. Die Pferde waren durstig geworden, oder die Klarheit des Wassers lockte sie, sie bogen den Hals nach dein blanken Element. ..Brri" Martin Uhrhammer gab an Elsbe Wulfsen die Zügel, stieg über das Wagenheck, ging zwischen den Pferden auf der Deichfel entlang und hakte die Trensen vom Bug. Das Gebiß wollte er nicht lösen, im Wasser läßt es sich schwer wieder antun. Die Pferde trinken dann auch nicht so hastig' das ist, dachte Martin, in jedem Betracht besser. lFortsetzung folgt.) (NachdruS»KtSoten.), Die Begegnung. , Tie hatten sich beide auf einer Bank im Tiergarten gefunden. Bitte sich weder zu- noch abzuwenden es ist keine Liebes- geschichte. Denn es war Winter. Und im Winter hat jede Bank im Tiergarten die Eiablierung von Liebesgesellschaften mit und ohne Haftpflicht längst eingestellt. Die Aufsichtsräte wahre und falsche glänzen durch Abwesenheit, und aus der von heißen Liebesworten und-Körpern angewärmten Genossenschaftsbank ist ein kaltes, trauriges, ödes und leeres und total verkrachtes Unter- nehmen geworden, auf dem nicht das geringste mehr unternommen wird. Außerdem handelt es sich nicht umEr" undSie" pardon: »Sie" undEr" sondern um... um... ja um was? Um zweiEs" um zwei Geschöpfe nämlich, um einen Menschen und um einen Hund, und beide Geschöpfe waren durch Hunger und Kälte so erschöpft, daß sie nicht nur von Liebe nichts mehr wußten, nicht nur alles Geschlechtliche, sondern alles Menschliche ihnen fremd geworden war was besonders bei einem Hunde etwas heißen will. Sie wollten nur der Nässe des Bodens und damit einem kleinen Teil der Kälte entgehen. Daher hatte auch der Mensch die Füße auf die Bank gezogen, und wie sie so zusammengekauert auf den Enden der Bank hockten, da konnte man sie in dem schweren Abendnebel kaum von einander unterscheiden. Wer aber näher zugesehen hätte, der würde ganz frappante Aehnlichkeit entdeckt haben. Diese in sich zusammengezogene Haltung, als wollten sie sich in sich selbst verkriechen, verkleinern. in nichts auflösen, verschwinden. Die eingezogenen Nacken und vornüberhängenden Köpfe schienen bei beiden noch die Nackenschläge des Schicksals zu tragen, und die gefransten Lumpen des Mannes gaben dem zottigen Fell des Hundes wenig nach. Eins aber war ihnen beiden gleich: der Gefichtsausdruck. Sie hatten nämlich beide keinen mehr. Es war alles Ein- druck. Eindruck des Geschicks, das mit seinen wuchtigen Schlägen alles, was Ausdruck war, herausgehauen und zermalmt hatte, bis nun aus ihren Gesichtern öde und blöde das Nichts in das Nichts stierte. War noch etwas in ihrem Innern? Ein kleines Restchen von Empfindung? Ein Fünkchen von Wärme?! Eine leise Rück- erinnerung an etwas Gütiges? Oder suchten sie nur instinktiv, sich gegenseitig ein wenig zu erwärmen? Langsam und lautlos waren sie sich näher gekommen näher und näher bis sie schließlich auf der Mitte der Bank dicht beieinander hockten. Einen mißtrauischen Blick, einen einzigen hatten sie nacheinander hingeworfen, um gleich darauf in die Be- ruhigung derer zurückzusinken, die da fühlen, daß sie nichts von- einander zu fürchten und nichts zu hoffen haben. Und dann waren sie ganz zusammengerückt und hatten lange so nebcncin- ander gehockt. Endlich kam eine kleine Bewegung in den Hund. Er hatte langsam den Kopf zur Seite gedreht und zu seinem Leidens- geführten emporgesehen. Etwas ganz Negatives, etwas ganz Ratloses, etwas wie eine Frage, aber doch ein Etwas war in seine Augen getreten. Sie schienen etwas von dem anderen zu erwarten irgend etwas und zu sagen:Du bist doch ein Mensch!? Also bist du doch furchtbar klugl? Du, ein Mensch du weißt doch Bescheid in all den sonderbaren Er- scheinungen ringsherum? Ihr Menschen bewegt euch doch alle ganz sicher darin herum? Also...tu doch mal waL!...?" Aber der Mensch war kein Mensch mehr und blieb starr und stumm. Da trippelte der Hund wie verzweifelt einmal auf den Vorder- Pfoten hin und her, dann hob er langsam die linke und stieß zögernd und schüchtern den anderen leise an, als wollte er sagen: Du Mensch red' doch wenigstens mal einen Ton!" Der Mensch redete aber keinen Ton; und in seiner Ent- täuschung stieß der Hund ein kurzes, winselndes Geheul aus. Und damit hatte er die Situation auch vollkommen und viel treffender gekennzeichnet, als es Worte gekonnt hätten. Aber der Mensch rührte sich immer noch nicht; und das rührte den Hund bis in das erstarrte Herz hinein, so daß er sich sagte: Der arme Mensch, der kann ja eine» Hund jammern! Hier Muß etwas geschehen!" Mühsam drehte er den niüden Leib gegen seinen menschlichen Kameraden und versuchte, sich an ihm emporzurichten. Zweimal mußte er ansetzen, bis er den kraftlos zurückfallenden aus- gemergelten Leib bis zur Schulter des anderen emporheben konnte. Und dann fing der Hund an, leise und in langen, zarten Zügen dem anderen die Wangen zu lecken. Denn der Hund hat, wie das Weib, nichts zu geben, das ev hat, sondern nur das, was er i st sich selbst. Da durchlief ein leises Zittern den hageren Leib des Menschen. Langsam hob er den Kopf und sah seinen Gefährten an, staunend, ungläubig und doch mit einem Glimmer von etwas Menschlichem in den totmüden Augen. Und der Hund sah ihn wieder an: beschwichtigend, begütigend, mit einer leisen Mahnung, einer über- legenen beruhigenden Aufmunterung, mit lindem Trost in seinem Blick. Da schüttelte es den Menschen, sein ganzer Leib zuckte, und' aus seinen toten Augen brach das Leben wieder hervor nur in einer Träne aber doch Leben! Er schlang den Arm um den den alten zottigen Hund, drückte ihn an sich, zog ihn auf seinen Schoß, beugte sich über ihn und umschlang ihn mit seinen Armen. mit seinem ganzen Leibe. Und so hockten sie beide in der Winternacht allein, lautloS, bewegungslos ein jedes erfüllt von dem einen Gefühl: Nun Hab' ich doch wenigstens einen Menschen auf dep Welt..." G.Bach. lNachdnia verböte».! Die Spiele der Kinder. Mit derselben unfehlbaren Sicherheit, mit der die Frühlings- sonne die ersten Blütenknospen an Baum und Strauch hervor- lockt, erscheinen auch die Kinder, der langen, winterlichen Stuben- baft entfliehend, zu frohem Spiel im Freien. Nicht nur auf dem Lande, sondern auch in kleinen und großen Städten übt die spielende Jugend eine Art Wetterprophetie. Bei Sturm und Kälte kriechen sie auch ohne elterliches Machtgebot gern in der schützenden Wohnung zusammen, aber wenn die Sonne scheint. strebt jedes gesunde Kind hinaus, um sich im Freien zu tummeln und die alten lieben Spiele wieder aufzunehmen. Jede Jahreszeit hat ihre bestimmten Spiele, daS ist eine un- geschriebene, aber doch seit Jahrhunderten gewahrte Ueberliefe- rung. Auch die meisten, anscheinend neuen Sprele, es sei nur an das Diabolospiel erinnert, folgen alten Ideen, die, ins Un« endliche variiert, in moderner Ausstattung immer wieder aufs neue auftauchen. Ein Frühlingsspiel der Knaben, das schon Handschriften aus dem dreizehnten Jahrhundert erwähnen, ist das Spiel mit Murmeln, jenen kleinen, früher aus billigem Marmor ge» fertigten Kügelchen, die unter mehr als einem Dutzend Namen in unserem großen deutschen Vaterlande bekannt find, so als Märmel, Schusser, Glossen, Schnellkäulchen, Steinert, Stenner. Anntscher, Klickcr, Pickert, Klitscher, Schüssel, Scharte!, Kipper. Frankl, Motschen usw. Sie wurden außer aus billigem Marmor schon frühzeitig aus Glas gefertigt� eine Anweisung zur Her- stellung gläserner Murmeln gibt eine Stuttgarter Handschrift aus dem 15. Jahrhundert; sie schließt mit den Worten:DaS sind die Kugelin, da die Schüler mit spielen, und sint gar wohl- feil." Glasmurmeln mit eingegossenen tönernen Tierfiguren, die durch den Reflex des ungefärbten Glases einen hübschen silbrigen Schimmer haben, bildeten, wie noch heute, den Stolz ihrer kleinen Besitzer, und der Verlust an den Spielpartner erregte große? Bedauern. Das Murmelspiel ist nämlich nicht ausschließlich Ge- schicklichkcits-, sondern z. T. auch Glücksspiel, bei dem aller Eifer darauf verwandt wird, sich gegenseitig die Murmeln abzugewinnen. Acngstliche Pädagogen könnten das Spiel daher beanstanden (gerade so gut wie Karten- oder irgendein anderes Glücksspiel), so wenig wahrscheinlich es auch ist, daß seine Ausübung jemals eine schlimme Leidenschaft in einem Kindergemüt angefacht hat. Tatsächlich sind uns Belege dafür erhalten, daß das Murmelspiel von einer hohen Obrigkeit verboten wurde. So beschränkte ein Erlaß des Nürnberger Rats aus dem Jahre 1503 das Spielen mit Murmeln auf die Hallerwiese, mit dem besonderen Zusah, daß es an Feiertagen erst nach dem Gottesdienst gestattet seil Derselbe Erlaß verbietet das Spielen mit Karten und Würfeln. Aus dieser Zusammenstellung geht die Bewertung des Murmel- spicls als Glücksspiel ziemlich klar hervor. In Zürich wurde 1530 das Kluckern mit steinernen Kügelchen am Ufer des Züricher Sees. in Bern 1560 vor dem Platz vor dem sogenannten Kirchhof ver- boten. Hans v. Schweinichen, der lustige Hofmarschall Herzog Heinrichs XI. von Liegnitz , erzählt in seinen originellen Memoiren, daß er als Kind in Ställen und Sckeunen nach frisch gelegten Eiern suchen mußte. Hatte er ein Schock zusammen, so bekam er von seiner Mutter 6 Heller, die er alsbald zum Ankauf von Glossen und Schnellkäulchen" verwandte. Heute deckt das auf dem südlichen Gipfel des Thüringer Waldes gelegene Dörfchen Lauscha einen großen Teil des Bedarfs an Murmeln für die ganze Welt. Die kleinen Kugeln werden in Beuteln von je 1000 Stück versandt, und der Umsatz erreicht die stattliche Höhe von zirka einer halben Million Mark. Diq Murmeln werden nicht mehr aus dem minderwertigen Marmor,