'®r lange Modlin hatte ihn nicht angezeigt niemand wußte es sein Ehrenwort hatte er drauf gegeben alle andern wollt' er'runterhauen, die was sagen würden.... Er mußte sich erst dran gewöhnen. Es ging ihm schwer ein. Aber in all der Mattigkeit stieg eine leise Wärme in ihm auf. Ein Schauer durchfuhr ihn, und über das Gesicht, das schon wieder blaß und käsig ward, flog ein scheues Erröten. Die Augen schlug er auch jetzt nicht auf. Nicht um die Welt hätte er das getan. Aber er fühlte, wie etwas auf ihn zu- kam, was er nie gehabt hatte: eine aus Angst und Scham geborene Liebe, und er lauschte mit bebendem Herzen auf die ungeschickten Worte des langen Modlin, als spräche aus ihnen ein neues Evan- gelium, das ihn hob, stützte und kräftig machte, es noch einmal mit den andern zu versuchen.,, Die Lochfpitzcl äes Direktoriums. Das ehrsame Gewerbe der Lockspitzelei, desien augenblicklich be- rüchtigste Vertreter, die Russen Azew und Harting, dem Zarismus und seinen guten Freunden wieder mal zu einem europäischen Skandal verholfen haben, gehört seit langem zu den Hilfsmitteln skrupelloser Regierungen. Die deutsche Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts enthält mehr als ein dunkles Blatt, das von dem verbrecherischen Treiben der agent provocateurs und ihrer Hinter­männer erzählt. Im neuen Deutschen Reich haben solche Stützen der Gesellschaft bekanntlich schon des öfteren eine Rolle ge- spielt und berüchtigt sind die preußischen Lockspitzeleien der sogenannten Reaktionszeit, als die regierende.Kreuz-Zeitungs"« Clique mit Gott fllr König und Vaterland die politische Polizei arbeiten ließ, um kommunistische und demokratische Verschwörungen anzuzetteln, womit den Philistern Angst gemacht werden sollte. Im Kölner Kommunistenprozeß kamen die wüsten Pariser Lockspitzeleien der preußischen Regierung ans Tageslicht. Im Ladendorfschen Prozeß von 18V3 entpuppte sich der Angeber, ein ehemaliger LeuMant, namens Hentze, als Anstifter der demokratischen Ver- schwörung. Später hat man den berüchtigten Polizeirat Stieber für diese Polizeiverbrechen allein verantwortlich machen wollen. Aber der Berliner Polizeipräsident v. Hinckeldeh hatte überall seine Hand mit im Spiel und handelte dabei ganz nach den Intentionen der Regierung. König Friedrich Wilhelm IV. in höchsteigener Person war damit einverstanden, daß man sich der Tätigkeit von aZont provooatours bedienen möge. Liegt doch ein Brief von ihm gedruckt vor. worin er den Ministerpräsidenten v. Manteuffel auf den Krimi- nalpolizisten Stieber aufmerksam macht, der vielleicht eine kostbare Persönlichkeit sei, um dem Publikum das Schauspiel eines aufge- deckten und bestraften Komplotts zu verschaffen. Der Gedanke sei kein lauterer. Diese Erkenntnis hindert den König aber nicht, weiter zu schreiben:Eilen Sie also mit Stiebers Anstellung und lassen Sie ihn sein Probestück machen" was Stieber denn auch redlich oder vielmehr unredlich besorgt hat. Die französische Geschichte bietet schon zu Ende deS achtzehnten Jahrhunderts Gegenstücke zu diesen preußischen Lockspitzeleien und also auch zu den russischen der Gegenwart. DaS war in den Zeiten deS Niederganges der französischen Revolution und der ersten Republik , als diese den Charakter einer Bourgeoisrepublik vom reinsten Wasser angenonimen hatte und von dem Direktorium regiert wurde, jenem korrupten Fünfmännerkollegium, daS in erster Linie den Interessen deS Börsengaunertums und des Armeelieferanten- klüngelS dienstbar war. Unter den niedrigen Regierungskünsten dieser gewissenlosen Gesellschaft nun spielte die Lockspitzelei eine große Rolle. Insbesondere war der Polizeiminister C o ch o n(oder zu deutsch : Schwein) von diabolischer Raffiniertheit in der Ver- Wendung von aAsnt provocateurs. Seinen größten Coup machte er, im Verein mit den gleichgesinnten Freunden im Direktorium, indem er etliche von seinen geheimen Werk- zeugen unter die Genossen des berühmten Kommunisten Gracchus Babeuf einschwärzte; sie sollten die Patrioten durch Vorspiegelung sicherer Aussichten aus militärischen Beistand und überhaupt durch Provokationen aller Art dahin bringen, daß sie zu direkt revolutionären Schritten, zur Konspiratton und zur Vor- bereitung eines Putsches übergingen, um im gegebenen Lugenblick der Regierung in die Finger geliefert zu werden, die sich dann mit einem Schlage der entschiedenen Revolutionäre entledigen könnte. Einen ähnlichen Streich hat Cochon hernach auch gegen die Royalisten geführt und überhaupt durch das ganze Treiben der politischen Polizei das öffentliche Leben Frankreichs dermaßen vergiftet, daß Ernst Moritz Arndt 17gg über seine Pariser Erfahrungen schreibt, es sei dahin gekommen, daß man vor einem lauten und freien Wort erbebe:.Die Menschen der Hauptstadt haben verstummen und gehorchen gelernt, wie unter dem alten Regiment. Ich kannte die offenen und kühnen Franzosen hier gar nicht wieder, wie ich sie zum Teil in den entfernten Departements getroffen hatte. ES ist ein Haufe zitternder Sklaven, der allenthalben von Peitschenvögten und Spionen um- geben, sich immer erst umsieht, ehe er ein leises und schwaches Wörtchen zu äußern wagt. Die Kaffeehäuser dieser lebendigen Pariser sind stummer als die in Wien ...." Dies will gewiß viel sagen; konstatiert doch Scume ein paar Jahre später auf seinem Spaziergange nach Syrakus , daß eS in den Wiener Cafös aus Furcht vor den Polizeispionen so still sei, wie in der Kirche beim Hochamt. Arndt braucht aber nicht erheblich übertrieben zu haben, denn gleich den Wiener wimmelten auch die Pariser Eafös von Spitzeln, weil diese Lokale früher Hauptmittelpunkte des politischen Lebens gewesen waren. Noch im Jahre 1786 finder wir die Caf�S von den Revolutio« nären zu politischen Zwecken benutzt. Die Kommunisten diese» Zeit, die in Babeuf ihren publizisttschen Hauptwortführer hatten, hielten, nachdem ihnen ihre bisherige öffentliche Organisatton, der Pantheonklub, durch die Regierung geschlossen worden war, ihre Zusammenkünfte in Cafes ab, besonders in dem CafS zu den chinesischen Bädern, wo die demokratische Sängerin Sophie L a p i e r r e polittsche Couplets vor- trug. Im weiteren Verlauf deS Jahres 1796 werden die Führer der Bewegung ftir die Gleichheit oder kurzweg der G l e i ch e n aber zweifelhaft darüber, ob die von Spionen überlaufenen Cafös wirklich noch zu Mittelpunkten revolutionärer Agitation geeignet seien. Wie wenig sie das tatsächlich waren, zeigt das neuerdings urkundlich fest- gestellte Faktum, daß sogar das Cafe zu den chinesischen Bädern einen Polizeispitzel zum Besitzer hatte: der Cafötier hat der Re- gierung regelmäßig Berichte geliefert über alle revolutionären Zu- sammenkünfte und Besprechungen in seinem Lokal. Wenn die nun« mehrigen Führer der Gleichen, das geheime Direktorium, das an der Spitze der Bewegung stand, davon auch nichts wußte, so empfahl es den Gesinnungsgenossen doch, ihre Zusammenkünfte hinfort lieber in Privatwohnungen abzuhalten. Sie hatten inzwischen in Er- fahrung gebracht, daß sich an die Teilnehmer der Bewegung, die nun mehr und mehr den Charakter einer Verschwörung anzunehmen begann, Elemente herandrängten, die weiter nichts suchten, als Ge- legenheit zum Spionieren. Soweit sich solche bloß unter die Masse der Kommunisten eingeschlichen hatten und aufs Horchen beschränkten, hatte dies nicht sonderlich viel zu bedeuten; denn daß von dieser Seite etwas in der Mache war, konnte der Regierung schon wegen der eigenen Publikationen der Gleichen nicht verborgen bleiben. War doch in einem von Sylvain Marschal verfaßten undzum Gebrauch der Vorstädte" bestimmten Gesang, der gedruckt verbreitet wurde, in einer Strophe direkt gesagt, daß jeder ganz leise für das gemeinsame Glück als guter Bruder konspirieren solle. Viel mehr als die nackte Tatsache, daß etwas im Gange sei, konnten die gewöhnlichen Spitzel auch nicht herausbringen, da die Maffe der Patrioten nur mit Agenten" in Berührung kamen, die für die Bewegung agitierten und die Losung weitergaben, die sie von dem geheimen Direktorium empfingen. Weit bedenklicher war schon, wenn es Lockspitzeln ge- lang, durch Vermittelung eines der Agenten auf die Entschließungen des geheimen Direktoriums Einfluß zu gewinnen. Und das ist wenigstens in einem Falle gelungen. Der General Gassicr führte sich bei einem Agenten als eiftiger Patriot ein, war aber in Wirk- lichkett ein Lockspitzel. Er trieb aufs heftigste zu revolutionären Handstreichen an und lieferte militärische Pläne dazu. Noch gefährlicher war es, wenn es einem Spion gelang, Agent zu werden. Auch das brauchte aber noch nicht verhängnisvoll zu werden, wenn man sich genau an die Richtschnur hielt, die das geheime Direktorium selbst gegeben hatte: daß nämlich die Agenten auch nicht direkt, sondern nur durch eine Mittelsperson mit dem ge« Heimen Direktorium in Beziehung treten und dessen Mitglieder nicht einmal dem Namen nach kennen sollten. Daß man aus Ver« trauenSseligkeit von diesem Grundsatz abwich, gab dem JudaS ge- wonnenes Spiel, dem es gelang, sich unter die Agenten des Direk« toriumö Aufnahme zu verschaffen. Es gab Zivil- und Militär- agenten, letztere, um unter der bewaffneten Macht von Paris und der Umgegend für die revolutionäre Bewegung Stimmung zu machen. Es fehlte nun noch ein Militäragent für das Militärlager auf der Ebene von Grenelle bei Paris , bis sich im Monat Germinal eine Persönlichkeit fand, die für diesen Posten außerordentlich geeignet schien. Es war der Hauptmann Georges Grisel, der capitams a la suite im dritten Bataillon der auf der Ebene von Grenelle stattonierten gg. Halbbrigade der Linie, vor allem aber Polizeispitzel und als solcher, wie Babeuf später vor Gericht es ausdrückte,beauftragt war, die Schritte der eiftigsten Republikaner zu erspähen, alle An- strengungen zu machen, um ihr völliges Vertrauen zu erwerben, sie zu den alleräußersten Bewegungen anzutreiben, sie dann zu denunzieren und den Machthabern an Händen und Füßen gebunden auszuliefern". Grisel verkehrte im Cafo zu den chinesischen Bädern und war hier mit zuverlässigen Patrioten bekannt geworden, die seinen revolutionären Eifer für echt hielten und ihn aufs wärmste an Babeufs Freund Darthö empfahlen. Grisel muß es vortrefflich verstanden haben, sich einzuschmeicheln; denn er gewann das Ver- trauen Darthös und dadurch des geheimen Direktoriums in kurzer Zeit dermaßen, daß man ihn zum Militäragenten für das Lager von Grenelle ernannte. Ein paar Tage vorher wurde schon ein von Grisel geliefertes Flugblatt veröffentlicht, das unter den Soldaten agitieren sollte. Buonarotti hat dieses Machwerk im An- hang zu seiner Geschichte der Babeusschen Verschwörung abgedruckt. Es läuft dem Inhalte nach auf eine Aufmunterung an die Soldaten zum Meutern hinaus, der Form nach auf eine ungeschickte Nach- ahmung der Höbertschen Schreibweise und läßt von kommunistischer Gesinnung nicht« verspüren. Direkt verdachterweckend hätten, so sollte man meinen, auf die Revoluttonäre ein paar Briefe wirken müssen, die Grisel nachher an das geheime Direttorium schrieb, und die Buonarotti gleichfalls mitteilt. Darin finden sich nämlich Stellen. die beweisen, daß dem Schreiber kommunistische Gesinnungen völlig