.. ,,Tn meiner Stadl wartet mein Bräutigam duf mich. Und er weiß von nichts. Was sagen Sie? Ich bin ja jetzt wie von Eisen... Noch im vorigen Jahr hat er sich vom Militär befreit und wartet seitdem aus mich. Ich bin auch deshalb in die Stadt gekommen, um Geld zu sparen, um ihm zu helfen. Verstehn Sie? Ich gehe sicher auf die Straße. Es ist mir jetzt egal." Jta zitterte vor Entsetzen. So eine Tiefe des Gefallen- seins kannte sie nicht. Auch ihr war in ihrem Leben viel Schlimmes und Schreckliches widerfahren, aber vor solch einer Verzweiflung war sie bisher noch verschont geblieben. Sie kämpfte mit dem Aufwand aller ihrer Kräfte, sie suchte sich allem anzubequemen, ihre Bedürfnisse auf ein Minimum zu beschränken. Sie war unablässig darauf bedacht, sich vor dem letzten Sturz in jenen Abgrund zu bewahren, aus dem es kein Zurück mehr gibt. Aber die ungekünstelte Einfachheit des Mädchens, dank der sogar das Abstoßende von seinem Schmutz befreit zu sein schien, erregte ihre Bewunderung und Sympathie. Das Zutrauen, das jene ihr erwiesen, fand leb- haften Widerhall auch in ihrer Seele, die nach Freundschaft dürstete. Wie schwer doch das Leben ist! Auch mit ihr selbst, mit Jta, ist es jetzt soweit, daß sie als Amme dienen muß. Wozu ist sie hier? Hier wird doch kein Vieh verkauft, auch keine Menschen, fondern Mütter. Auch sie wird jetzt ver- kauft, ihrem Kind entrissen werden, sie wird es fremden Händen anvertrauen müssen. Wie schrecklich ist das Leben! Sie fürchtete sich, weiter daran zu denken, es war ihr, als müßte sie dann von hier fliehen; zu Hause war es doch noch viel schlimmer. Das Mädchen schwieg jetzt beharrlich und kämpfte mit ihrem Leiden. Die Ammen stillten schon ihre Kinder. Sie saßen alle duf der längsten Bank an der Wand und ihre Gesichter waren ernst, als ob diese Frauen Schülerinnen wären und nun das Kommen eines strengen Lehrers erwarteten. Alle Kinder lagen, wie auf Verabredung, an der linken Brust und schnauften vor lauter Lust. Mit geschlossenen Augen, ge- röteten Naschen, spielten sie mit der mütterlichen Brust; bald wandten sie sich ab von ihr und lächelten und dehnten sich behaglich, bald packten sie sie wieder und schmatzten laut vor Eifer. Die Mütter beachteten nicht ihr Treiben und die groben, von schwerer Arbeit entstellten Hände auf den Kindern verschlungen, führten sie eine gemessene Unter- Haltung. Mit einer gewohnten Bewegung legten sie dann olle, von ein und demselben Gefühl der Müdigkeit und des Ekels ergriffen, ihre Kinder an die rechte Brust herüber, ohne ihre Unterhaltung auch nur einen Augenblick zu unter- brechen. Jta sah gerührt diesem Vorgang zu. Ihr Frauen- gefühl zog sie zu den Müttern hin und, dem gehorchend, stand sie auf und begab sich zu den Stillenden. Die drei dicken Alten schliefen schon neben dem erkalteten Oefchen und schnarchten laut. Die Backfische schwatzten fort- während, warfen Stückchen des sich von der Wand los- lösenden Mörtels auf die Schlafenden, und diese wälzten sich ärgerlich hin und her, wehrten mit ihren krummen, ge- schwollenen Händen den unsichtbaren Quälgeist ab, ohne zu verstehen, was sie eigentlich am Schlafen hinderte. Jta ging behutsam um die Alten herum und setzte sich zu den Müttern. Sie war sehr niedergeschlagen und hatte keine Lust weder zum Sprechen, noch zum Zuhören. Das Kind regte sich, und sie reichte ihm die Brust. .(Fortsetzung folgt.js Zeppelin und Mrigdt. Berlin steht in diesen Tagen unter dem Zeichen der Lust- schiffahrt, da es zwei der bedeulendsten Vertreter der Aviatik, den Grafen Zeppelin und Orville Wright , die beide uns ihre Fahrzeuge vorführen wollen, seine Gäste nennt. Das Schicksal beider fordert unwillkürlich zum Vergleich heraus, da beide, oder besser alle drei, da Orville Wright nicht ohne seinen Bruder Wilbur genannt werden darf, das gleiche Erfinderlos, verlacht und verkannt zu werden, teilten; da sie aber im Gegensatz zu vielen anderen auch das Glück haben, sich und ihr Werk noch bei Lebzeiten durch- gesetzt und anerkannt zu sehen. Es sind erst Ivenige Jahre her, daß man die fliegenden Brüder mit einem billigen Wortwitz die lügenden «rüder nannte, und Zeppelin mußte auch seinen Weg bis zu dem ersten Erfolge ohneProtektoren", von seinen Zunftgenossen oft be- feindet und verspottet, machen. Die drei Pioniere der Luftschiffahrt verdanken ihre Erfolge hauptsächlich sich selbst und dem zähen Festhalten an den von ihnen als richtig erkannten Ideen. Es ist selbstverständlich, daß sie nicht auS sich selbst alles schaffen konmen. Der Weg der Brüder Wright führt über Lilienthal und Chanute, die Versuche Zeppelins werden bewußt oder unbewußt durch die Ideen seiner Vorgänger angeregt. Eins haben sie aber allen ihren Vorläufern voraus: den Erfolg und zwar den vollen, unbeschränkten Erfolg. Auf den beiden Gebieten der Luftschiffahrt, dem der lenkbaren Motorballons und dem der Flugapparate stellen sie den augenblicklich erreichten Höchstpunkt dar. Es niag dahingestellt sein, ob vielleicht nicht der unstarre oder halb- starre Motorballon für bestimmte Zwecks vorteilhafter ist als daS starre Zeppelin-Lustschiff, oder ob der Eindecker, den Bleriot benutzt, in Zukunft erfolgreicher sein wird als der Wrightsche Doppel- flieger; heute steht nur das eine fest, daß die Dauerfahrten eines Zeppelin unerreicht find und daß sich kein Flugapparat sicherer und länger in den Lüften hält als die Wrightsche Maschine. Unwillkürlich wird sich den Berlinern in diesen Tagen die Frage nach den Grenzen und den Eutwickelungsmöglichkeiten der beiden Gebiete aufdrängen. Es ist kein Zweifel, daß für die weiteren Kreise in der n ä ch st e n Zeit nur daS Motorluftschiff als Verkehrsmittel in Frage kommen kann. So weit ist diese Technik heute bereits vorgeschritten, daß das Projekt der zu gründenden Luftschifflinien-Altiengesellschast absolut keine Utopie mehr ist. Schon der jetztj Berlin besuchendeZ. III" ist im­stande, neben der Bedienungsmannschaft 20 Personen mitzunehmen und von dem zu erbauendenZ. IV" ist jedenfalls in dieser Beziehung noch viel mehr zu erwarten. Eigentlichen VerkehrSzwecken werden jedoch diese Luftlinien nicht dienen können, dazu fehlt ihnen die nötige Geschwindigkeit und kotz aller Erfolge die erforderliche Sicherheit. Man erinnere sich nur, wie lange derParseval" darauf warten mußte, um von Bitterfeld nach Frankfurt zurIIa" zu fliegen und wie er dann doch die Reise fein säuberlich verpackt per Bahn machen mußte, und wie lange Zeppelin arbeiten mußte, um seinerzeit in München auf dem bestimmten Platz niedergehen zu können. Der zweite Punkt, der die Motorluftschiffe für praktische Berkehrszwecke bis auf weiteres unmöglich macht, ist ihre geringe Fahrgeschwindigkeit. Vom ,Z. III", der mit starken Motoren ausgerüstet ist, erwartet man eine Geschwindigkeit von zirka 40 bis 50 Kilometern in der Stunde. Er wird daher immer günstige Winde borausgesetzt die Strecke Bitterfeld Berlin , die der D-Zug in nicht ganz zwei Stunden zurücklegt, über die Hälfte mehr brauchen. Die Fahrten in den Motorballons werden daher Vergnügungsfahrten bleiben, abgesehen von den wisienschaftlichen und militärischen Zwecken dienenden Fahrten, als solche aber großartige Eindrücke bieten und den Vorteil haben, daß zum Unternehmen einer solchen Fahrt nur ein gefüllter Geldbeutel, aber gar keine persönlichen Qualitäten gehören. Ganz anders liegt die Sache bei dem Flugapparat, der schwerer als Luft fliegen soll. Da ist der F l i e g er n o ch alles oder wenigstens die Hauptsache. Wenn auch Major v. Parseval, der bei der.Flugwoche" in Reims interviewt wurde. meint, daß eS nicht besonders schwer sei, die Flugtechnik zu erlerinn und daß drei Wochen unter guter Anleitung hierzu genügten, so verdanken die Brüder Wright ihre Erfolge neben technischen Einzel« heiten, wie dem oft beschriebenenVerwinden" der Tragflächen, in der Hauptsache ihrer persönlichen durch jahrelanger Uebung erworbenen Gewandtheit. Und da der untätig mitfahrende Passagier beim Flug« apparat die Ausnahme bildet, so wird der Drachenflieger wegen der persönlichen Eigenschaften, die er vom Fahrer beansprucht, daS Sportfahrzeug schlechthin werden. Schon heute ist allerdings nur in Frankreich der Flugsport so weit, daß man in Reims eine große Fli e g e r w o'ch e" mit verschiedenen Konkurrenzen ab- halten konnte, zu der sich zahlreiche Flugmaschinen einfanden und bei denen staunenswerte Resultate erzielt wurden. So wurde z. B. von einem Flieger Glenn Curtis eine Skecke von zehn Kilometern in 8 Minuten 4 Sekunden durchflogen, was einer Geschwindigkeit von 75 Kilometern entspricht, während unserZ. HI" es, wie oben bereits erwähM, nur auf fast die Hälfte bringen kann. Die Geschwindigkeit ist auch im Wesen der beiden Apparate begründet. Ein Flug- apparat hält sich eben um so länger und sicherer in der Luft, je schneller er fliegt, während ein Motorballon mit steigender Eigengeschwindigkeit uin so größere Widerstände über- winden muß und daher um so stärkere und schwerere Motoren haben muß. Ein weiterer Grund für eine größere Ver- breitungsniöglichkeit der Aeroplane liegt auch in der Preisfrage. Man kann schon heute einen kleinen Bleriotschen Eindecker um 8000 M., einen großen Wrightschen Drachenflieger um 20 000 M. kaufen, und auch diese Preise, die natürlich bei der schwachen Kon- kurrenz starke Gewinne für die Fabrikanten bedeuten, werden in den nächsten Jahren bedeutend sinken. Die Kosten eines noch so kleinen lenkbaren Luftschiffes gehen in die Zehntausende, und sind zum großen Teil in den Material- und bekächlichen Herstellungskosten begründet, so daß sie nur wenig fallen können. Die Flugapparate haben daher vorläufig gute Aussicht, das Luftauto der nächsten Zukunft wenigstens für Sportzwecke zu werden. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß sie auch allmählich dank ihrer Geschwindigkeit und Einfachheit praktischen VerkehrSzwecken dienstbar gemacht werden können. Wir sehen hier immer von den negativen.Kulturzwecken" des Militarismus ab, für den ganz andere Gesichtspunkte in Frage kommen. Wie dem auch sei und wem auch die Zukunft gehöre»