„Warum nicht?" fuhr er auf. »Es geht nicht." „Warum nicht?"— Sie zuckte wieder die Achseln. „Mit einmal," sagte er verächtlich.„Wegen Deinem Mann?" „Nein, überhaupt." „Mach' keine Faxen, es geht." „Sei doch nicht dumm." Und sie machte einen schlimmen Witz. Ferdinand Lippschütz tauchte an der Ecke der Bude auf. Alfred Eisebein trat zu ihm, während Augusts von Kunden in Anspruch ge- nommen wurde, kaute an seinem Schnurrbart und sah in finsterem Sinnen auf die junge Frau. Ferdinand Lippschütz lachte..Sei doch kein Narr I Um die ist's nicht so schade wie um die andere. Was der einen recht ist, ist der anderen billig." Alfred Eisebein stieß einen stirchibaren Fluch aus. Er schlug seine Finger mit eisernem Griff in Lippschütz' Ann..Komm, Du Satan, wir wollen eins trinken."— (Schluß folgt.) Vlas bleibt am �loräpol nocb zu tun? Von H. Singer. Die Ansichten darüber, ob Cook in der Tat den Nordpol be- zwungen hat oder nicht, dürften noch einige Zeit auseinandergehen. Dagegen wird der ein Jahr später errungene Erfolg Pearys Zweifeln nicht begegnen. Jedenfalls dürfen wir sicher sein, daß das mit heißem Bemühen umworbene Ziel erreicht ist und für sich allein niemand mehr reizen wird. Die Frage liegt nun nahe, welche Entdcckungs- und Forschungsarbeit dort„oben" noch der Erledi- gung harrt. Nordpolarforschung Und Bezwingung des Nordpols sind nicht dasselbe. Das geht schon aus dem Umstände hervor, daß der Nora- pol durchaus nicht das Ziel aller Nordpolarreisenden gewesen ist. Ja, es hat lange Zeiträume gegeben, in denen er auf unter- nchmungslustige Forscher kaum irgendwelche Anziehungskraft aus- geübt hat; wir brauchen da nur an die etwa dreißigjährige Periode zu erinnern, die in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die moderne Nordpolarforschung eingeleitet und nahezu ausschließ- lich der Nordwestdurchfahrt gegolten hat. Und in jüngster Zeit sind es eigentlich nur die Amerikaner— Peary , Baldwin, Fiala, Wellman, Cook— gewesen, die dem Nordpol nachjagten, während Schweden , Norweger, Dänen, Engländer und auch Nüssen ganz andere Probleme bei ihren Forschungsfahrten im Auge hatten. Man hat sich sogar vielfach zu der Anschauung bekannt, daß die Eroberung des Nordpols allein, ohne Nebenergebnis, ein für die Wissenschaft recht zweckloser und unnützer Erfolg wäre, der in keinem richtigen Verhältnis zu den dafür aufgewandten Mitteln an Kraft und Geld stände. In der Tat hat diese Auffassung zum mindesten für solche Neisen polwärts einige Berechtigung, die in Schlittenfahrten über das Packeis des Polarmeercs bestehen. Für derartige Fahrten ist größtmögliche Eile geboten. Im Winter, während der ununtcr- brochenen Polarnacht, kann man sie nicht durchführen; im Sommer auch nicht, weil dann das Eis in Bewegung ist. Es bleiben nur die wenigen Wochen übrig, die zwischen dem ersten Erscheinen der Sonne, etwa im März, und dem Beginn der Eisbetvegung, etwa im Mai, wenn nicht schon im April, liegen. So müssen denn Zeit, Kunst und Nahrung in vollem Umfange für das Vorwärtskommen genutzt werden. Nebenher können noch einige meteorologische Be- obachtungengemacht, die magnetischen Abweichungen abgelesen werden; auch über die Beschaffenheit und die Treibrichtung des Eises kann man Aufzeichnungen machen. Seine Dicke wird man aber schon seltener zu ermitteln vermögen, und Tiesenlotungen mit Wasser- Und Bodenproben, die für die Geographie von höchstem Wert sind, lassen sich gar nicht ausführen. Weder Cook noch Peary haben solche Arbeiten vorgenommen. So gleicht denn der Weg des kühnen Pioniers zum Pol der Straße, die ein Schiff durch das offene Meer zieht; jener wird vom treibenden Eise wie diese durch die Wellen verwischt. Von Wichtigkeit im geographischen Sinne ist, daß wir über die Verteilung von Land und Wasser in dem Polargebiet Kunde er- halten. Cook hat Land gesehen— es ist wohl ein Teil desselben Landes, das Peary 190(3 etwas weiter südlich gesichtet und Crocker- land benannt hat. Beider Entdeckung ist sehr interessant, aber beide haben es für nebensächlich gehalten, ihr nachzugehen; neben- sächlich mußte ihnen ja alles sein, was nicht mit der Erledigung ihrer Hauptaufgabe zusammenhing. Das ist bedauerlich, wenn auch erklärlich. Es scheint aber nun festzustehen, daß es im un- bekannten Teil des Polarbcckens große Inseln gibt, die sich min- bestens bis zum 85. Breitengrad nordwärts vorschieben, lieber ihre Ausdehnung und Natur Aufschluß zu bringen, wäre eine recht dankbare Aufgabe, die schon durch eine Schlittenreise von der Nord- westecke des Ellesmerelandes aus ohne außergewöhnliche Schwierig- leiten zu bewältigen sein würde. Daß Amundsen auf seiner ge- 1 planten Drift durch das Polarbecken in diese Gegenden kommt, ist nicht mit Sicherheit anzunehmen; er dürste sie zu seiner Rechten lassen. Ueberhaupt steht man hier, im Nordwesten des arktischen Amerika , an der Schwelle des Umfangreichsten„weißen Flecks" unserer Nordpolarkarten. Er un faßt die Gegenden nordwestlich und westlich vom Parryarchipel und dem Reiscgebict Sverdrups, nördlich von Alaska und der Beringstraße bis zu den Routen der .Jeanette"-Sxpedition von 1880/81 und der Nansenschen„Fram "- Expedition von 1893/90. Mikkelsen ist 1907 von Alaska her über den Rand jener terra incognita nicht wesentlich hinausgekommen; eine größere Bresche in sie ist nur zwischen dem 50. und 100. westlichen Längengrade gelegt worden: 1900 und 1909 von Peary , 1909 von Cook nach dessen Behauptung. Aber noch ungefähr die achtfache Fläche des Deutschen Reiches bedeckt jener weiße Fleck. Eine nicht unbegründet erscheinende Annahme geht dahin, daß hier eine Insel- brücke aus der Nähe der Ncustbirischen Gruppe bis gegen den Parryarchipel reicht; sie stützt sich auf Erscheinungen in der Bewegung des Packeises an den Rändern des Beaufortmeeres und auf Ueber- lieferungen der Polarvölker. Jedenfalls hat durch die Reise Cooks die Theorie Nansens von einem Polarmeer ohne Land von nennens- werter Ausdehnung eine Befestigung nicht erfahren. Hier ist also noch gewaltiger Raum für sehr weite Entdeckungszüge vorhanden, und zwei Polarfahrer, A. H. Harrison und R. Amundsen, wollen ja auch solche unternehmen. Harrisons Plan ist freilich mehr als kühn und erscheint namcnt- lich seinen englischen Landsleuten als höchst abenteuerlich. Er will mit zahlreichen Eskimos, Schlitten und Hunden von der Mackenzic- mündung über das Polarmeer bis nach Spitzbergen vorzudringen versuchen und dabei sogar die Winternacht zum Reisen benutzen, rechnet aber mit einem sehr langsamen Vorrücken, besonders für den Anfang, und bemißt die Expeditionsdauer aus 2� Jahre. Während es sich indessen hier um ein noch ungesickiertcs Projekt handelt, steht Amundsens Ausreise für das Jahr 19!l) bereits fest. Der norwegische Forscher hat eine Driftreise mit dem Schisse nach dem Muster der großen Nansenschen Fahrt vor. Seinen Ausgang wird er aber von einem östlicheren Punkte nehmen als Nansen, un- gefähr bei Point Narrow an der Nordküste von Alaska , weil er meint, so eher geradenwegs durch das Herz des unbekannten Polarbeckens nach Spitzbergen oder Franz-Josefland geführt zu werden. Amundsens Plan zeigt überaus deutlich die wichtigsten wissen- schaftlichcn Aufgaben der künstigen Nordpolarforschung. Es ge- hört dazu zunächst die Feststellung der Ausdehnung, der Tiefe und des Charakters des Hauptpolarbcckens, der Beschaffenheit der unter-- meerischen Sockel, aus denen sich die angrenzenden Kontinente er» heben, und die Uebergänge des Beckens zu den Nachbarmeeren. Zur Erledigung solcher Forschungsaufgaben vermag nur eins Driftexpedition zu Schiff beizutragen, weil dieses allein Zeit und sichere Vorbedingungen für die unerläßlichen hydrographischen Ar- beiten gewährt. Man kennt heute Apparate, sagt Amundsen , die Proben nicht nur des obersten Meeresbodens selbst, sondern auch Schichten ans einigen Metern Tiefe heraufschaffen können, und aus diesen Proben erkenne man die Natur der übereinander liegenden Ablagerungen, die dann erzählten„von der Geschichte langer Zeiten in ähnlicher Weise, wie die geologische Formation mit Versteinerungen auf dem Landgcbiet." Ferner biete sich aus-- giebige Gelegenheit, die gewaltige Waffermasse des Polarbeckens selbst zu untersuchen in bezug auf Temperatur und Salzgehalt; Mächtigkeit und Ursprung der verschiedenen Wafferschichten" werde sich daraus ermitteln lassen. Damr würden Strommessungen in den tieferen Meeresschichten vorzunehmen sein, aus denen man Schlüsse auf die Ursachen der Strömungen abzuleiten erhoffen dürfe. Noch andere Gegenstände der Untersuchung wären die Flutwellenerfcheinungen, die Bedeutung des Windes für die Meeresströmungen, die biologischen, meteorologischen und erd- magnetischen Zustände und Vorkommnisse. Gerade für solche Forschungen biete das Polarmeer eine viel günstigere Gelegenheit, als jeder andere Ozean.„Es sind die eigentümlichen Verhältnisse dort oben, welche dies mit sich bringen— ein 4000 Meter tiefes, ja vielleicht noch tieferes Meer, auf dessen Oberfläche man sich fast wie auf festem Lande bewegen kann. Man kann aus dem Eise leben und bauen; man kann von dort alle seine Instrumente ins Meer hinuntersenken und die größten Tiefen erreichen ohne alle Schwierigkeiten, mit denen man im Unwetter und bei hoher See auf dem offenen Meere zu kämpfen hat. Einen idealeren Platz für Meeresforschungen gibt es nicht." Freilich, wer ein so riesiges und mannigfach geartetes Arbeitsfeld bestellen will, muß sich in Geduld wappnen, seinen Ehrgeiz nicht in schnellen Erfolgen sehen; auf ein vier- oder fünfjähriges Treiben im Eise muß" er sich gefaßt machen. Kleinere, aber doch nicht unwichtige Teile deS Polarmeercs harren der Erforschung nördlich von Westsibirien bis zur Route Nansens mit dem„Fram". Auch das Innere des vergletscherten Grönland ist zum weitaus größten Teil noch unbekannt. Die Nansensche Durchkreuzung von 1888 fand im äußersten Süden dieses Polarkontinents, unter dem 04. Breitengrad, statt, die Pcarhsche von 1892 hoch im Norden, unter dem 31. Grad. Aus der dazwischen liegenden Hauptmasse Grönlands von 1900 Kilo- meier in der Breitenausdehmmg sind nur kurze Vorstöße von Westen her(so durch Nordenskiöld 1883 und durch Peary 1380) zu
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26 (10.9.1909) 176
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