haben alle Weib und Kind zu Haus zurückgelassen: das macht ihnen keinen Spaß, die Kriegerei, wissen Sie! Ich bin sicher, daß man auch dort sehr nach den Männern weint, und das wird ein schreckliches Elend bei ihnen geben, wie bei uns. Hier ist man ja im Augenblick nicht sehr unglücklich, weil sie nichts Böses machen und arbeiten, als wären sie zu Haus. Sehen Sie, Herr, unter armen Leuten muß man sich wohl helfen.«. Die großen Herren machen den Krieg." Cornudet war entrüstet über das Bündnis zwischen Siegern und Besiegten, ging weg und blieb lieber in der Herberge. Loiseau fand ein Scherzwort:.Sie bevölkern wieder." Herr Carrc- Lamadon eine ernste Bemerkung:Sie sühnen." Aber den Kutscher fand man nicht. Schließlich wurde er im Kaffeehaus ent- deckt, wo er brüderlich mit dem Sffiziersburschen zufammensaß. Der Graf rief ihn an: Ist Ihnen nicht befohlen worden, um acht llhr anzuspannen?" Ja. schon, aber man hat mir inzwischen anders befohlen." Was?" Ueberhaupt nicht anzuspannen.", Wer hat Ihnen den Befehl gegeben?" Wer? Ter preußische Kommandant." Warum?" Ich weiß nicht. Fragen Sie ihn selbst. Man verbietet mir, anzuspannen, ich spanne nicht an. Fertig!" Hat er Ihnen das selbst gesagt?" Nein, der Wirt hat mir seinen Befehl gegeben." Wann?" Gestern abend, als ich zu Bett gehen wolltet Die drei Männer gingen sehr unruhig zurück. Sie fragten nach Herrn Follendie, aber die Magd erwiderte, daß der gnädige Herr wegen seines Asthmas niemals vor zehn Uhr aufstehe. Er hatte ausdrücklich verboten, ihn früher zu wecken, ausgenommen bei Feuersgefahr. Sie wollten den Offizier sprechen, aber das war völlig un- möglich, obwohl er im Gasthof wohnte; Herr Follenvie allein war berechtigt, mit ihm über Zivilangelegenheiten zu reden. Man wartete also ab. Die Frauen gingen in ihre Zimmer zurück, und sie vertrieben sich mit nichts die Zeit. Cornudet ließ sich an dem hohen Küchenherd nieder, wo ein großes Feuer brannte. Torthin ließ er sich einen der kleinen Tische aus dem Cafe bringen, ein Glas Bier und zog seine Pfeife heraus, die unter den Demokraten beinahe so angesehen war wie er selbst, als ob sie dein Vaterland gedient hätte im Dienste für Cornudet. Es war eine prächtige, wunderbar angerauchte Meer- fchaumpfcife, so schwarz wie die Zähne ihres Herrn; duftend und glänzend schmiegte sie sich vertraut in seine Hand und vollendete feinen Charakterkopf. Er saß unbeweglich, die Augen bald auf das Herdfeuer gerichtet, bald auf den Schaum, der seinen Schoppen krönte. Und bei jedem Schluck ließ er mit zufriedener Miene seine langen, mageren Finger durch die langen, fettigen Haare gleiten. während er an seinem schaumgeränderten Schnurrbart sog. �Fortsetzung folgt.x Die JNIoraircbule. Sine Erinnerung an Detlev v. Lilien cron. Im Winter 1893 hielt sich Liliencron einen Monat in Leipzig auf. Ich lernte ihn damals im Kreise derBallonmützen" kennen, einer Gesellschaft von jugendlichen Literaturzigeunern. die jeden Donnerstagabend in einer Wemkneipe am Ranstädter Stein- weg ihre geräuschvollen Zusammenkünfte hatten. Den Mittelpunkt der trinkfesten imd streitfrohen Tafelrunde bildeten HansMerian (genanntPater Marianus") und Wilhelm Friedrich der e'rstere der Redakteur, der zweite der Verleger des jüngstdeutschen Sturm» und DrangorgansDie Gesellschaft". Der Dichter Liliencron war zu jener Zeit dem deutschen Publikum noch fast völlig unbekannt. Seine Gedichte und Novellenbücher lagerten in jung- fraulicher Unberührtheit in den Magazinen des Friedrichfchen Berlages. Der größte deutsche Lyriker der Gegenwart galt dem Volke der Dichter und Denker, soweit eS von ihm Notiz genommen hatte, teils als verrückt, teils als allzu unanständig. Dem königStreuen Baron leuchtete noch nicht die allerhöchste Gnadensonne(deren Gunst ihm übrigens auch später nur für kurze Zeit zu teil wurde) und seine Kriegsgeschichten hatten noch nicht Aufnahme in die preußischen Schullesebücher gefunden. Uni so größer war die Verehrung, die Liliencron aus den Kreisen dcS sogenannten jüngsten Deutschlands entgegengebracht wurde. Die Dichter und Kritiker, die damals die literarische und künstlerische Revolution propagierten, huldigten ihm mit Recht als der weitaus stärksten Künftlerpersönlichkeit und dem feinsten Formtalent unter den deutschen Poeten. Die Leipziger Ballonmützen waren ohne Ausnahme begeisterte Verehrer des DichterS und Menschen Liliencron : Von Angesicht freilich kannte a, ßer Wilhelm Friedrich ihn keiner von uns, und allerhand sagen- hafte Gerüchte über seine abenteuerreiche Vergangenheit und seine genialische Lebensauffassung und Lebensführung umgaben die Per- svnlichkeit des Heidcprinzcn mit einem phantastischen Nimbus. Die Freude und die Spannung waren daher groß, als der Pate, Marianus eines Tages die Nachricht örachte:Detlev kommt nach Leipzig !" Der Grund, weshalb der in Altona wohnende Liliencron damals längere Zeit am Pleißestrand verweilte, war ein eigenartiger und hing mit der eben erwähnten genialischen Lebensführung zusammen. Es handelte sich nämlich um den Versuch einer finanziellen Sanierung" des BaronS, der mit seinen jämmerlich geringen imd überdies durch alte Schulden geschmälerten Einkünften nicht haus- halten konnte und seinen ebenfalls nicht auf Rosen gebetteten Ver- leger durch überraschende und dringende Extraforderungen oft in Verlegenheit brachte. Es kamen nicht nur stürmische Briefe, sondern es liefen auch Telegramme ein, und zwar aus den seltsamsten Orten und zuweilen zur Nachtzeit, die die unverzügliche Auslösung des in der Klemme befindlichen Absenders heischten und notwendig machten. Friedrich hatte nmr beschlossen, diesen unbequemen Plötzlichkeiten ein Ende zu niachen und eine umfassende systematische Schuldentilgung zu arrangieren. Zur Erledigung dieser heiklen Angelegenheit wurde Liliencron nach Leipzig eingeladen. Das Geschäft hatte ungeahnte Schwierigkeiten. Denn da der Dichter es versäumt hatte, über die wechselreichen Ereignisse in seiner Haushaltung Buch zu führen, so konnte er einen Üeberblick über seine finanzielle Situation nur aus dem Gedächtnisse geben. Er erhielt von Friedrich einen weißen Foliobogen und sollte darauf die Namen der Gläubiger nebst den einzelnen Schuldensummen eintragen. Aber abgesehen davon, daß diese Arbeit bei der großen Ausdehnung und Mannigfaltigkeit der Verbindlichkeiten schon an sich eine ziemlich komplizierte und langlmerige war, mangelte es Lilien- cron auch an jeder Spur von geschäftlicher Sachlichkeit. Bei der Er- mnerung an jeden einzelnen Posten fiel ihm zugleich die Ver- anlassung zu dem betreffenden Pump und damit irgend eine Ge- schichte em, die er dann erst einmal, in der Erinnerung schwelgend, mit alle« Details zum besten gab. Z. V.:Restaurateur Schulze: 75 Mark.--- Das war Himmelfahrt -- nein, Grün­donnerstag. Berta I Berta! Aschblond und dunkelbraune Augen! Ich sage Ihnen, Friedrich: jeder Zoll ein Rasseweib I Aschblond und dunkelbraune Augen I Ich entdeckte sie ganz zufällig--- usw." Auf diese Weise nahmen� die Verhandlungen kein Ende. Täglich fielen dem Dichter neue Schuldenposten und neue Rasseweiber ein, mid der Leipziger Aufenthalt, der anfänglich nur aus wenige Tage berechnet war, dehnte sich über einen vollen Monat ans. Wilhelm Friedrich wollte diese Zeit auch in anderer Hinsicht nicht unbenutzt lassen. Er, der durch seinen Beruf alS Verleger gewöhnt war, mibefangen in die schwärzesten Abgründe deutscher Dichterseelen zu blicken, betrachtete auch den Bohemien Liliencron mit ver- zeihender Milde und glaubte in dem Herzen des freiherrlichen Zigeuners noch einige Lichtpunkte entdeckt zu haben, die einer er- zieherischen Pflege wert waren. Er faßte daher den originellen Entschluß, Liliencron in eineMoralschule" zu nehmen. Der geniale Bummler sollte solide werden und vor allem einmal arbeiten lernen. Es wurde ihm ein möbliertes Zimmer gemietet; zn den Mahlzeiten erschien er im Friedrichfchen Hause und an barem Geld erhielt er wöchentlich fünf Mark ausgezahlt fürpersönliche Be- dürfnisse". Die Vormittagsstunden nmßte er in der Redaktion der Gesellschaft" zubringen, wo der Segen der Arbeit an einigen ver- lockenden Beispielen studiert werden konnte. DaS in den Kellerräumen des Friedrichschcn Hauses in der Sakomonfiraße gelegene Redaktionslokal war kein durchaus an- genehmer Aufenthaltsort, aber trotzdem hielt Liliencron dort tapfer aus und zeigte sich auch sonst in jeder Hinsicht als Muster­knabe. Das wöchentliche Taschengeld von fünf Mark diente freilich regelmäßig dem heiteren Lebensgenuß in Gesellschaft eines Leipziger Rasseweibcs. Zu den sonstigen erlaubten Aus- schweifungen' des Moralbeflissenen gehörte an jedem Donnerstag- abend der Besuch der erwähnten Ballonmützcn-Korona. Gleich am Tage seiner Ankunft war er hier erschienen, durch Merian eingeführt. Sein erste» Anftreren enttäuschte ein wenig. Die kleine untersetzte Gestalt mit den steifen, etwas altfränkisch gezierten Bewegungen und der schnarrende Leutnantston paßten nicht recht zu dem Bilde, das wir uns von dem Gegenstande unserer Verehrung gemacht hatten. Aber bald taute der Freiherr auf und schien sich in dem Kreise wohl zu fühlen. Er erzählte Schwanke aus seinem Leben, las oft und offenbar gern aus seinen Gedichten vor und beteiligte sich mit großer Lebhaftigkeit an den meist sehr scharfen Debatten, mit denen die Ballonmützen sich ihren Rotspon zu würzen pflegten. Nur wenn das Gespräch aus politische Themata kam, verstummte er sofort, wandte sich demonstrativ ab und ergriff irgendeine ans dem Tisch liegende Zeitschrift, in deren Lektüre er sich vertiefte.Mit eurem Sozialismus bleibt mir, bitte, vom Leibe. Ich bin Kreuz-ZcitungS"-Mann, durch und durch I" Ganz so schlimm war es freilich nicht. denn die Devise seines angeblichen LeiborgansMit Gott für König und Vaterland", hinderte ihn nicht, sich gelegentlich als radikalen Atheisten,durch und durch". zu bekennen im!» in allen Tonarten auf Kirche und Pfaffen zu schimpfen. Geradezu märcheichast war seine Fähigkeit, auS jeder nnschein« baren Blume, die er am Wege fand, den süßesten Honig zu saugen. Seine Phantasie verklärte alles, was ihn umgab. Er war ein feiner Weinkenner und trotzdem genoß er in guter Gesellschaft sogar das satanische Gesöff, das bei den Ballomnützen kredenzt wurde, mit sichtlichem Wohlbehagen. Eine Scchserzigarre konnte ihm, wenn er