vnd doch kennen sie ihn nicht; denn so oft man auch seinen Ruf vernimmt, so selten bekommt man den schlauen Vogel zu Gesicht. Nur dem anhaltenden Forschen tüchtiger Vogelforscher verdanken wir unser Wissen über die Lebensweise deS Kuckucks. Der Kuckuck wird etwas gröber als eine Taube. Sein an der Unterseite sperberartig gezeichnetes Gefieder, sein langer Schwanz, wie auch der geschickte, blitzschnelle Flug haben im Volke den Glauben wachgerufen, daß fich der Vogel während des Winters in einen Raubvogel verwandele. Die Farbe seines Federkleides auf der Oberseite bläulichgrau, an der Kehle Heller, an der Bauchseite weißlich mit guergestellten braunen Wellenlinien machte ihn in ver- gangenen Zeiten zu einem verwünschten Bäcker, der annen Leuten von ihrem Teig gestohlen hat und deshalb auch am Sonntag das mehlbestaubte Kleid tragen mutz. Weibchen und Junge haben eine mehr rotbraune Färbung, welchen Farbenunterschied man früher fälschlich für das Kennzeichen einer belonderen Art hielt. Der köpf- lange Schnabel ist Hornfarben und am Grunde gelb. Er ist bis tief unter die Augen gespalten; der Rachen ist gleich der Zunge orange- rot. Der Augenstern jüngerer Bogel ist grau, später wird er von der Pupille aus braun, gelb, hochgelb, bei ganz alten Männchen feurig. Der lange, abgestutzte, breitfächerige Schwanz besteht aus zehn Federn und ist auf schwarzem Grunde weiß getropft. Die langen, schmalen und spitzen Flügel kennzeichnen den Bogel sofort als gewandten Flieger. Die Füße find Kletterfüße, aber die äußere Zehe ist eine Wendezehe. Der Kuckuck ist in der gesamten alten Welt beheimatet. In Deutsch  - land fällt seine Ankunft nieist in die Mitte des April, sein Fortzug findet Anfang August bis Mitte September statt. Der Vogel hält fich am liebsten im Walde auf und bewohnt dort die Kronen alter Bäume, fehlt aber auch in waldlosen Gegenden nicht, z. B. aus den Nordsee  -Inseln. Jedes Pärchen hält lein ziemlich ausgedehntes Revier von Eindringlingen fern. Ehe noch die Morgendämmerung den Anbruch des neuen TageS verkündet, weckt der Knckucksruf, der nach Mitternacht   zuweilen bis hundertmal erschallt, die Schläfer des Waldes. Kaum hebt fich die Sonnenkugel über den Horizont, so geht der Vogel an seine Arbeit. In gewandtem, falkenartigem Fluge fliegt er von Baum zu Baum, von Strauch zu Strauch  , den schein- bar bodenlosen Magen zu füllen. Seine Nahrung bilden Ranpen, namentlich die Bäreuraupen des Prozessions-, Eichen-, Kiefern-, Birken-, Ringel-, Schwammspinners und der Nonne, die er alle niit unglaublicher Freßgier verfolgt. Die Härchen der verzehrten Raupen bohren sich in die innere Magenhaut ein und überziehen diese all- mählich mit einer mausepelzartigen Haarschicht. Die Freßgier des Vogels spottet aller Beschreibung. So wurden im Schlund, in der Speiseröhre und im Magen eines Kuckucks S7 Prozessionsspinner- raupen gefunden und im Magen eines anderen 18 fast erwachsene Raupen des KiesernspinnerS, die etwa F i n g e rl S n g e erreichen I Baron v. Freitag teilt mit, daß ein junger Kuckuck, den er erhallen, am ersten Tage 38 große grüne Heuschrecken, 13 junge Eidechse», Mehlwürmer, 22 Grillen, 9 Kreuzspinnen, 13 Puppen vom Kohl­weißling und eine Menge Ameisenpuppen vertilgte I Treten in einem Walde die genannten schädlichen Raupen in Menge auf, so stellen sich auch die Kuckucke in größerer Zahl ein. E. v. Homeyer beobachtete, daß in einem Wäldchen, in dem die Nonne hauste, an hundert Kuckucke zusammengekommen waren. Ein Vogel niag in einer Minute etwa zehn Raupen verschlingen. Rechnet man nun auf jede» der hundert Kuckucke nur zwei Raupen in der Minute, so verzehren diese täglich, den Tag im Juli zu 16 Stunden gerechnet, 192 000 Raupen, und in IS Tagen so lange währte der Aufenthalt der Vögel in Masse 2 880 000 Raupen. Demnach ist der Kuckuck für die Forstwirtschaft der nützlichste aller einheimischen Vögel. Wie im Walde   verfährt er übrigens auch im Garten und in der Obstplantage, wo er, die Bäume spechtartig ablaufend, die Raupen abliest und verspeist. Ein ganzer Sagenkreis spinnt sich um das Leben dieses sonder- baren Bogels. Das merkwürdigste aus seinem Leben ist aber die Tatsache, daß das Kuckucksweibchen seine Eier in die Nester anderer Vögel legt und von diesen ausbrüten läßt. Bei der verborgenen Lebcnsiveisc des Kuckucks vermochte man lange die Art und Weife seines Familienlebens nicht zu erforschen, und so konnte eS geschehen, daß über das Forlpflanzungsgeschäft des Vogels alles Mögliche und Unmögliche grnmtmaßt wurde. Auch heute ist die Biologie des Vogels noch nicht allgemein bekannt, und dieser Beitrag hier soll in erster Linie bezwecke», über das wie und warum jenes Brutparafitis- »nuS Aufklärung zu geben. Bor SO Jahren schrieb der sächsische Hofrat   und Ornitholog Neichenbach, daß der übergroße Magen des Kuckucks von nachteiliger Wirkung aus die Eiercnlwickelung sei und dem Vogel auch das Selbst­brüten unmöglich mache. Jetzt schreibt man in Laienkreisen das Schmarotzertum des Kuckucks noch vielfach dem Umstände zu, daß er seine Eier in Zwischenräumen von 67 Tagen lege, das Gelege also erst binnen 56 Wochen vollständig werde. Dies kann aber schon darum nicht möglich sein, weil dann die zuerst gelegten Eier bereits in Fäulnis übergegangen wären, bevor die letzten produziert wären, eine vollständige Brut demnach niemals zu- stände käme. Professor Altnm erflärt das Schmarotzertum deS Kuckucks folgendermaßen: Ein Vogel, de?,, die Aufgabe des Kuckucks von Natur zugewiesen ist, muß jederzeit umherschweifen. Er muß sich in feinen Individuen dort sammeln können, wo jene Kalamitäten (Raupenfraß) auftreten, muß aber auch frei sich wieder vereinzeln dürfen oder überhaupt als ungesellige Art vereinzelt leben, sobald und wenn sein vereinzeltes Wirken am Platze ist. Er bildet ein Polizeikorps, das bald hier bald dort zun, Dämpfen eines Aufruhrs längere Zeit tätig fein muß, desien Glieder aber, bei ruhigen Zeiten über das ganze Land verteilt, auch Ordnung zu halten haben. Ein normales Fortpflanzungsgeschäst ist damit unvereinbar. Und so vertraut dem, der Kuckuck ein für allemal seine Eier fremden Brut- vögeln an. Die etwa in 200 Arten über die ganze Erde verbreitete Familie der Kuckucke läßt sich biologisch und zoologisch in zwei an Artcnzahl nahezu gleiche Gruppen teilen: die eigentlichen Kuckucke, welche nur in Amerika   fehlen, schieben ihre meist buntgesärbten Eier, denen auch der für die Wer der anderen Gruppe charakteristische poröse Ueberzug fehlt, nach Art der afrikanischen Honiganzeiger und Vieh- stare anderen Vögeln zur Bebrütung unter. ES ist wohl an- zunehmen, daß das Kuckucksweibchen seit je seine Eier in die Nester gewisser Vogelarten legte, denn sonst ließe fich die ausgesprochene Anpassung an mehrere Typen von Nesteiern kaum erklären. Durch Acnderung der Vegetationsverhälwisse wurden verschiedene Vogelarten gezwungen, bisher von ihnen bewohnte Wohngebiete zu verlassen, andere mußten in ihren Sonderansprüchen an die Be» schaffenheit ihrer Nistplätze herabgehe», uu, überhaupt»och existieren zu könne». Dem Kuckucksweibchen war eS dennoch nicht immer möglich, eine genügende Anzahl der von ihr bevorzugten Vogelnester aufzufinden; um das ganze Gelege unterzubringen, war es also ge- zwungen, andere Nester aufzusuchen, und es wird dazu nament- lich die Nester ähnlich bauender Vögel gewähtt haben. So mag eS gekommen sein, daß viele Kuckuckscier gefunden werden, die in bezug auf Anpassung eher anderen Eiern gleichen als denjenigen, mit denen sie zusammen in ein und demselben Neste liegen, und daß die Zahl der Bogelartcn, in deren Nestern Kuckuckseier gefunden werden, zu einer recht beträchtlichen angewachsen ist; es find beinahe zwei- hundert Arten solcher Vögel bekannt. Eigentümlich ist ferner. daß von den Kuckucksweibchen in den einzelnen Gebieten ganz be- stinimte Vogelarten bevorzugt werden. So konstatierte ein Kuckucks- forscher, daß in der näheren und weiteren Umgebung Leipzigs  Kuckuckseier im Neste des Würgers 172 mal, der Grasmücke 103 mal, des Zaunkönigs 83 mal, deS Rohrsängers 71 mal, der weißen Bach- stelze 55 mal. des Rotkehlchens 51 mal, der SperbergraSmücke 34 mal und des Rotschwänzchens 25 mal gefunden wurden. Außerdem fand man Kuckuckseier im Neste der Nachtigall, der Drossel, vieler Meisen-, Finken- und Pieperarten, der Lerche, des Gimpels  , der Ammer. deS Sperlings, des Fliegenschneppers, der Elster, des Hähers, selbst in Bruthöhlen des Staares und der Spechte, sogar im Neste der Rauch- schwalbe. Es ist zu verstehen, daß nicht alle Eier des Kuckucks ausgebrütet werden; die Eigeuiüinlichkeiten dieser Brutpfleg« schlagen vielmehr nicht selten zun, Verderben der Rachkommenschaft de? Kuckucks fehl. Manche Vögel überbauen ihr Nest, so- bald sie das fremde Ei gewahr werden, andere entfernen das Kuckucksei oder vernichten eS, wieder andere verlassen das Nest und ihr eigenes Gelege. Der Kuckuck sucht auch die Pflege- eltern seines zukünftigen Kindes zu täuschen, indem er ein oder zwei Eier von dem vorgeftmdenen Gehege aus dem Neste wirft, ehe er das seinige hinzufügt! Natürlicherweise liegen über diesen Punkt nur sehr wenig Beobachtungen vor, weil ein so schlauer und t*.- sichtiger Vogel wie der Kuckuck in seinem Tun und Treiben sich nicht leicht beobachten läßt. Trotzdem konnte diese seine List beobachtet werden. Daß aber der Kuckuck die aus dem Reste entfernten Eier verzehre, das ist eine Fabel; denn bei seinem steten Heiß- Hunger würde er sich beim Anblick eines Geleges nicht mit einem Ei begnügen. Beim Ablegen semer Eier wie beim Entfernen der Nestcier hat der Schmarotzer mit den Nesteigentümern oft hefeige Kämpfe zu bestehen. die nicht selten das Zugrundegehen des Kuckuckseies zur Folge haben. Ferner gilt als fest- stehend, daß das Kuckucksweibchen in jedes Nest nur ein Ei legt und daß, sobald sich zwei(mir in Ausnahmefällen mehr) Kuckuckseier in ein und demselben Neste vorfinden, diese von der» s ch i e d e n e n Weibchen herrühren. Beobachtungen und Erfahrungen haben gelehrt, daß nicht nur die einzelnen Eier deS Geleges eines Vogelweibchens in der Färbung einander gleichen, sondern daß dies bei sämtlichen Eiern der Fall ist, die das Weibchen produziert. Da nun weder der Eier- stock des Kuckucks noch die EntWickelung der Eier irgend welch» Anomalie im Vergleich zu anderen Vögeln zeigen, so muß daS auch für diesen Fall gelten. An der Färbung der Eier ist also zu er» kennen, von wie viel verschiedenen Weibchen sie herrühren. Da die Knckuckseier eine überraschende Mannigfaltigkeit in ihrer Färbung besitzen, wird die nachahmende Annäherung der Eier deZ Nestvogels in überraschender Weise erhöht. Diese auffallende Farbenanpassung hat einmal einen kuriosen Kauz veranlaßt, zu behaupten, daß da? Kuckucksweibchen fich einige Tage vor der Nablage ein Nest auS- suche und die darin liegenden Eier mit großem Interesse betrachte dadurch nehme sein Ei genau die Färbung der Nesteier an und würde von den Nesteigentümern nicht als fremdes Ei er» kannt I Die Anficht beruht auf der noch heute bei Laien unausrottbaren Hypothese vom.Versehen� hoffender Mütter I Bei der, wie fich von selber versteht, nur durch Naturauslese ent- standenen Anpassung handelt es sich keineswegs um eine fchablonen- hafte Uebereinstimmung des Kuckuckseis mit den individuellen Merk-