verantwortlich machen will, daß er nicht dieses oder jenes Bedürfnis befriedigte, der übt kein Richteramt, sondern will den Schriststeller zum Diener ftemder Winke erniedrigen. Humboldt   wollte eine Beschreibung des Welt- ganzen liefern, soweit es menschliche Geschöpfe wahrnehmen, und er gab nur das, was er als begründete und sorgfältig beobachtete Tatsachen ansah. Seine Sprache war nicht für Laien und nicht für Zachgenossen, sondern für die allgemein Gebildeten berechnet. Diesen ist und wird derKosmos" immer ein unersetzliches Be- lehrungsmittcl bleiben. Für die Geschichte der Wissenschaften bleibt HumboldtsKosmos" eine Art unvertilgbare Flutmaxke. insofern darin die Summe der wichtigsten räumlichen Erkenntnisse sämtlicher moderner Kulturvölker bis zur Mitte des 19. Jahr- Hunderts niedergelegt sind. So viel, wird man einst sagen, wußten die Meistwissenden aller Menschen um die Zeit der Abfassung des großen Werkes. Als gelehrte Leistung bleibt derKosmos" immer ein Buch der Bücher. Man muß 70 und 80 Jahre alt werden, von Jugend auf mit soviel Fleiß und Scharfsinn in ungetrübter Ge- sundheit und mit ungeschwächten Kräften sammeln können, man muß zu dem geistigen Adel von Humboldts Rang gehören, und muß eine ungewöhnliche schriftstellerische Begabung besitzen, ehe man eine zweite und ähnliche Weltbeschreibung wird liefern können. Eine wahre und echte Naturandacht zu erwecken, war ein Hauptzweck desKosmos". Er entreißt das menschliche Gemüt dem engen Kerker zwischen der Oberfläche unseres Planeten und der durchzitterten Lufthülle und führt uns hinaus und aufwärts, so daß wir uns nicht bloß als Bewohner dieser kleinen Erde, son- dern als Wesen erkennen, die dem Aeltganzen, dem wahrnehm- baren Kosmos angehören. Humboldt   hält die Sternschnuppen- schwärme und die Meteorsteine gleichsam für die Infusorien unserer Planetenwelt, die wie die Asteroiden gesellig um die Sonne kreisen. In diesem Sinne höre man die Betrachtungen, die jeder einsame Sternschuß zu erwecken vermag:Hier tritt plötzlich Be- wegung auf mitten in dem Schauplatz nächtlicher Ruhe. Es be- lebt und es regt sich auf Augenblicke in dem stillen Glänze des Firmaments. Wo mit mildem Licht die Spur des fallenden Sternes ausglimmt, versinnlicht sie am Himmelsgewölbe das Bild einer meilenlangen Bahn; die brennenden Asteroiden erinnern uns an das Dasein eines überall stofferfüllten Weltraumes. Mit allen anderen Weltkörpern fährt er dann fort, mit der ganzen Natur jenseits unserer Atmosphäre stehen wir nur im Verkehr mittels des Lichts, mittels der Wärmestrahlcn, die kaum voni Licht zu trennen sind, und durch die geheimnisvollen Anziehungs- kräfte, welche ferne Massen nach der Quantität ihrer Körperteile auf unseren Erdball, auf den Ozean und die Luftschichten ausüben. Eine ganz andere Art des kosmischen, recht eigentlich materiellen Verkehrs erkennen wir im Fall der Sternschnuppen und Meteor- steine, wenn wir sie für planetarische Asteroiden halten. Wir er- halten durch einen Meteorstein die einzig mögliche Berührung von etwas, das unserem Planeten fremd ist. Gewöhnt, alle? Nicht- Tellurische nur durch Messung, durch Rechnung, durch Vernunft- schlüsse zu kennen, sind wir erstaunt, zu betasten, zu wiegen, zu zersetzen, was der Außenwelt angehört. So wirkt aus unsere Ein- bildungskrast eine reflektierende, geistige Belebung der Gefühle, da, wo der gemeine Sinn nur verlöschende Funken am heiteren Himmelsgewölbe, wo er im schwarzen Steine, der au» der krachest« den Wolke herabstürzt,«ur das rohe Produtt einer wilden Natur- kraft sieht." Das war einer der schönskn Zwecke desKosmos": die Natur gleichsam vernünftiger zu machen, d. h. den gemeinen Sinn und das gedankenlose Entzücken in tiefes Beschauen zu verwandeln, immer den Menschen zu erinnern, daß er jener großen Welt an» gehöre, die Lichtstrahlen in Millionen Jahren nicht durchziehen können. Die wenigen Glanzstellen, die wir hier angeführt, haben den Leser fühlen lassen, wie groß unser Verlust, wie groß aber auch die geistige Hinterlassenschaft des edlen Toten war. der vor nunmehr 60 Jahren die wandermüden Augen für immer schloß. Dr. I. W i e s e. - (Nachdruck bcrfioteyJt JMaifröftc. Die Nebergänge von einer Jahreszeit zur anderen vollziehen sich nicht mit kalendermäßiger Pünktlichkeit. Die Temperatur bewegt sich auch nicht auf einer langsam aufwärts gehenden Linie, sondern es wechseln kühlere mit warmen Tagen und Nächten ab, und die Schwankungen werden um so stärker empfunden, je größer der Unterschied zwischen den beiden Extremen ist. Wir Menschen empfinden das bekanntlich sehr; die Erkältungen in den Frühjahrs- und Herbstmonaten legen davon Zeugnis ab. Selbstverständlich find die Rückschläge um so häufiger, je näher die Jahreszeit den Wintermonaten liegt, im März treten sie meist häufiger und stärker auf als im April, und dieser wiederum hat kältere Perioden als der Mai. Während nun aber auf uns Menschen starke Wechsel der Temperatur sehr schnell wirken, treten bei den Pflanzen nur sehr langsam Peränderungen ein. Die Kälterückschläge wirken sogar um so weniger schädlich, je früher in die Jahreszeit sie fallen, denn von einer Zerstörung durch Frost kann erst dann die Rede sein, wenn sich Wachstum an der Pflanze gezeigt hat. Das ist im März und April gar nicht oder wenig der Fall, im Mai aber sind bedeutende Schäden durch Fröste zu konstatieren. Außer dem Gemüse- und Obstbau leidet vor allem der Weinbau unter dieser Kalamität; eine einzige Frostnacht im Mai kann die Hoff- nungen einer Gegend auf ein segensreiches Jahr zuschanden machen. Schon seit langem hat man sich bemüht, die Ursachen der Maifröste zu erforschen. Es ist sehr auffallend, daß in dieser Zeit bei wärmeren Tagestemperaturen die Nächte so viel kühler sind. Aus dem Stande der Erde zur Sonne ist dies nicht mehr erklärbar. Die Vergleichung der Wärineverhältnisse Europas   mit fernen Ländern von gleichem Klima hat indessen ergeben, daß kon- tinentale Verhältnisse die Ursache sein müssen. Der Agrirultur- Physiker Wollnh läßt sich darüber folgendermaßen aus:Wenn im Frühjahr die Erwärmung unseres Erdteiles von Süden her beginnt und damit Meere und Kontinente sowohl hinsichtlich der Wärmeverhältnisse als hinsichtlich der Luftdruckverteilung ihre Rollen tauschen, dann spielt die Balkanhalbinsel mit dem im Norden derselben zwischen Adria und dem Schwarzen Meere liegenden Hinterlande bis zu den Karpathen die Rolle eines kleinen vorgeschobenen Kontinents. Dementsprechend geht die Erwärmung daselbst, und zwar bor allem in der hierfür be- sonders geeigneten ungarischen Tiesebene sehr rasch vonstatten: es entwickelt sich dort ein Gebiet verhältnismäßig großer positiver thermischer Anomalie und mithin auch relativ niedrigen Boro- meterstandes, d. h. es wird Entstehung sowohl als Eindringen in diesem Gebiete besonders begünstigt. Dies hat aber in Ver- bindung mit dem im Westen Europas   herrschenden und um diese Zeit nordwärts stets an Ausdehnung gewinnenden hohen Luft- drucke nach dem Gesetze von Buys-Ballot   in Deutschland   nörd- liche Winde zur unmittelbaren Folge und damit den Kälte- rückfall." Wir wollen nicht auf die Ergebnisse anderer Studien ein- n, sondern nur feststellen, daß daL Zentrum der Ausbreitung Nachtfröste im Nordwesten liegt und daß der Kälterückschlag zuerst im mittleren Schweden   eintritt und dann in die südlichen und östlichen Ostseeländer übergeht. In der Regel sind in den genannten Gegenden der 11. und 12. Mai die Anfangstage dieser Erscheinung. Im zentralen Deutschland   zeigen sich die ersten Maifröste am 13.. an der Westgrenze am 14. und in Frankreich  am. und 16. Mai. Auch nach der anderen Seite hin verbreiten sich von dem Zentrum aus die gleichen Kälterückfälle. Das Volk hat seit allerSher dieser Erscheinung Aufmerksam- keit zugewendet. Es ist bekannt, dass der 11., 12. und 13. Mai, die Tage der drei Eisheiligen Mamertus  , Pankratius und Servatius  , als kalte Tage gelten. Natürlich trifft dies nicht immer zu, man kann aber festhalten, daß im Durchschnitt in die Zeit vom 3. bis 8. Mai etwa 20 Proz., vom 8. bis 13. Mai LS Proz., bis zum 18. Mai 16 Proz., bis zum 23. Mai 18 Proz. und bis zum Maischluß 21 Proz. der in Deutschland   und Frank- reich vorkommenden Kälterückschläge fallen. Langjährige Beobachtungen haben gezeigt, daß den Maifrösten 'ast ausnahmslos nördliche bis nordwestliche kalte Winde voran. gehen. Obwohl diese Winde über den Ozean gestrichen find, ent- halten sie doch nur wenig Wasscrdampf, und so wird dann, wenn der Wind mit wärmeren feuchten Luftschichten zusammentrifft, in-