Das Glück in Rofen.

Ein Brief von J. Perez.

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9. Du siehst also, mein Liebster, Rosen, nichts als Rosen! Du Lauschest dem Geflüster der Gräser und dem Gesange der Nachtigall. Du seist betäubt, sagst Du, vom Dufte der Blumen, und Deine Seele sei nichts als ein leichtes Wölfchen von Rosendüften..

Und deutlich sehe ich Dich die Straße hinaufgehn; ein Blinder, Lahmer oder irgendein anderer Krüppel steht an eine Mauer ge­lehnt, firedt Dir feine Hand entgegen und bettelt ein paar Groschen, um sein Leben zu erhalten

Dein Beutel ist voll, aber Du schenkst ihm nichts. Denn Du siehst den Kummer nicht, Du siehst bloß duftende Rosen, Du hörst kaum das Flehen der Armen, der Gesang der Nachtigall fesselt Dein Dhr..

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war jung, war aus den verschiedenartigsten Provinzen zusammen­gestückt, die vom Main bis zum Eijack reichten. Kurzum, die bayerische Regierung war bestrebt, den Zug der Einheitlichkeit in das Provinzenbündel hineinzubringen, das Königreich Bahern hieß. Be­fand man sich doch überdies fn einem Zeitalter, das sich bewußt gegen die jammervolle Kleinstaaterei der Vorzeit erhob. doch in Bayern ein Minister, der das Prinzip des rationell zentrali­fierten Staatsbetriebes mit persönlicher Leidenschaft vertrat: der Minister Montgelas .

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Aber die eigenen Bedürfnisse Bayerns waren dabei nicht einmal maßgebend. Bayern stand ja im Bundesverhältnis zum französischen Kaiserstaat. Das Bundesverhältnis, das 1805 zum ersten Male er­probt ward, wurde von Napoleon im Sommer 1806 in ein dauerndes Allianzverhältnis verwandelt: in der Art nämlich, daß Napoleon die süd- und westdeutschen Fürsten ihrem Oberhaupt, dem damals in Wien refidierenden, habsburgischen deutschen Kaiser entriß, sie zu Die Sonne geht unter, müde, bleiche Schatten irren auf der einem engen völkerrechtlichen Verein, dem sogenannten Rhein­Straße umher. bund, zusammenschweißte und sich selbst zum Protektor dieses Nackte Kinder der Not betteln um die Pfennige für ein Nacht- Bundes machte. Für den Schutz, den Napoleon dem Rheinbund ge­Lager. Kränkelnde Töchter des Elends suchen in der tiefen Finsternis währte, erwartete und erhielt er jede, namentlich die militärische der Gasse den Blick ihrer müden Augen an der zuckenden Flamme Hilfe der Bundesfürsten; in seinen zahlreichen Kriegen hatte er stets ihrer blutenden Seele zu erleuchten. Und der efelerregende Gestant deutsche Korps in Menge zur Verfügung. Sollten die Rheinbund­der Fäulnis steigt, mit dem Schmutz der Gasse vermengt, gen staaten zum Vorteil Napoleons funktionieren, so mußte Napoleon Himmel empor in Deinem Hirn aber spielen grüne danach trachten, daß auch die Zivilverwaltung der Rhein­Schalten, in Deiner Brust rieselt ein Silberquell, und Deine bundstaaten denen natürlich Bayern , und zwar als Seele fie zerfließt im wonnigen Dufte der Rosen. größter Vasallenstaat gehörte dem Einfluß des französischen Und wenn Du hineingehst ins Schlachthaus des Lebens, so Imperialismus erreichbar sei. Napoleons eigener Staat, hörest Du nicht das Röcheln des Lammes, fein letzter Atemzug der französische, hatte eine straff zentralisierte, im Willen des streift faum Dein Ohr, von dem Blute, das eben vergossen, spürst Monarchen zusammengefaßte, nach unten bureaukratisch weit Du kaum den Geruch... Was find Dir Gewalt, Gerechtigkeit verzweigte Verwaltung. Die französische Staatsverwaltung wurde und Mord, Du denst an Deine Rosen, ihr Duft hält Dich gefangen, zum Vorbild für die rheinbündlerischen Verwaltungen. Schon bon das Lied der Nachtigall, so schwärmerisch, so süß Und wenn dieser Seite her wäre Bayern genötigt gewesen, zentralisierend,

Und wenn du ein Gefängnis

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zu

Dit ein Krankenhaus betrittst, um einen Kranken au bureaukratisch, absolutistisch in Tirol zu wirtschaften, die tirolische besuchen, so siehst Du nicht den Schmerz, hörst Selbstverivaltung anzugreifen. Soldaten aus Tirol herauszuholen, nicht das Gestöhn, Dein Auge wird nicht feucht das Land steuerpolitisch auszupressen, die Tiroler öffentlichen An­Dein Herz erbebt nicht- Du siehst nichts als Rosen; das Blumen- gelegenheiten mit dem mechanischen Apparat einer vom Monarchen geflüster, das Gemurmel der Gräser, das Vogelgezwitscher, das und seinem Premier her orientierten Bureaukratie zu erledigen macht Dich frohlocken. während der Monarch selber seine letzten Direktiven vom Souverän des europäischen Kontinents empfing: das war die Politik, die Bayern wohl oder übel gegen Tirol ins Wert setzen mußte war die Politik, die in den Verhältnissen der Zeit selber ruhte. und wenn wir noch einmal bis ins letzte dringen, so erkennen wir wiederholend, daß Napoleon selbst durch die Vorstöße des englischen Kapitalismus gezwungen war, seine Machtmittel im Sinne der Militärdiktatur, des fontinentalen Imperialismus zu zentralisieren und zu disziplinieren.

Ach, dorthin kommst Du nie. Die Rosen, die begehen keine Ber­brechen.. Der Liebesgesang der Nachtigall ist kein Bergehen. Du schaust den Tag im Sonnenglanze. Die Finsternis, die kennst Du nicht...

Leise rauschten die Bäume um Deine Wiege. Du warst der erste Mensch im Garten des Paradieses.

Ein leines Häuschen mit offener Pforte für jede himmlische Musik.

Liebe.

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das

Schönheit und Liebe wohnten im Häuschen, Schönheit und innige alttiroler Selbstverwaltung ein. Es griff tief in das Wirtschafts­Was tat nun Bayern ? Von vier Seiten drang es in die Ohne Leiden, ohne Schmerz, ohne Seele, ohne Streben, die gefaffungswesen, tief in die tirolische Wehr- und in die tiroliſche leben des Landes hinein, tief in das tirolische Steuer- und Ver­waltige unendlichkeit au enträtseln, die das Häuschen eingelullt, Kirchenverfaffung. warst Du...

Von den wilden Stürmen des Lebens hat das Häuschen nichts bernommen. Die Blumen ringsum, sie welfen nicht, es ist die Liebe, die sie schont, alles blüht in Ewigkeit, fennt kein Berdorren, feine Zeit.. Und Du lebst glücklich, das Dasein preisend, von Schmerz und Leid fast nicht berührt

Du hast wohl das Meer geschaut, nicht aber den Sturm.. Nie einen zerschellten Kahn auf hochbeweger See.. Du bist glücklich, mein Freund, aber ich- ich beneide Dich nicht.

Die Tiroler Volkserbebung im Jahre 1809.

II.

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Unter den wirtschaftlichen Maßregeln der bayerischen Regierung hatte feine so tief einschneidende Bedeutung wie die Währungs­reform, die alsbald nach der Annegion ins Leben trat. In Zirol war von österreichischer Zeit her eine Unmaffe österreichischen Papier­geldes im Umlauf. Papiergeld hat bekanntlich den Wert einer An­weisung auf gutes Metallgeld und wird unter gesunden Ver hältnissen zur Erleichterung des Verkehrs mit großen Summen und unter ungefunden Verhältnissen Ersatz Das als für mangelndes Metallgeld ausgegeben. österreichische Papiergeld überstieg- wenigstens in der Zeit der Koalitionskriege den Edelmetallvorrat, auf den solides Papier­geld doch stets gegründet sein soll, ganz erheblich. Die Kriege hatten biel gelostet und natürlich nicht das Papier, sondern das Edelmetall aus dem Lande herausgezogen. Um die Zeit des Preßburger Friedens, also in dem für Desterreich so schweren Jahre 1805, stand das österreichische Papiergeld auf einem Drittel seines Nennwertes: Desterreichs Edelmetallvorräte waren zusammengeschmolzen und der Kredit des vielfach besiegten Landes war sehr flein. Es begreift sich, daß Bayern innerhalb seiner Grenzen das nahezu wertlose österreichische Papiergeld nicht leiden wollte. Daher erging bald nach der Annegion Tirols eine Verordnung, wonach das österreichische Papier­geld vom 1. Juli 1806 ab in Bayern mithin auch in Tirol jede Geltung verliere. Bis dahin aber sollten die bayerischen Kassen die österreichischen Bankozettel zu einem leidlichen Kurs einlösen. Eilig trugen nun die Tiroler ihre Bettel zu den öffentlichen Kaffen aber es stellte sich die fatale Tatsache heraus, Aber konnte May Josef dies Versprechen geben und halten? daß die bayerischen Stassen selber nicht genug Barborrat besaßen, Zunächst ist zu bedenken, daß Tirol als bayrische Proving etwas um die zahllosen Scheine einzulösen. Die Folge war eine Finanz­ganz anderes war wie als österreichische. Desterreich- Ungarn war panik und ein neuer Kurssturz, der dadurch noch unvermeidlicher Großstaat und als Teil dieses Großstaates toar Tirol ein verhältnis- wurde, daß lumpiges Gesindel von Agioteuren gefälschte Noten auf mäßig fleiner Posten. Die Hofburg tonnte es riskieren, dem Land den Markt brachte und damit auch das Ansehen der echten gefährdete Tirol ein politisches Sonderleben zu lassen; das Gewicht des Ge- ganz abgesehen davon, daß diese neue unreelle. Vermehrung samtstaates war noch immer groß genug, die tirolische Selb der Bettel wertmindernd wirkte. Dieselben Agioteurs erboten sich. ständigkeit zu balancieren. Anders Tirol in Bayern . die Bettel zu einem lächerlichen Kurs einzulösen: ein Bettelgulden Bayern ivar Mittelstaat und Tirol nicht weniger als galt endlich achtzehn Kreuzer. In dieser Valutareform ging ein -bevölkerungsstatistisch gesprochen ein Fünftel des Königreiches. volles Drittel des Tiroler Nationalvermögens einfach unter. Man Es schien den Münchener Regierungsmännern und nicht ohne kann sich denken, daß damit ganze Familien ruiniert waren und daß Grund

Als eine Tiroler Deputation den König Max Josef von Bayern in München besuchte, gab der mit der bekannten Bonhomie das Ver­sprechen, an der alttiroler Berfassung jolle fein Jota geändert werden. Uebrigens war May Josef durch den Vertrag von Preß burg zu dieser Verheißung einigermaßen verpflichtet, denn der Ver­trag gab dem neuen Besizer diefelben Rechte, die der österreichische Landesherr in Tirol besessen hatte und keine anderen.

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nicht ganz ungefährlich, diesen verhältnismäßig, großen Tirol viel zu erbittert war, um der bayerischen Regierung ihre gute Bruchteil Bayerns ein staatliches Eigenleben zu belaffen, wie es in Absicht zu quittieren, viel zu erbittert auch, dessen eingedenk zu sein, der alttiroler Verfassung enthalten war. Das Königreich Bayern daß die bayerische Regierung die ihr von Napoleon angewiesene