eingebracht und man macht ein Spielchen»Mies" zu zwei Ocre das Stück. Nun kommt der Kaffee. Man gießt sich Rum'rein und ißt Kuchen dazu. Und mitten auf dem Tisch zwischen Messing- leuchtern und brennenden Lichtern steht außerdem eine Holz- kanne mit selbstgebrautem Festbier. Man trinkt abwechselnd daraus, indem man sich sorgfältig mit dem Handrücken über die Lippen streicht, bevor man den Mund daran setzt. Die Pfeifen werden hervorgeholt, und der Tabaksbeutel geht heruin. Ein dicker, grauer, süßlicher Pseisengeruch erfüllt alle Zimmer. Nur Schuhmacher Hansen und Landwirtschaftseleve Vencdiklsen rauchen Zigarren. lFortsetzung folgt.) (Nochdriil! oecdoten.) fcrbande Kalfa. Novelle von Halid Zia, aus dem Türkischen übersetzt von Muhsin« Hamm . (.Schluß.) Mit der ganzen Liebe, deren sie fähig war. schloß sie sich an das Kind an. Sofort nach seiner Geburt hatte sie seine Pflege über- nommen, selbst die Wäsche des Kleinen ließ sie von niemand be- rühren. Aus dem Waschraum konnte man ihre Stimme vernehmen: ,,Ach, wie niedlich, ach, wie süß... hat er sogar schon eigene Wäsche..." too zärtlich sie das Neugeborene auch liebte, es war für sie doch nur das Mittel zum Zweck. Sangen ihre Lippen das Kind in Schlaf, so zählte ihr Herz doch die Monate, die im Fluge dahin- strichen... Sie hatte keine Zeit mehr zum Warten, Ferhände! Die früher nie müden Arme wollten manchmal den Dienst versagen, ihr Körper sank schon bedenklich in sich zusammen, sie lief nicht mehr, sie ging nur noch, und zwar gar nicht mehr jugendlich... „Ferhände Kalfa" war in„Ferhände Dady, Sabit Vehs Wär- ferin", verwandelt worden. Es schien, als ob sie mit dem Zunamen .Dady" um zwanzig Jahre älter geworden sei... Es war an einem Bairamsfeste, daß man Sabit mit seiner Wärterin zum Großpapa geschickt hatte. Als sie sich wieder zum Fortgehen rüsteten, sagte der Effcndi:„Bleib noch einen Augen- blick, Ferhände!... Die Zeit Deines Lohnes ist gekommen..." Er öffnete seine Kassette, probierte die Feder auf dem Nagel des Daumens, nahm dann einen Bogen Papier und begann langsam, sehr langsam zu schreiben. Nachdem er geendigt, las er das Ge- schriebcne aufmerksam durch, holte sein Siegel hervor und drückte es bedächtig unter die Zeilen. Alsdann reichte er dem neben ihm stehenden Knaben das Papier und sagte:„Nimm, Sabit! Gib dies Deiner Dady und sage ihr, daß sie sich endlich ausruhen kann..." Bis zu diesem Augenblick hatte Ferhönde nicht begriffen, worum es sich eigentlich handelte. Jetzt durchzuckte es sie wie der Blitz... Das war die Freiheit! Das kam so plötzlich, so un- erwartet, daß sie um ein Haar ohnmächtig zusammengebrochen wäre. Sie hatte nur noch die Kraft, niederzuknien und ihres Herren Füße zu küssen... Was sie so lange Jahre lang erhofft, war endlich eingetroffen! Sic war frei, endlich, endlich konnte auch sie Braut werden! End- lich konnte sie die schwarzen spröden Dinger, die längst mehr grau als schwarz waren, in schöne, blonde verwandeln! Hesnas Mann erhöhte noch Ferhiindes Seligkeit, indem er. sie freundlich auf die Schulter klopfend, sagte:„Eh, Ferhände Dady, ... verheiraten werde ich Dich, das soll meine Sorge sein. Nun sorge Du dafür, daß Sabit schnell groß wird und nach der Schule geht Es war, als ob mit diesem Papier ein frischer Luftzug in die langsam verglimmende Glut ihres Lebensmutes gefahren sei... Sie lebte auf. Sie hütete das Vlätichcu wie einen kostbaren Schatz, versteckte ihn zwischen ihren Sachen im Koffer, um ihn dann wieder hervorzuholen und inbrünstig zu küssen. Täglich stellte sie sich vor den Spiegel und betrachtete ihre Haare: eins, zwei, drei... oh, sie waren nicht mehr zu zählen, diese weißen Strähnen, aber was schadete das, sie würde sie ja doch färben.., In die erste Zeit von Sabits Schulanfang fielen zwei schwere Schicksalsschläge: Der Effendi und seine Gattin starben kurz hinter- einander. Diese Todesfälle schoben Ferhändes Hoffnungen auf Jähre hinaus einen Riegel vor. Das war zu viel für sie, sie sank noch mehr in sich zusammen, alles, sogar ihr sargsam gehüteter Schatz, hatte für sie den Wert verloren. Sie Hatzte die Welt, die ihr nicht geben wollte, was sie anderen gab... Sie baute keine Luftschlösser mehr, die Arme; ihr Herz war von einer alles durch- tränkenden Bitterkeit erfüllt. Ach, und diese Verbitterung machte sie weder jünger noch schöner. In dem Grade, wie Sabit Bey wuchs und lernte, wurde sie kleiner und immer älter, und ihre Haare waren schon mehr weiß als grau. Eines Margens kam Hesna Hanim lachend aus ihrem Zimmer und rief mit schallender Stimme:.Dady! Dady!" Jetzt nannte auch die Herrin Ferhände so... Als Ferhsud« ins Zimmer trat, lachten beide, Hesna, sowie ihr Gatte, noch immer. Endlich sagte jene:„Dady! Hast Du eine Ahnung? Man be» langt Dich zur Frau..." Ferhande sah ganz erstaunt aus, es war ihr unmöglich an das Gehörte zu glauben. „— Dady, ach. Du glaubst mir nicht?! Sieh der Bey hat es mir eben gesagt... Sabits Lala(Wärter und Vertrauter) wünscht Dich zu heiraten..." Ferhande antwortete nicht. Still ging sie hinaus. Auf dem Korridor hörten die Zurückbleibenden sie murmeln: „— Das wäre mir recht! Warte, warte und heirate dann den Lala..." Also den Lala wollte sie nicht. Nun gut, allen Unterhändlc- rinnen wurde Nachricht gegeben, daß Ferhande verheiratet werden solle; auch die Nachbarn wurden ins Vertrauen gezogen. Die Zeit war da, wo man für sie auf die Brautschau kam. Wenn nur die Wachen und Monde nicht so schnell vergangen wären, wenn sie nur nicht ihr Haar ganz gebleicht hätte»! Schneeweiß war es, und Fe» Hände wartete noch immer! Einmal sagte Hesna Hanim zu ihr:„Dady, weiht Du, wohin wir heute gehen werden? Für Sabit auf die Brautschau..." Ferhände stand sprachlos. Wie? War denn Sabit Bey schon so weit, daß man daran dachte, ihn zu verheiraten?! Sie sann und sann: Sabit sollte schon einundzwanzig Lenze zählen? Vier Jahre nach seiner Mutter Hochzeit war er zur Welt gekommen... Als HeSna Hanim sich vermählte, war sie eben zwanzig geworden. Sie selbst war zwei Jahre älter als die Herrin, also?... Sie kam mit der Rechnung nicht zu Ende, nur sah sie ein, daß sie eine lange, furchtbar lange Reihe von Jahren bildete, und ihr Herz krampfte sich zusammen... � Es war merkwürdig, daß sie noch so viel Kraft hatte, um am Hochzeitstage Saluts hier und da Hand anzulegen. Wo sie sich im Gewühl zeigte, hörte sie flüsternde Bemerkungen, wie:„Seht,-des jungen Bräutigams Dady..." In dieser Nacht zog sie sich auf ihr Zimmer zurück, verschloß die Tür und holte aus ihrem Koffer das vergilbte, zerknitterte Papier... Mit aller Leidenschaft, die ihr das Alter gelassen, warf sie sich darüber hin und weinte,.. weinte.,. » �» Jahre vergingen, und alle ließen ihre Spuren zurück... Da geschah es, daß das junge Ehepaar eines Abends Ferhände zu sich rufen ließ und ihr unter Schmeicheln und Liebkosungen die Er- öffnung machte, daß der Lala sie immer noch zur Frau begehre, daß er sie quäle, ihm behilflich zu sein, seine letzten Tage friedlich im Besitze einer Lebensgefährtin zu beschließen... Beide nahmen sie Ferhände an die Arme, tüßten ihr die welken Wangen, streichelten ihre schneeweißen Haare... Wie nett würde es werden! Sie würden sie, Mann und Frau, nicht von hier fortlassen, sie würden hier bleiben und das Püppchcn. das sich angemeldet hatte, erziehen... Die junge Frau nannte Ferhände lächelnd, auf das Verhältnis zwischen dieser und dem zu erwartenden Weltbürger anspielend: Ferhände Bädsche(alte Wärterin)... Ja, wenn Ferhände sich jetzt verheiratete, war sie schon zur„Bädsche" aufgerückt.,, »,* »' Trotz all ihres Sträubcns mußte sich Ferhände auf das Drängen sämtlicher Hausinsassen hin putzen und schmücken. Der große Tag war da, sie war Braut... Das Haar aber hatte sie sich nicht färben können, hatte es nicht gewollt, denn es war ja nicht mehr schwarz..,_ Die Hmeifen als Viehzüchter.*) Hochauf ragt dicht am breit dahinflutenden Strome ein Felsenhang. Kahles, bröckelndes Gestein weist er der brennenden Sounenglut, selten nur schmücken vereinzelte Eichenbüsche, dornige Schlehen und stachelige Rosensträucher seinen Absturz. Aus dem Felsgeröll aber leuchten hier purpurrot die klebrigen Blüten- stengel der Pechnelke und später die violetten Köpfchen des Lauches. Von der Spitze des Hügels schweift der Blick über die fruchtbare breite Talfurche mit dem silbernen Strombande, mit den freundlichen, in grünende Saatfelder eingebetteten Dörfern, hinüber zu den sanften Höhen im Osten, bis zu den Türmen der Stadt, die in dem dämmerigen Grau der Ferne verschwinden. Hier oben, wo das Land sich wellig dahinstreckt, wo fruchtbare Erdkrume mit totem Gestein wechselt, da grünt und blüht es wie nirgends in der Runde. Sonnenschein, Blütenduft, Bienen- und Fliegengesumm, dazwischen der tiefe Brummbaß der Hummel , Schmetterlinge in leuchtender Farbenpracht, tiefblau der Himmel und trotz aller Glut doch frisch die Luft. Aus der verfallenen, niedrigen Mauer, die mit kunstlos ge- schichteten rohen Steinen das kleine Feldstück umgibt, strecken sich die kräftigen Stengel der großen Fetthenne mit den dickfleischigen *) Aus: Vieh meyer,„Bilder aus dem Ameisenleben" (Naturwissenschaftliche Bibliothek für Jugend und Volk). Reich illustriert, in Originalleinenband 1,80 M. Verlag von Quelle y. Meyer in Leipzig .
Ausgabe
26 (27.5.1909) 101
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