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Sören Sie mal, was ist denn das für einer?" mischte Berzweiflung würde ohnedics zum Ausbruch gekommen fein; denn ,, Not tennt kein Gebot". fich eine aufgedonnerte Dame ein.

" Ja, ich weiß nicht," antwortete der Gefelle bedauernd. Shre untermalten Augen brannten vor Neugierte, und die zarten Wangen wurden weiß.

So ist er geradezu irrtümlich getötet worden?" Jawohl, mun stellt sich's heraus- wie irrtümlich." Der Erzähler schlug die Hände auseinander und ließ den Blick mit einer Miene, als bereite ihm diese Tatsache einen Hochgenuß, lächelnd über die Gefichter der Zuhörer gleiten. Aber das ist doch entseglich!" rief die Dame und fah sich ebenfalls um, als fuche fie Zustimmung.

Na, wiffen Sie... bei ihm hat man auch eine Bombe gefunden!" bemerkte ein junger Offizier, der schönen Frau faum merklich zulächelnd. Das ist alles ein Aufwaschen!" ( Fortsetung folgt.)]

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Das Elend und der Aufrubr in Schlesien .

Bon Wilhelm Wolff

Der Schullehrer Schent gab im Laufe dieses Jahres einen Nachweis( f. Breslauer Beitung" Nr. 30) über verschiedene Sorten, nämlich 6, 7, 8 und 9 Gebinder- Leinwand, über das dazu nötige Garn, den Preis desselben und den Preis der daraus ge­fertigten rohen Leinwand zu 60 Ellen Länge und Ellen Breite angenommen, verdient ein Weber bei einem sogenannten 9 Ge­binder Schocke: 1 Taler 13 Sgr. Die dabei nötigen Arbeiten find folgende: das Garn wird sortiert, gewaschen, getrodnet, geklopft, gefpult, geschert, gehüllt, auf den Webstuhl gezogen, angedreht, ge­schlichtet und gewebt. Godann wird es geschauert, herabgenommen, geflopft, gestempelt, gelegt, gepreßt und dann mit banger Angst von einem Kaufmann zum anderen getragen, bis man es los wird. An einem solchen Schocke arbeiten Mann, Weib und Kind, und soll es früher als in zwei Wochen fertig werden, so muß der Weber Tag und Nacht unablässig schaffen. Hat er nun mit den Seinen den täglichen Verdienst von Sgr. in der Tasche, so muß oder foll er damit die Ausgaben für Brot, Kartoffeln, Salz, Holz, Licht, Stärke, Seife, Kleidung, Schuhe und Ausgaben mancherlei und der drückendsten Art bestreiten. Sollte man nicht denken, selbst der här­tefte Amtspfänder müßte aus solchen Hütten des Elends mit Ent­feben fliehen? Den Angaben Schenks, der übrigens feit 36 Jahren als Elementarlehrer unter den Webern lebt und also wohl unter­richtet ist, mögen sich folgende Worte aus einem am 5. Februar dieses Jahres von dem Pastor Hepche, dem Polizeiberieser Robelt und Gerichtsschreiber Obst in Leutmannsdorf veröffentlichten Auf­rufe anschließen:

Wie leicht die körperliche Anstrengung auch hie und da zu sein scheint, so ist es doch bei Gesundheit, Kraft und dem aus­dauerndsten Fleiße, der die Stunden des Abends bis nach Mitter­ nacht zu Hilfe nimmt, nicht möglich, ein Gewebe von 140 Ellen ( es ist hier von Baumwollenwebern die Rede) früher als in sechs Arbeitstagen zu bollenden, wofür der Fabrikant ein Almofen bon 14 Silbergroschen verabreicht. Die Lebensweise jedes Korrigenden, jedes Militärsträflings erscheint ungleich beneidens­werter um ihrer Sorgenfreiheit, Ordnung und Menschlichkeit willen, als diejenige eines solchen Webers. In alle Häuser tritt die Not mit unwiderstehlicher Gewalt ein, ohnerachtet es nicht zu Teugnen ist, daß treue und redliche Familienbäter alle ihre Kräfte, ihrer Kinder, ihres Hauses aufbieten, um Hunger und Not von sich abzuwehren und der Gefahr, der Bitterkeit all­mählicher Berarmung zu entrinnen."

Allein wenn die Armen glaubten, nun in Kürze auf eine

beffere Gestaltung ihrer Lage rechnen zu dürfen, so sahen sie doch bald, daß sie, wie immer, von der Willtür der Fabritanten ab­hingen, daß der Lohn hier und da noch weiter herabging, und wenn auch an vielen Orten Geld und Lebensmittel verteilt wurden, so war das eben nur eine Galgenfrist, und die milden Spenden bloß ein Tropfen auf eine brennend heiße Sandwüste. Traf es sich nun gar, wie in Salzbrunn, daß für sämtliche Arme des eine Meile langen Dorfes an einem Wintertage 38 Mehen Kartoffeln aus dem landrätlichen Amte abgeholt und bei der Verteilung ganz er froren und selbst fürs Vieh ungenießbar befunden wurden, so war es natürlich, daß die Weber und Spinner an der sehnlichst er­warteten Hilfe irre wurden. Einen fleinen Begriff von dem im Gebirge herrschenden Elende konnte man sich schon aus den von einer Menge von Dorfgerichten eingesandten, bescheinigten und der ersten Generalversammlung zu Schiveidnik in betreff der Weber­angelegenheiten überreichten Tabellen und Listen bilden, worin die allerbedürftigsten, dem Hunger preisgegebenen Personen nament lich aufgeführt waren. Danach war selbst in kleineren Ortschaften die Zahl der Unglücklichen überraschend groß. So befanden sich in Dorfbach 31 Personen, in Grund 38 Personen, in Neugericht 110 Personen, in Toschendorf 48 Familien, in Bedlihhehde 72 Fa milien, die aufs äußerste gebracht waren, lauter Weber, Spuler und Spinner. Dies alles nur in einem kleinen Teile des Walden burger Kreises. Und in anderen Kreisen ist das Elend noch viel umfangreicher, viel schrecklicher. Wenden wir uns jetzt nach dem Eulengebirge, an dessen Fuße sich der erste blutige Aft, mindestens ein Vorspiel in dem unaufhaltbaren Proletarierdrama, im Kampfe des niedergetretenen, von der Macht des Goldes und der schlauen Berechnung zur Maschine erniedrigten Menschen um Wiedergewins nung seiner Würde, im Kriege der Befihlosen gegen die Thrannei und Selbstfucht des Privateigentums, zu Anfang dieses Monats entwickelt hat.

Hier in den großen Dörfern Langenbielau ( 13 000 Einwohner), Peterswaldau ( 5000 Einwohner) und in den übrigen Dörfern, wie Arnsdorf , Beilau usw. ist besonders die Baumwollweberei zu Hause. Die Not der Arbeiter war und ist hier nicht minder bedeutend, ja vielleicht noch mehr, als in anderen Gegenden, obgleich man denken sollte, das Elend könne feinen höheren Grad erreichen, als auf dem es im Landshuter , Hirschberger, Bollenhainer und an deven Kreisen anzutreffen ist. Schon im Winter, mit beginnendem Februar fand in Bielau ein fleiner Aufstand statt. Ein Haufe rief durch Signale die Weber des Dorfes zusammen. Man bes freite einen Sameraden, der eingesperrt worden. Durch einige Geschenke wurde die Menge beschwichtigt. Eine Untersuchung des Vorfalles folgte, doch bei der Heimlichkeit unseres Verfahrens blieb dieser Borgang selbst in Breslau , d. h. unter dem nicht regierungs­mäßigen Publikum, meist unbekannt. Inzwischen wurde die Not und das Drängen nach Arbeit von einzelnen Fabrikanten mög lichst benutzt, um für geringen Lohn viel Ware zu erhalten. Unter diesen ragten die Gebrüder Zwanziger in Peterswaldau besonders hervor. Für ein Webe Kattun bon 140 Ellen, woran ein Weber 9 Tage zu arbeiten hat und wofür andere Lohnherren 32 Silber groschen zahlten, gaben fie nur 15 Silbergroschen. Für 160 Ellen Barchent, welches 8 bolle Tage angestrengter Arbeit erfordert, ent richteten sie 12% und 12 Silbergroschen Lohn. Ja, fie erklärten sich bereit, noch 300 Weber in Arbeit zu nehmen, wofern diese ebensoviel für 10 Silbergroschen arbeiten wollten. Das bitterste Elend zwang die Armen, auch unter dieser Bedingung zu arbeiten. Bon seinen 12 oder resp. 10 Silbergroschen mußte der Weber noch 2% bis 3 Silbergroschen an den Spuler entrichten, alle Staats-, Gemeinde- und gutsherrlichen Lasten tragen und leben. Ach! wenn mich doch einer belehren wollte, warum der faulenzende Sohn reicher Eltern, der in Bädern, auf Reisen oder sonst wo schwelgende Besizer von 3, 10 und 100 Gütern und Herrschaften, der müßige Kapitalist, die wohlhabende Jugend des Landes", der Major, Oberst, General, der nach unblutigem Kriegsspiel in langer Friedenszeit sich mit einer Pension von 1000, 1500, 2000 Talern usw. zurückzieht, warum diese trotz ihres Nichtarbeitens bon Jugend auf dennoch herrlich und in Freuden leben, und der fleißige Ar­beiter vertiert und verdumpft, aller moralischen und intellet tuellen Entwickelung beraubt, für seine tägliche mühsame Arbeit von 14 bis 16 langen, langen Stunden nicht einmal fobiel gewinnt, daß er mindestens die Bedürfnisse eines Tieres, die Forderungen des Magens befriedigen fann! Doch ich gehe weiter.

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Der Gutsherr, der sich unterdes der Herabsetzung der Pfand­briefzinsen erfreute, dachte nicht daran, seinen Untertanen" in den Leistungen herabzusehen. Er forderte nach wie vor den Grund­zins, das Spinn, Jagd- und Wächtergeld, die Hofetage, das Schutz­geld usw. usw. und befand sich ganz wohl; er litt feine Not. Der Fabrikant und der Leinwandkaufmann magerte trok der schlechten Ronjunktur nicht ab, im Gegenteil, er sah recht munter und be­habig aus, trant seinen Clicquot, az Außern, gab Feten und hing Das anfangs nicht allzu große Vermögen der Zwanziger war feiner Gemahlin und Fräulein Töchtern für einige tausend Taler Geschmeide um den Hals, während sich da drüben die von Arbeit erschöpfte Armut im dumpfen, stinkenden Winkel, schlaflos vor Frost und Hunger, auf dem dürftigen Lager der Entbehrung wälzte. Da ertönte der Notruf in Schlefien und fernerhin durch ganz Deutschland ; Vereine zur Linderung der Not bildeten sich überall; ein Hoffnungsstrahl drang in die Hütten der Armen. Sie hörten bon Borschlägen, wie man eine große Assoziation bilden wolle, in welcher die Weber als Produzenten auch Teilnehmer am Gewinne ihrer eigenen Produkte werden, wie die Konsumenten nun un­mittelbar von ihnen die Waren beziehen und das ganze Geschäft bon eigens dazu angestellten, erfahrenen und besoldeten Beamten geleitet werden sollte. Der Notruf hatte zwar nicht die Not her borgerufen, wie freilich viele jetzt uns überreden möchten; und die

in furzer Zeit zu großem Reichtum angewachsen. Sechs prächtige Gebäude gaben Zeugnis davon. Herrliche Spiegelscheiben, Fenster­rahmen von Kirschbaumholz, Treppengeländer von Mahagoni, Kleider- und Wagenpracht sprachen der Armut der Weber Hohn. Bei der letzten Lohnverkürzung sollten die Zwanziger auf der Weber ihre Vorstellung, daß sie nun gar nicht mehr bestehen und selbst nicht mehr Kartoffeln laufen fönnten, geäußert haben, sie würden noch für eine Quarkschnitte arbeiten müssen, oder, wie andere sagen: die Weber möchten nur, wenn sie nichts anderes hätten, Gras freffen; das sei heuer reichlich gewachsen. Ich lasse diese Aeußerungen dahingestellt ein; ich teile fie nur mit, weil fie in aller Munde sind. Dagegen fann ich folgenden kurzen Bericht, wie ich ihn Augenzeugen, und zwar glaubhaften Männern, nach erzähle, berbürgen.