treibend ist nur die Haarwurzel, der Schaft dagegen ist ge- wissermaßen tot und unempfindlich, wie man vom Haare- schneiden weiß; also kann ein bloß nervöser �Einfluß den Haarschaft unmöglich einer so tiefgreifenden Veränderung unter- werfen. Dies klingt sehr plausibel. Aber, wie schon manchmal, soll auch hier der Volksmund oder vielmehr die populäre Natnrbeob- achtung recht behalten. In letzter Zeit sind hierüber einige Beobachtungen gemacht worden. Zunächst ein ganz extremer Fall, den Prof. Baelz mitgeteilt hat. Als eine etwa dreißigjährige Frau, die ihn ein halbes Jahr zuvor wiederholt konsultiert hatte, eines Tages wieder in seine Sprechstunde kam, erkannte er sie zuerst nicht wieder. Er kannte sie mit dunklen Haaren, jetzt war sie grau ge- worden nnt einzelnen direkt weißen Strähnen. Sie lächelte traurig und sagte: Ja, es ist kein Wunder, daß Sie mich nicht erkennen, ich bin vor Schreck plötzlich grau geworden. Dann erzählte sie, wie sie mit ihren, kleinen Kinde an Bord eines Dampfers gewesen, der nachts dein. Ausfahren aus einem Hafen mit einen, anderen Dampfer zusaminenstieß und rasch sank. Die Verwirrung in der Dunkelheit war furchtbar. Es erfolgte der übliche Kampf um den Eintritt in die Boote. Die zarte Frau wurde beiseite gedrängt. In ihrer Verzweiflung sprang sie, das Kind an sich pressend, über den Schiffsrand, in der Hoffnung, auf diese Weise in ein unten liegendes Boot zu gelangen. Sie stürzte aber ins Meer und wurde nach einiger Zeit bewußtlos aufgefischt. Ihr totes Kind hielt sie noch iu den Armen. Nach einigen Tagen traf ihre Mutter ein und rief bei ihrem Anblick entsetzt: aber du bist ja ganz grau I Und so war es auch. Baelz fand bei der Untersuchung die Haare von ungleicher Farbe; uament- lich an den Schläfen und an der Stirn waren einige Bündel weiß; auf dem übrigen Kopf wechselten weiße Haare regellos mit nonnal gefärbten. Die weißen waren der ganzen Länge nach weiß, also in einer Ausdehnung, die zu ihrem Wachstum mindestens zwei Jahre braucht, während seit dem Unglück erst sechs Monate verflossen waren I Dieser Fall ist also authentisch, woran nichts ändert, daß wir ihn mit den jetzigen Hilfsmitteln der Wissenschaft nicht recht erklären können. Unstreitig ist die Veränderung auf nervösem Wege hervorgerufen, wenn auch in den ge- wöhnlichcn Fällen des frühzeitigen Ergrauens eine ent­sprechende Familienanlage die Hauptrolle spielen mag. Man kann zum Vergleich die Erscheinungen der Hypnose heranziehen, wo es durch bloßes Einreden(Suggestion) gelingt, bei den Eingeschläferten Schwellungen der Haut, sogar richtige Brandblasen hervorzurufen. Aehnlich merkwürdig, wie der geschilderte Fall, ist das Lockigwerden schlichter Haare nach abgelaufenen, Typhus , das gleichfalls neuer- dings beobachtet wurde. Menschen mit schlichtem, straffem Haar bekommen nach dieser Krankheit manchmal einen richtigen Locken- köpf. Das ist um so auffälliger, als zwischen beiden Haarformen nach Gestalt der Haarwurzel, Art der Einpflanzung in die Kopfhaut und Oucrschuitt des Schaftes eine deutliche Verschiedenheit besteht. Die Locken haben sich in einigen Fällen mit der Zeit wieder ver- koren, in anderen aber dauernd erhalten. Auch hier ist die Tatsache ebenso sicher festgestellt, wie schwierig zu erklären. Aus dem Pflanzenreich. Die MoSkito-Pflanzen. Die Pflanzen find wichtigste Bundesgenossen des Menschen in der Bekämpfung von Krankheiten, meist aber doch nur in der Hinsicht, daß sie ihm in ihren Säften. fei es in der Wurzel oder im Stil, in den Blättern oder den Früchten Stoffe darbieten, die eine ganz besondere Wirkung für Mensch und Tier besitzen. Man braucht nur daran zu denken, wie häufig solche Pflanzenstoffe wie Kampher oder der Saft des Fingerhutes lebens­erhaltend oder lebensverlängernd wirken. Manchen Gewächsen wird aber außerden, nachgesagt, daß sie schon bei Lebzeiten, also nur durch ihre Lebensbetätigung Krankheiten von ihrer Umgebung fernhalten. In besonderem Ruf stehen in dieser Hinsicht die stattlichen Eukalypten, die deshalb auch in manchen Ländern außerhalb ihrer Heiinat an- gepflanzt worden sind. Die Wirkung tritt jedoch nicht so deutlich zutage, daß man des Erfolges gewiß sein kann. Bessere Dienste versprichtach neuen Erfahrungen eine andere Pflanze namens A z o l l a. die in Aftika zu Hause ist und jetzt namentlich auch in den deutschen Schutzgebieten zur Bekämpfung der Malaria gezogen wird. Auf ihre Verwendung würde noch vor wenigen Jahren niemand gekommen sein, ehe man näm- lich wnßte, daß die Moskitos die eigentlichen Anstifter der Malaria beim Menschen sind. Nur gegen diese richtet sich die Wirksamkeit der Pflanze. Sie überzieht ein sumpfiges Gebiet in erstaunlich kurzer Zeit mit einer verhältnismäßig dicken Schicht. Dadurch erstickt sie die im stehenden Wasser sich entwickelnden Mückenlarven. Die Versuche in den deutschen Kolonien haben soviel Aufsehen erregt, daß ein amerikanischer Arzt einer seiner Gesundheits- behörden vorgeschlagen hat, die Pflanzeach den Küsten der Ver- einigten Staaten einzuführen, soweit sie von Malaria heimgesucht werden. Eine Kompaßpflanze. Wenn man den Bahnhof Grüne- Wald in der Fahrtrichtung links verläßt um am Bahndamm entlang den See zu erreichen, so trifft man am Wege, diesseits und jenseits der Parkgitter, eine etwa ein bis zwei Fuß hohe Pflanze an, die durch ihre eigentümliche Tracht auffä�t. Die ziemlich langen und starren Blätter sind unregelmäßig eingeschnitten, ungefähr wie die Blätter der bekannten gelben Butterblume! am ganzen Rande find sie mit kleinen und unten auf der Mittelrippe des Blattes mit größeren stachelartigen Gebilden besetzt. Das �Auffallende an der Pflanze aber ist, daß die Blätter dort, wo sie sich vom Stengel entfernen, so gedreht sind, daß die eine Schneide gegen die Erde, die andere gegen den Himmel gerichtet ist. Bei näherer Be- trachtung findet man ferner, daß die Blätter aller Pflanzen nach derselben Richtung gesteckt sind, die einen ungefähr nach Norden, die andern nach Süden. Wir haben es mit dem sogenannten wilden Lattich zu tun, einem Verwandten unseres beliebten SalatS und einem Vertreter einer Gruppe von Pflanzen, die wegen der geschilderten Eigentümlichkeit der Blattstellung alsKompaßpflanzeir* bezeichnet werden. Bei uns ist sie nicht so häufig, als daß sie als Konrpaß" eine Rolle spielen könnte. Anders bei einer Pflanze der nordamerikanischen Prärien, die ganz ähnlich gebaut ist, bei der die Eigenheiten der senkrechten und nach Nord und Süd gerichteten Blattstellung noch viel schärfer ausgeprägt sind, derart, daß schon die lebende Pflanze den Eindruck macht, als ob sie im Herbarium durch Pressung ihre Form erhalten hätte. In den weiten Prärien wurden die Jäger frühzeitig auf dieses von ihnen zuerst als Kompaßpflanze benannte Gewächs ausinerksanr, die ihnen bei bedecktem Himmel zur Orien- tierung über die Himmelsrichtung diente. Wenn wir nun fragen, inwiefern eine derartige Blattrichtung für die Pflanze von Vorteil sein könnte, so wird die Antwort nicht schwer fallen. Indem die dünnen Blätter mit den Flächen gegen Abend und Morgen schauen, werden sie von den milden Strahlen der auf- und der untergehenden Sonne gut durchleuchtet und erwärmt, von der dörrenden Erhitzung durch daS Mittagsgestirn aber verschont. Es liegt also eine An- Passung vor, die den Kompaßpflanzen da? Gedeihen auf trockenem Boden ermöglicht. Andere Salatarten, die keine senkrecht, sondern in der üblichen Weise wagerecht gestellten Blattflächen haben, kommen denn auch nur auf schattigem oder feuchterem Boden vor. Wer im Botanifcheir Garten zu Dahlem jene Anpflanzung von Sträuchern und Bäumen auffucht, die den australischen Buschwald darstellt, wird beobachten, daß die senkrechte Blattstellung bei dieser Gruppe eine große Verbreitung besitzt. Die oft sehr schmalen Blatt- flächen sind vielfach senkrecht gestellt. Ivas zur Folge hat, daß bei hohem Sonnenstände nur wenig Schatten auf den Boden gelangt. Die.schattenlosenWälder" Australiens haben dieser Eigentümlich« keit ihren üblen Ruf zu verdanken. Verkehrswesen. Die Eisenbahnen der Erde. Dr. Kreuzkam macht im neuesten Heft der MonatsschriftDie Welt des Kaufmanns" (Verlag von Georg D. W. Callwey in München ) Angaben über den Umfang des Eisenbahnnetzes in allen fünf Erdteilen. Er schreibt u. a.: Die Vereinigten Staaten von Amerika sind unter allen Staaten der Erde das an Eisenbahnen reichste Land; mit dem Lande der unbegrenzten Möglichkeiten" ist auf diesem Gebiete der Wettbewerb überhaupt ausgeschlossen, sie haben mehr Eisen- bahnen als ganz Europa und nehmen von dem gesamten Eisen- bahnnetze der Welt fast die Hälfte für sich in Anspruch. Es sind 473 09« Kilometer Eisenbahnen in Amerika , darunter in den Ver- einigten Staaten einschließlich 579 Kilometer in Alaska 361 579 Kilometer, das sind über 45 000 Kilometer mehr als in Europa mit seinen 316 093 Kilometern. Asien hat 87 958 Kilo- meter, Australien 28 510 Kilometer, Aftika 28193 Kilometer Eisen- bahnen. Die Reihenfolge der einzelnen, am besten mit Eisen- bahnen ausgestatteten Länder hat sich wenig verändert: auf die Vereinigten Staaten von Amerika folgt das Deutsche Reich mit 57 376 Kilometer; allerdings ist der Abstand zwischen dem ersten Eisenbahnlande der Welt und dem Deutschen Reiche hinsichtlich Ler Bahnlänge sehr bedeutend. Dann kommt das europäische Rußland mit 56 670 Kilometer, Frankreich mit 47 142 Kilometer, Britisch- Ostindien mit 46 642 Kilometer. Auch Oefterreich-Ungarn hat sein Eisenbahnnetz bedeutend ausgedehnt, nämlich aus 41227 Kilometer, während in Großbritannien und Irland der nahezu völlige Stillstand des Eisenbahnbaues anhält. Großbritannien mit seinen 37 107 Kilometern scheint also ein mit Eisenbahnen ge- sättigtes Land zu sein. Kanada hat ein Eisenbahnnetz von 33 147 Kilometern, Mexiko 21 007 Kilometer, die Argentinische Republik 20 560 Kilometer, Brasilien 17 059 Kilometer, Italien 16 420 Kilo- meter, Spanien 14 649 Kilometer und Schweden 13165 Kilometer. In China wurden 1906 etwa 2300 Kilometer Eisenbahnen neu hinzugebaut; außerdem ist in dem weiten Reiche überall der Bau neuer Eisenbahnen in Angriff genommen. Das Netz in Afrika hat sich von 26 395 Kilometer auf 28 193 Kilometer ver- größert und nunmehr fast den Umfang der australischen Bahnen erreicht. Zieht man das Verhältnis des Eisenbahnnetzes zu dem Flächeninhalt in Betracht, so ergibt sich eine von der obigen ganz verschiedene Stufenileiter. Da steht unter allen Staaten dv� kleine industriereiche Belgien obenan: es kommen dort auf 100 Quadratkilometer Flächeninhalt 45,4 Kilometer Eisenbahnen, das heißt die höchste Quote. Dann folgen das Königreich Sachsen mit 20,3 Kilometern. Baden mit 14,5 Kilometern, Elsaß-Lothringen mit 13,6 Kilometern, Großbritannien und Irland mit 11,8 Kilo» meiern, Deutschland mit 10,6 Kilometern. Württemberg und die Schweiz mit 10,5 Kilometern» Preußen und Bayern mit 10 Kilo- meiern. Perantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.PerlagSanftalt Paul Singer ScTo.. Berlin S W.