IteSe über alle Grenzen hinaus getrieben oder als ein nüchternes physiologisches oder hygienisches Problem aufgefaßt werden. Es ist dies freilich auch der Grund, der von jeher zu den er- zieherischen Nöten in der geschlechtlichen Frage geführt hat, und der gegenwärtig wieder viele ernste Ml-nner und Frauen be- Lchäftigt. Wie verhindern wir auf der einen Seite dieAuf- klärung" auf der Straße und in den verstecktesten Winkeln, ohne doch auf der anderen Seite durch eine rücksichtslose, sogenannte vernünftige" Aufklärung mehr zu verderben als zu verhüten? Der D ü r e r b u n d, der sich in Gemeinschaft mit dem Kunstwart und seiner Gemeinde schon manche Verdienste um die ästhetische Kultur der Zeit erworben hat, versucht einen neuen Weg. Er hat durch ein Preisausschreiben eine große Zahl von Betrachtungen, Ratschlägen und Beispielen zur sexuellen Aufklärung erhalten, von denen er eine Auslese, zu einemHausbuch"*) zusammengestellt, den Erziehern darbietet. Die Sammlung ist sehr reichhaltig, zu reichhaltig, so daß gerade dadurch wieder eine gewisse Einseitigkeit bewirkt wird. Zu oft kehrt derselbe Gedankengang, dasselbe Bei- spiel, dieselbe Nutzanwendung wieder, mancher Leser wird oft er- inüdet seufzen: weniger wäre mehr! Aber vielleicht ist dieser Mangel in den Augen anderer Leser ebenso wie in denen der Herausgeber ein Vorzug, weil sie glauben, daß die eine Darstellung ergänzen kann, was die andere schuldig geblieben ist. In jedem Kalle ist das Buch als eine willkommene Bereicherung der ärmlichen Literatur über die sexuelle Jugendaufklärung zu begrüßen. Die reifsten und besten Beiträge stammen von Pädagogen. Kreilich nicht von den Schablonenpädagogen, nicht von engherzigen ulmeistern, sondern von Männern, die sich einen Blick über ihre ulstube hinaus für die drängenden Fragen des Lebens bewahrt haben. Hierzu gehört in erster Linie der bekannte Schulmann und Sozialpolitiker A g a h d, der sich bereits vor Jahren durch sein warmherziges Eintreten für die erwerbsmäßig ausgebeuteten Kinder einen guten Namen gesichert hat. Ferner nenne ich noch den Charlottenburger Pädagogen P e n z i g, den Münchener Weber und den Jenenser E i g e n b r o d t. Es ist bezeichnend, daß sie alle die lehrplanmäßige Behandlung der sexuellen Jugend- vutklärung durch die Volksschule ablehnen. Wohl zeigen Agahd und Weber, daß sie dem Problem nicht au? dem Wege gehen, wenn eS der Unterricht oder der Verkehr mit den Schülern plötzlich un- gerufen vor sie hinstellt; sie zeigen aber auch, daß sie die schwierige Aufgabe von Fall zu Fall zu lösen wissen. Freilich nicht durch Schema? oder durch irgend eineMethode" oder durch die Esels- drücke einesLeitfadens", sondern durch die Kraft ihrer Per- sönlichkeit. Sache der Persönlichkeit ift die sexuelle Aufklärung auch für die häusliche Erziehung. Man kann den Eltern keine fertigen Formeln an die Hand geben. Dazu ist das Gebiet viel zu schwierig, viel zu zart und viel zu verschiedenartig. Die Frage tritt in den mannigfaltigsten Gestalten an die Eltern und die sonstigen Er- t jeher heran; die Kinder werden zu ihren Fragen nach dem öarum und dem Wie der sexuellen Vorgänge in den verschiedenen Lebensaltern aus ganz verschiedenen Motiven getrieben. Lange Zeit spricht dabei keinerlei sexueller Reiz mit, sondern lediglich die Neugier und das Wissensbedürfnis. Die Kinder selbst sind verschieden geartet. Das eine gibt sich mit der ersten besten plau- siblen Antwort zufrieden, das andere reiht eine Frage an die andere.Einzelvorschriften lassen sich da nicht geben. Ja, nirgends mehr als gerade hier wird es deutlich, daß alles, was wir hier zu sagen und zu raten vermögen, unendlich plump und schwerfällig ist und so gar nicht den Kern dessen trifft, waS gesagt und getan werden muß. Worte, Worte, nichts als Worte, wo man ganz Herz, ganz Feingefühl, ganz unschuldiges Wissen sein und geben möchte." lHenriette Fürth.) Die allgemeine Vorschrift aber, die man den Eltern und allen anderen Erziehern geben kann, faßt ein Wort Lessings am knappesten und treffendsten zusammen:Man muß dem Kinde Wahrheit geben, nichts als Wahrheit aber nicht die ganze Wahrheit." Nun mögen die Erzieher selbst nach dem Einzelfall, der für sie in Betracht kommt, beurteilen, wieviel von der Wahrheit sie dem Kinde geben sollen. Stückwerk und Flickwerk wird die sexuelle Jugendaufklärung heute in jedem Falle bleiben. Einmal stehen wir Erwachsenen selbst noch zu sehr unter dem Banne der alten Tradition, als daß wir die sexuellen Fragen schon mit der Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit und doch auch wiederum mit der Reinheit der Empfindung beurteilen könnten, die einmal wertvolle Eigen. schaften einer späteren besseren Zeit sein werden. Andererseits machen die sozialen Verhältnisse der Gegenwart nur zu oft die dicksten Striche durch die schönsten Vorsätze. Die jammervollen Zustände, in denen die große Masse des arbeitenden Volkes zu leben gezwungen ist, besonders die elenden Wohnungsverhältnisse be- wirken eine praktische sexuelle Aufklärung der bedauerlichsten Art. Agahd teilt den Notlchrei eines zwölfjährigen Kindes mit:Wir haben zwei Schlafmädchen und einen Schlafburschen. Ich kann ja alle die Redensarten und Gemeinheiten nicht mehr mit ansehen und anhören. Aber unser Vater sagt, er möchte sie schon raus- schmeißen: aber dann kann er nicht die Miete bezahlen." *) Am Lebensquell. Ein Hausbuch zur geschlechtlichen Erziehung. Herausgegeben vom Dürerbund. Verlegt bei Alexander Köhler in Dresden . 1S09. So mündet die Frage der sexuellen Jugendaufklärung schließlich doch auch in dem großen Strome der Allgemeinen sozialen Frage. Heinrich Schulz. kleines feuUUton. Literarisches. Spinoza ?Ethik" ist in einer Volksausgabe(Leipzig . Alfred Kröner , 148 Seiten, 1 M.) erschienen. Spinoza hat nicht nur in der Philosophie großes geleistet. Er war nach den schwärmerischen Naturphilosophen aus der Zeit der Renaissance(Giordano Bruno , Jakob Böhme usw.) der erste, der das moderne naturwissenschaftliche Weltbild mit den Bedürfnissen des menschlichen Gemütes aussöhnte. Er hat alle die widerlegt, die behaupten, eine streng mechanische Weltanschauung lasse keinen Spielraum für Dichtung und Sittlich­keit. Sein Einfluß auf Goethe und damit die gesamte deutsche Kultur beweisen das Gegenteil. Ebenso auch sein eigenes Leben, das voll von Heroismus gegenüber der eifernden Synagoge wie allen geschichtlichen Mächten überhaupt sich durchgesetzt hat. Die Ethik" enthält die gesamte Lebensphilosophie Spinozas, und kein ernster Wissenschaftsfreund wird sich durch die hier und da uns fremd anmutende Form der Gedanken von ihrem Studium abhalten lassen. Aus allen Sätzen spricht eine freiheitsdurstende Seele. Spinozas Ethik weist in manchem Punkte direkt auf die sozialistische Ethik hin. Wer das näher verfolgen will, lese J.SternS Buch über B. Spinoza , das bei Dietz in Stuttgart erschienen ist. Aus dem Pflanzenleben. Warum das Laub grün i st? Wem: auch manche Bäume und Pflanzen Blätter von mannigfaltigen Farben aufweisen, so bilden sie damit doch nur eine seltene Ausnahme und die vorwaltende Farbe unserer Vegetation ist das durch die Chlorophyllablagerung in den Blättern hervorgebrachte Grün. Die Frage, weshalb sich dies so verhält, ist keine müssige. Färbungen solcher Art stehen in nahem gesetzmäßigem Zusammenhange mit dem Licht, das die gefärbten Organe trifft. Zunächst ist eS eine bekannte Tatsache, daß bei voll- ständigem Ausschluß von Licht überhaupt keine Färbung zustande kommt. wofür die blassen Triebe der im Keller aufbewahrten Kartoffeln ein Beispiel sind. Engelmann hat nachgewiesen, daß die MeercSalgen die Komplementärfarbe des Lichts annehmen, das sie trifft; eS ist bei einer bestimmten Algenfamilie, den sogenannten Cyanophycäen sogar ge- lungen, experimentell durch Bestrahlung mit verschieden farbigem Licht«enderungen der Färbung zu erzeugen. Diese Tatsachen ver- anlassen Professor Ernst Stahl zu einer Erklärung der grünen Färbung der Landpflanzen, die er in einem besonderen Werke Zur Biologie de? Chlorophylls, Laubfarbe und Himmelslicht". darlegt. Das Chlorophhllspektrum kann nach seinen Ausfüh- rungen als Kombination zweier AbsorptionS-Spektra betrachtet werden. Die Absorption am blauen Ende dieses Spektrums entspricht nahezu der de? EtiolinS, jene? Stoffes, der die Gelbfärbung der Blätter bewirkt, während sie am roten Ende mit jener grünen Substanz übereinstimmt, die gebildet wird. wenn etiolinhaltige Pflanzen der Wirkung des Lichts ausgesetzt werden, und die zur Hcrbstzeit wiederum verschwindet. Die grün- lichgelbe Vlattfärbung ist daher eine Anpassung an die vorwaltenden Farben des zerstreuten Tageslichts, wobei da? Gelb zu dem Blau des Tageshimmels und das Grün zu dem Rot und Orange des Sonnenuntergangs kompler.ientär erscheinen. Es liegt nahe, bei Gegenständen wie dem vorliegenden, auch die Frage nach derZweckmäßigkeit" zu stellen. Daß die grünen Strahlen nicht absorbiert werden, entspricht nicht allein dem Umstände, daß das Chlorophyll zu seinem chemischen Aufbau ihrer entraten kann. sondern geht mit der Tatsache Hand in Hand, daß die grünen Strahlen infolge ihrer starken Wärmewirkung der Pflanze geradezu schädlich wären. Die Landpflanzen brauchen d,e Absorption der grünen Strahlen nicht. Dort wo. sie stattfinde� wie zum Beispiel bei den rot und braun gefärbten Arten des See- tangs, den blaugrünen Algen usw., ist sie eben notwendig, um den betreffenden Pflanzen ausreichende Energie zuzuführen. Eine zu starke Belichtung des Blattes führt geradezu zu einer Zerstörung des Chlorophylls. Diese Tatsache war längst bekannt und man hat zu ihrer Erklärung die Wirksamkeit der ultravioletten Strahlen heran- gezogen. Im Gegensatz dazu spricht Stahl die Ansicht aus, daß die Warmesttahlen von größter Bedeutung seien. Die verschiedene Färbung, die die Blätter zeigen, je nachdem sie in der Sonne oder im Schatten stehen, ist als Schutzanpassung gegen die Gefahr der Ueberhitzung anzusehen. Let den Algen ist seiner Ansicht nach die Anpassung nicht allein auf die Qualität des Lichts gerichtet, sondern auch auf seine Stärke. Die Etiolierung der Blätter, d. h. ihre Gelbfärbung im Herbst, führt Stahl auf da? Oekonomie(Sparsamkeits)prinzip zurück. da da« Ettolin im Gegensatz zum Chlorophyll weder Stickstoff noch Magnesium enthätt und somit der Pflanze diese Stoffe nicht entzieht. die für sie von großem Werte sind. Ein Beleg dafür ist, daß Blätter, die an der Wende des Gelbwerbens gepflückt und in feuchtem Räume aufbewahrt werden, grün bleiben, während die am Baume verbliebenen zur Herbstfarbe übergehen. Berantw. Redakt.: Wilhelm Düwrll, Lichtenberg. Druck u. Verlag: Borwärt» Buchdruckerei u.VerI«g»anstalt Paul Singer öcEo..Berlin SVf.