Anterhaltungsblalt des Horwärts Nr. 89. Sonnabend, den 8. Mai. 1909 �Nachdruck verliolen.) q Crdaltung der Kraft. Novelle von Timm Kröger. Als die Pferde satt waren, brachte er das Geschirr wieder in Ordnung, stieg in den Wagen und setzte sich neben Elsbe in den Stuhl. Die Rosse dachten, nun könne man weiterfahren, und Elsbe dachte es auch, aber das war nicht nach des Kutschers Sinn.... Sie steckten tief in der Einsamkeit. Ein Volk Enten, das geschäftig auf dem Wasser schwamm, ein weiß der Himmel, wie? hierher verschlagener, in trällerndem Fluge vorübergaukelnder Schmetterling brachte es den beiden in dem Kastenwagen so recht nahe. Sie steckten tief darin, die Einsamkeit gluckste klang- und verheißungsvoll im Wasser auf. Wie klar der Spiegel war! Elsbe konnte sich an dem feuchtverklärten Grund nicht satt sehen, die Läufe der Schim- mel sahen unter Wasser so komisch geknickt aus. Plötzlich sagte Martin:Nu? Er hatte den Kopf halblinks nach Elsbe hingewendet, er hatte schon einige Zeit so gesessen, er blieb auch so sitzen und wiederholte:Nanu?" Und als Elsbe ihn ansah, sagte er zum drittenmal: i,Nanu? Hast Du mich denn gar nicht ein bißchen lieb?" Nein, Du Schlingel," erwiderte Elsbe Wulfsen, faßte ihn aber beim Kopf und küßte ihn. Mehr!" befahl Martin Uhrhammer. Da tat sie es wieder. Noch einmal!" kommandierte der Artillerist. Elsbe gehorchte, ließ ihn aber rasch aus den Armen. So, nun ist es genug. Nun fahr man weiter, Martin Uhrhammer. Bist ein Schlingel!" Und wider ihr eigenes Wort kriegte sie den Schlingel noch einmal her und küßte ihn.Döskopp," sagte sie,Du bist wirklich ein guter Kerl. Und nun fahr zu!" So tu ich's noch nicht," erwiderte Martin.Du sollst mir erst'was versprechen. Und wenn Du das nicht tust, dann schmeiß ich um, mitten im Hechtsee." Du bist ja fürchterlich. Was soll ich denn versprechen?" Du sollst mit mir von hier weggehen wohin, weiß ich noch nicht... nur von hier weg, wenn wir nicht zu» sammcnkommen können. Und das sollst Du mir zusagen, sonst schmeiß ich Dich ins Wasser." Dann muß ich wohlja" sagen," erwiderte Elsbe,und ich tu es gern... Wenn es sein muß, gehe ich mit Dir in die weite Welt." Zwei Priele hatten sie noch zu passieren, es ging alles gut, und dann kam wieder'Schilf. Zwanzig Schritte fuhren sie hindurch, und wieder verscheuchten sie Gründlinge und Hechte. Etwas waren sie zu weit nach rechts gekommen, aber sie gelangten auch an der gefundenen Stelle gut an Land. Martin suchte nach einem Merkzeichen für künftige Fälle ...Man kann nicht wissen..." Aber er fand nichts als einen Pfahl, der gleich hinter den Binsen stand und für das Vieh, tvenn es hier weidete, hingesetzt war, die vor Staub und Grind juckende Haut zu scheuern. Ein Damm war auch an dieser Uferseite erkennbar. hier wie jenseits führte er durch Schlagbäume und Reckwerk. Den letzten Schlagbaum hatte Martin geöffnet, hatte den Wagen hindurchgezogen und den Verschluß wieder hergestellt. Er stieg aber noch nicht zu Elsbe aus den Wagen hinaus, er blieb bei den Pferdeköpfen und zeigte mit der Peitsche süd- toestwärts iiber Wiesen und über die Au hinweg nach einem blau verdämmernden Höhenzug, der zu dem Ackerfeld der heimischen Gemarkung gehörte. Kiek, Elsbe, wer wohnt da?" Das, wohin Marten zeigte, sah wie ein Bauernhof aus. Kiek, wer wohnt da?" wiederholte Martin Uhrhammcr. Elsbe konnte sich nicht gleich zurechtfinden, war aber doch bald orientiert lachte und sagte zu Martin). Du bist'n Schlingel" Der Schlingel sah noch eine Weile hin und dann zu Elsbe hinauf.Und wenn es so kommt, daß man Dich partu mit dem da verheiraten will, dann gehen wir zusammer in die Welt." Dann gehen wir zusammen in die Welt." Und müßten wir auch durch den Hechtsee." Und müßten wir auch durch den Hechtsee!" wiederholte Elsbe. Es dauerte nicht lange, da bogen sie in die Hofstelle der Kate, die den weißen Schornstein hatte, ein. Falkenstein gehörte zur Nachbargemeinde. Wo es lag, da fing das Koppelland, da fingen auch die Knickhagen wieder an. Der Alte machte Augen, was da vom Hechtsee her an» gerollt kam. Es war ein flinker, vom Kopf bis zu den Füßen in verschlissenes Blauleinen gekleideter, alter Mann. Das Sonntagszeug pflegte Kassen Schröder Ohm erst kurz vor Tisch anzulegen. Die Hautfarbe seines Gesichts war rot und glatt und glänzend, wie man bei alten, gesunden, mageren, von der frischen Luft ausgedörrten Leuten sieht. Hi, hoi!" Und er lachte und rieb sich im Lachen die Hände.  Wer kommt da? Das ist ein Durchbrenner. Wer durch den Hechtsee schwimmt, will weiter. Und allein in die Welt, das taugt nicht. Deshalb hat er sichwas Junges", was Heißes mitgenommen. Ja, ja, ich sag..." Er riß das Dielentor auf und rief ins Haus hinein: Stine... dor sönd Främm... mohl flink poor Kasse» bahnen hör.> Stine, poor Bohn!" Drittes Kapitel. Wolken und Gespenster. Velmal to gröten vun Hans Jäger un Fru op BllngerS- Hof un ji möchen allosam kam un lütt Jort bi em verteern. Un Sönndag flock beer geit los. Un Schnieder Rehm spelt de Viggelin. Un bat is wegen dat Schipp un wegen dat Dack. Un Hans Jäger un Fru bedankt sik ok na velmal." Es war Herbst geworden, und Hannes Haß bat zu dem Jort" um, das Hans Jäger   der Dorfschaft für das Dach- fahren gab. Er hatte im Frühling des vergangenen Jahres Blitz- schaden erlitten, hatte ein neues Haus gebaut, es, wie üblich, mit dem in den Eidersümpfen von Pahlhude und Delve  wachsenden Dachreth gedeckt und die Ware auf dem Wasser- wege erhalten. Die Ladestelle war eine kleine Stunde von Büngerhof entfernt, der Schiffer mußte in vierundzwanzig Stunden, wie er sich ausdrückte,lerrig"(leer) fem; das konnte Hans nicht allein zwingen, da war Not an Mann; da ist nach altem löblichen Brauch das Dorf hinzugetreten und hat Dachreth gefahren. Dabei fällt keinem ein, zu fragen, ob es in seiner Schuldigkeit liege. Solche Kleinigkeit! Es ist eine Art Fest, man trifft sich, es gibt viel Schnack und viel Spaß und viel Geschichten, und später, wenn das Haus mal fertig ist. dann folgt das kleine Gelage,das Jort" mit Branntwein und Bier und Tanz auf dem Hof. Hans Jäger   war im vorigen Jahr spät mit dem Bau fertig geworden, da hatte es nicht gepaßt, aber heuer, wo die Ernte beseitigt ist, wenigstens zum größten Teil beseitigt ist, heuer bei dem Wetter, wie es auf Feld und Au liegt, da gibt er gern das übliche Jort, und der alte Hannes Haß macht sich fein undbittet um". Was ist Großes dabei, wenn Hannes umbittet? Und doch liegt eine Art Erhabenheit auf dem Augenblick. Es ist in Haus und Scheune schon lange davon gesprochen worden, wieder steht ein Tag der Losgebundenheit in Aussicht. Es ist keine Kleinigkeit, sich das von Hannes Haß beitätigen zu lassen. Vor den Küchentüren und Dielentüren recken Mägde und Knechte die Hälse, junge Leute stehen da, in denen ein Halleluja nachklingt, wenn Hannes Haß sein Sprüchlein aufsagt. Und es kam, wie zugesagt worden war: nur der Geigen» strich fehlte, denn Schneider Rehm hatte das kalte Fieber bekommen. Müßig hing die Viggeline in der Schneidcrstube. dafür zog der Rademacher Hinrich Brandt die Register seiner Harmonika.   Martin und Elsbe waren beide da, aber es stand eine