Papieren stand vor seinem Namen ein„von'—; hier hieß er nurEmil und er wurde nur mit der Rücksicht behandelt, die seineBrauchbarkeit als Klavierspieler ihm verschaffte.„Aber Herr— Herr— Emil', sagte Fridchen eifrig und errötete vor Aufregung,„das Lied inusjte so langsam gesungenwerden, so mit einem Zögern am Schluß. Frau Eisebem hattesehr, sehr unrecht, darüber böse zu sein. Und, und— Herr Emil—ich muß eS Ihnen einmal lagen— Sie spielen oft sehr ohne— jaohne Verständnis. Sie rasen dann mit einmal auf dem Klavierherum— wie ein Sturmwind.'„Liederchen muffen schnell gesungen werden, schnell,' sagteEmil mit Rachdruck.„Aber ich singe keine Liederchen, sondern Lieder. Sie muffendoch Unterschiede machen, Herr— Herr Emil. Ich vertrete dasernste— ernstere— Genre.'Frau Eisebein kam die Treppe herunter. Fridchen Lippschützerhob sich höflich.Frau Eisebein sah sehr ärgerlich drein. Mußte auch der Emilso spät essen I Und die Fridchen so früh kommen I Nun ging esnicht gut anders, nun mußte man ihr auch noch Kartoffeln geben.Sonst war sie am Ende beleidigt und kam nicht mehr...Tag,' sagte Frau Eisebein unfreundlich,„Sie haben wohl schongegessen?'„Nein, gewiß nicht. Ich bin erst eben gekommen. Und vonLeipzig hierher im Personenzuge, daS ist eine weite Reise; ich mußimmer schon früh morgens abfahren. Ach, es war heute so voll imCoupS, ich mußte fast die ganze Zeit stehen.'sgortsetzung folgt.)I?unst-�iteratur.Naumanns Kunstschriften. Im Buchverlag der„Hilfe'hat der liberal« Politiker und Theologe Friedrich Naumann einigeSchriften veröffentlicht, die sich mit künstlerischen und kimstgewerb-lichen Dingen beschäftigen. Es find in der Hauptsache Sammlungenvon Zeitungsartikeln, Kritiken und populären Borträgen, in denender Verfasser sich über diese seinem eigentlichen Beruf fernliegendenFragen ausläßt. Die drei Bücher, die mir vorliegen, find von sehrverschiedenem Wert und Charakter. Das kleine Heft mit dempreziösen Titel„Der Geist im HauSgestühl' ist nichts als«ine inhaltlich konfuse und in der Form ziemlich geschmacklose Sal-baderei über die modernen Prinzipien der WohnungSemrichtung.Unter der Maske eines kunstverständigen Onkels bemüht sich derAutor, seiner Nichte, dem„blonden Schwälbchen', und deren etwastrottelhaftem Bräutigam die Gesichtspunkte auseinanderzusetzen, nachdenen sie fich ihre zukünftige Wohnung mit Möbeln. Gerätschaftenund Zierraten ausstaffieren sollen. Er kommt nach langwierigentheroretischen Erörterungen zu dem praktischen Ergebnis, manmüsse sich einige gute, alte Stücke für billiges Geldbeim Trödler laufen und den Rest nach Zeichnungenvon Rismerschmid anfertigen laffen.— Wesentlich wertvoller ist die Srtikelsammlung„Form und Farbe'< Preis S M.).Sie enthält kunsttheoretische Betrachtungen und Kritiken, die Naumannwährend des letzten Jahrzehnts für die„Hilfe" und die„Zeit'geschrieben hat, und zerfällt tu die acht Abschnitte: Aeltere Nleister(Rembrandt. Rubens usw.). Fromme Maler(Peter Cornelius, Eduardv. Gebhardt, Haus Thoma, Wilhelm Sleinbausen, Ludwig Richter,tritz v. Uhde), Menschengestalter(Englische Porträts, Menzel, Leu-ach, Liebermann, Baluschek, die Kunst der„Fliegenden Blätter' usw.),Landschaftskünstler, Malereiprobleme. Bildhauerei(Klingers Beethoven,das Hamburger Bismarckdenkmal), Balikunst, Kunstbildung. DerInhalt ist, wie man ficht, ein recht vielseitiger und die flüssigefeuilletonistische Schreibweise Naumanns macht die Lektüre leicht undangenehm. DaS Buch ist nicht für Künstler und kunstwiffenschaft-liche Spezialisten bestimmt, sondern„für die Menge derer, die vorihren Kunstwerken von sich aus nicht recht wissen, waS da eigentlichzu sehen ist.' ES will weniger fertige Urteile über einzelne Werkeund Persönlichkeiten geben, als Anweistingen zur Kunst-betrachwng und Anregungen zum Kunstgenießen. Der Stand-Punkt Naumanns ist im allgemeinen der des gebildetenkunstfreundlichen Laien, der vom Geiste der modernenKunstbestrebungen einen Hauch verspürt hat und fich redlich bemüht,den einzelnen Erscheinungen gegenüber zur Klarheit zu gelangen.Freilich kann man fich dem Emdruck nicht verschließen, daß desAutors Verständnis und seine Sympathien vorwiegend zu denkünstlerischen Mittelgrößen hinneigen, den Kompromißlern, die dieErrungenschaften der modernen Kunst dem großen Publikumschmackhaft machen. Bor den starken, führenden Persönlichkeiten undrücksichtslosen Wcgbahnern. deren Schaffen in die Zukunft weist,steht Naumann trotz allem guten Willen meist ratlos da. Kallmorgen undBaluschek liegen ihm näher und besser als Münch und Ludwigv. Hofmann.— Ebenso wie„Form und Farbe' enthält auch diedritte Publikation„AuSstellungSbriese'(Preis 3 M.) nebenVielem Lehrreichen und Anregenden manches Oberflächliche, Schiefeund Irreführende. Was Naumann hier über die letzte Pariser Welt-ausstcllung, über Versailles, den Montmartre, den Eiffelturm unddas Franzosentum zum besten gibt, ist nichts als ein geist-reichclndes, weichliches Feuilletongeplauder, das in schönenPhrasenarabesken um die Dinge herumredet, ohne den Kern der Sachezu treffen. Es war wahrhaftig nicht nötig, diese belanglosenZeiwngsreferate auS ihrem Versteck herauszuholen und in anspruchs-voller Buchform nochmals zu publizieren. Dagegen sind die Ab-schnitte über„Kunst und Industrie' und„Die Kunst im Zeitalterder Maschine' durchaus lesenswert. Neue Ideen werden zwar auchhier nicht zutage gefördert, aber der Leser erhält m unter-haltender Form mancherlei brauchbare Hinweise ans die zahlreichenDetailfragen, aus denen diese komplizierten Probleme sich zusamulen«setzen.Fritz von Uhde. Eine Kunstgabe für das deutsche Volk.Mit eüiem Geleitwort von Alexander Troll.(Mainz 1909. Verlagvon Joh. Scholz.)Wilhelm Leibi. AuS seinem Lebenswerke. Eine Kunst-gäbe. Mit einem Geleitworte von Otto Gebhardt.(Mainz 1909.Verlag von Joh. Scholz.)Die„Freie Lehrervereinigung für Kunstpflcge', der wir schon dieVeröffentlichung mancher Sammlung von wertvollen und wohlfeilenKunstproduktionen verdanken, hat sich mit derHerausgabe des Uhde- undLeibl-HefteS ein neues Verdienst erworben. Die Abbildungen(19 Ge-mälde von Uhde, 14 von Leibi) sind im Hinblick auf den Ent-wickelungsgang und die Höhenpunkte im Schaffen der beiden Künstlerfast durchweg mit Verständnis und Geschmack ausgewählt. Rur imLeibl-Buch fehlt leider das Hauptwerk des Meisters, die„Frauen inder Kirche'. In technischer Hinsicht sind die autotypischen Ton»reproduktiouen ohne Ausnahme vortrefflich. Daß in der Schivarz«Weiß-Nachbildung die Schöpfungen Leibls im allgemeinen zu bessererWirkung kommen als die Uhdes, liegt an der Eigenart der Maler»von denen der erstere Form und Zeichnung stärker betont als derletztere, der namentlich in seinen späteren Zeiten fast lediglich durchdie farbige Impression zu wirken sucht. Die einleitenden Texteinformieren über den Lebcnsgang der Künstler und geben iuknappster Form gute Charakrcristiken ihre» Wesens und ihrerSchaffenSart. Die auS starkem Kunstdruckpapier hergestellten Heftekosten, ebenso ivie die früheren Publikationen der Lehrervereinigung(über HanS Thoma, Wilhelm Steinhausen, Alfred Rethel, GiovanniSegantini u. a.) je 1 M. Sie sind namentlich auch als Geschenkefür die reifere Jugend sehr geeignet.Max Sauerlandt, Deutsche Plastik de? Mittelalters(Verlag von Karl Robert Langewiesche in Düffeldors und Leipzig.)Preis 1.80 M.Dieser neueste Band der Sammlung„Die Welt des Schönen',auf deren frühere Hefte(„Griechische Bildwerke',„Der stille Garten',„Bilder aus Italien') ich bereits empfehlend hingewiesen habe, führtin eine dem großen Publikum fast völlig unbekannte Well«in. Manweiß bei uns über die griechische Plastik wohl einigermaßen Bescheid,aber von der alten deutschen Bildhauerkunst hat man keine Ahnung.Und wenn der Laie ihre Werke in den Originalen oder in Re-Produktionen vor fich sieht, so wird ihm zunächst manches fremd,bizarr und vielleicht barbarisch erscheinen. Die an den plastischenSchöpfungen der Antike und der Renaissance gebildeten Augen müssenerst einmal umlernen, sie müffen sich daran gewöhnen, die herbe undftastvoll-schlichte Sprache der mittelalterlichen Kunstwerke zu ver»nehmen, in denen der Stoff und Inhalt des Dargestellten fast gar-nichts, die reine künstlerische Form alles bedeutet. Die mehr alshundert schönen Abbildungen und die llaren und feinfinnigeu ein-leitenden Bemerkungen Sauerlands find ein sickercr und bequemerWegweiser in dieses bisher unbeachtete Land der Schönheit, daS, ob»wohl es uns so fremdartig erscheint, doch gar viele verwandte Zügemit dem künstlerischen Schaffen der Gegenwart aufweist. Wer Wesenund Ziele der mittelalterlichen Plastik begriffen hat, dem werdenauch manche Erscheinungen im modernsten Kunstleben, die ihmbisher ein Buch mit sieben Siegeln waren, klar und verständlichwerden.mDie Veredelung der gewerblichen Arbeit imZusammenwirken von Kunst. Industrie und Hand»werk.(Verhandlung des Deutschen Werkbundes zu München am11. und 12. Juli 1903. R. Voigtläuders Verlag in Leipzig.) Preis1,20 M.Der Deutsche Werkbund, der in, Oktober 1907 begründet wurdeund seinen Sitz in München hat, bezweckt die„Veredelung der ge-werblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie undHandwerk durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellung»nähme zu einschlägigen Fragen'. Mitglieder des Bundes könnensein: Künstler, Gewerbetreibende mcd sachverständige Kunstfreunde.aber die Mitgliedschaft kann nur auf Einladung und durch Beschlutzder Vorstandschaft erworben werden. Gelegentlich der vorjährigenMünchener Ausstellung hielt der Werlvund seine erste JahreSvenamm-lung ab, die zwei Tage dauerte und in der über wichrige Themataverhandelt wurde. Das jetzt erschienene Buch gibt die Referate unddie Ausführungen der Diskussionsredner in aller Ausführlichkeit wieder.Bon hohem Jntereffe sind namentlich die theoretischen Erörterungendes ersten Vorsitzenden, Professor Theodor Fischer-München, überden Einfluß, den die modernen ProduktionS»formen ans die künstlerische Gestaltung ausüben.Diese mehr akademischen Erörterungen werden ergänzt durch daS,waS der Fabrikdirektor Gustav Gericke-Dclmeuhorst als Mann derPraxis über dasselbe Thema ausführt. Der bekannte Architekt und