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Stein. Die Befreiung von der Raft des Schmerzes, bon der zweig schauen die zierlichen rofafarbenen Blütenglocken ährenweise fie in Erwartung ihres Mannes geträumt hatte, war nicht gekommen.

Wortlos schieden sie voneinander nach diesem ersten traurigen Wiedersehen. Als Jta zu Hause angelangt war, bergaß sie alles, was sie bisher bewegt hatte, ging lange in ihrem Zimmer auf und ab und überlegte sich, wo sie Geld borgen könne.

Ich will's einmal bei Etel versuchen," sagte sie sich, als fie fich zu Bett legte. Wenn's bei ihr nicht geht, so vielleicht bei Gitel oder bei der Krämersfrau. Eine wahre Strafe für mich, dieser Michel, du lieber Gott !"

( Fortsegung folgt.)]

Deidekraut.

Bon C. Sche'ntling

Wennschon das Pflanzenleben mit Riesenschritten seinem Ab­fchluß für längere Zeit entgegengeht, so gibt es doch auch jetzt noch fich neu erschließende Blumen in verhältnismäßig großer Fülle. Freilich find es zumeist jene Heinen Blümchen, die fast das ganze Jahr hindurch blühen und die man daher zeitlose Blumen" genannt hat. Nur hier und da streift das suchende Auge inmitten der un­bedeutenden Schar Nachkömmlinge des Sommers. Auf den Triften find es blaue Enzianen, auf Wiesen Herbstzeitlofen und am Grabenrande wilde Stiefmütterchen, Schafgarben, Flockenblumen und einige andere, aber drinnen der Waldgrund ist rosafarben überhaucht: das liebliche Heidekraut hat seine Blütenglödchen ge­öffnet.

Es gibt wenige Pflanzen, die so ausschließlich den Boden einer Lokalität für sich in Anspruch nehmen, so vollständig die Allein­herrschaft über ihn behaupten, wie unser eines Heidefrauf, Calluna vulgaris, Der nordeuropäische Landstreifen, der sich von der Spike Jütlands bis zur Scheldemündung hinzieht, hat durch das leine friechende Strauchgewächs sein höchst charakteristisches Aus fehen erhalten. Auch hier flutete einst der Ozean, aus dem insel­artig das mittlere Deutschland , die grünbewaldeten Berge Eng­lands und die starren Felsklippen Norwegens hervorragten. Eine einzige Pflanze war es, die sich nach Abfluß der Wasser des zurück­gelassenen Meeresbodens bemächtigte; sie breitete sich aber in einer Weise aus, daß sie nun zu Millionen und Abermillionen Stöcken das weite Tiefland bedertt: es war das Heidekraut. Nur bei näherer Beobachtung findet man neben ihrem friechenden Rhizom einige Seggenarten und ein Heines Rispengras sproffen; vielleicht auch ist der lockere Sand mit Cladonien, deren braune und rote Apothecien gar zierlich auf kleinen Säulchen ruhen, bedeckt. In geringer Tiefe lagert die starre Schicht des Ortsteines, auf der die im Herbst absterbenden Pflanzen bald ein Lager bildeten, das vor Jahr zu Jahr mächtiger und schließlich so dicht wurde, daß es für Niederschläge undurchdringlich war. Eine grüne Moosdede breitete sich darüber hinweg und die auf der Mooslage sich erhebende Flora bestand im wesentlichen aus Heidekraut. Bald starb das von Wasser durchsetzte Wurzelwert ab und neue Sträucher wucherten auf den verwesenden Pflanzenstengeln so wächst das Moor nach oben, hauptsächlich aus den Resten des Heidekrautes bestehend. Aber auch in den Niederungen am Nordfuße der Alpen, wo der Landmann noch nicht seine Furchen zog, gibt es nur Moor und Heide, Heide und Moor. Und immer dieselben Moorbildner: einige Heibetrautarten, Rauschbeere, Moosbeere, Sumpfporst, fast durch­weg immergrüne Pflanzen. Einige darunter, so die bei uns allge­mein verbreitete Besenheide, lassen sich in ununterbrochenem Zuge aus der Ebene bis hinauf zu 2500 Meter hohen Alpen­tämmen verfolgen. Und sonderbar, brunten im wärmeren Tief­land blühen die Stöde nur wenige Tage früher als hoch oben in der alpinen Region, und für Calluna ist sogar nachgewiesen, daß fie in einer Höhe von 2000 Meter etwas zeitiger ihre Blüten öffnet als im nördlichen Zeile des baltischen Tieflandes.

Zwei Heidekrautarten find es, welche vornehmlich den Cha­rakter der Heidelandschaft bestimmen, auf trodenen Lagen Calluna vulgaris ( die gemeine Heide) und auf feuchten Erica tetralix, die sumpfliebende Glockenheide. Im Volksmunde heißt aber auch die gemeine Heide Erika"- irrtümlicherweise, denn der Botaniker macht zivischen beiden Arten einen Unterschied, den sich auch der Laie merken kann, wenn er sich nur einmal Mühe gibt, beide Formen zu vergleichen. Während die gemeine Heide, d. i. die aller­wärts vorkommende, ihre Blütchen in einseitswendigen Trauben trägt, stehen die der Erika in endständigen Köpfchen. Allenfalls fönnte jene Art mit Erica carnea verwechselt werden, doch hat diese nur einen beschränkten Verbreitungsbezirk. Außer auf Bayerns Alpen und Hochebenen wird sie nur im Bogtlande und in Böhmen bei Karlsbad , Franzensbad , Marienbad und Eger ange­troffen, sonst nirgends in Deutschland .

Troß des besenartigen Habitus wird die Heide von jedermann gern gesehen. In vier Reihen find ihre linealen Blättchen dach­giegelartig übereinander gelegt und aus dem graubräunlichen Ge:

hervor. Was das flüchtig betrachtende Auge erschaut, ist aber gar nicht die Blütentrone, sondern der bierteilige, blumenkronartig gefärbte Kelch, der länger ist als jene. Ein interessantes Kapitel bildet die Befruchtung unseres Blümchens. Es dürfte hinlänglich bekannt sein, daß bei der Bes fruchtung der Blumen der Wind und die Insekten den Postillon d'amour spielen. Jene Blüten nennt man windblütig( anemophil), diese insektenblütig( entomophil). Nur selten, wie z. B. bei der wunderbaren Vallisnerie, find die Wasserwellen der Vermittler; die Art ist kymathophil. Neben diesen streng geschiedenen Gruppen gibt es aber auch Arten, die anfangs tierblütig, später windblutig find, indem kurz nach dem Eintreten der Floreszenz allerlei In­setten gelegentlich ihres Blütenbesuches den an ihrem Körper und in dessen Haarkleid haftenden Blütenpollen auf andere Blüten übertragen, aber gegen Ende des Blühens der Pollen dem Winde anvertraut wird. Am besten läßt sich das beobachten an mehreren Rhinanthaceen, wie an der Bartschia und der Schuppenwurz, dann aber auch an dem bereits erwähnten Frühlingsheiderich Erica carnea, welcher in dieser Hinsicht als Vorbild für ein paar Hundert Ericaceen dienen kann. Obwohl die Heide viel und gern von Bienen besucht wird, wodurch eine Befruchtung der Blüten zu­stande kommt oder doch kommen kann, geschieht die Bestäubung doch häufiger durch Luftströmungen. Und das geht folgendermaßen zu. Die in Reihen geordneten Blüten hängen schräg abwärts und find sämtlich nach ein und derselben Seite hingekehrt. Die Ents widelung beginnt an der Spiße des Blütenzweiges und schreitet langsam nach unten fort. Gleichzeitig mit dem Oeffnen der Blüte tommt die Narbe in Sicht, die von dem sich verlängernden Griffel über den Blütensaum hinausgeschoben wird. Die um den Griffel gruppierten Antheren sind noch in der Blumenkrone verborgen. Die honigsuchenden Bienen müssen unvermeidlich die heraus­geftredte Narbe streifen und haben sie in ihren Höschen den Bollen einer zuvor besuchten Blüte mitgebracht, so bleibt dieser an der flebrigen Narbe haften und die Bestäubung hat stattgefunden. Die Antheren haben an ihrer rechten und linken Seite kleine Deff­nungen. Da sich aber die Löcher der benachbarten und ring­förmig aneinandergereihten Staubbeutel genau decken, bleibt der Bollen in diesen aufgespeichert und fällt erst bei einer etwaigen Verschiebung der Ringglieder aus. Eine solche findet statt, wenn die besuchende Biene anfliegt. Der Blütenstaub fällt ihr auf Rüssel, Brust und Kopf, mit ihm beladen fliegt sie zu einer weiteren Blüte und befruchtet diese. Tritt eine Bestäubung auch nicht ein, so wellt die Narbe doch bald ab und ist nicht mehr fähig, Blütenstaub aufzunehmen. Dagegen verlängern sich nunmehr in derfelben Blüte die Staubfäden und schieben die pollenbergenden Staubbeutel aus der Blüte heraus. Dadurch verlieren diese ihren Zusammenhalt und der Blütenstaub fällt aus den Oeffnungen heraus, was bei der leisesten Erschütterung des blühenden Zweiges eintritt. Der freigewordene Pollen wird vom Winde weg- und gegebenenfalls der Narbe einer anderen Blüte zugeführt, wodurch die Befruchtung erfolgt.

Wie Tulpe, Nelte, Hyazinthe und Rose ist auch das Heidekraut ehemals eine Modeblume gewesen. Zu Rousseaus Zeiten, dessen liebste Beschäftigung es war, Heidekraut zu pflücken, bedienten fich die französischen Damen der Heidestengel als Hut- und Haarschmud. Diese Bevorzugung des einfachen Blümchens vor seinen schöneren Schwestern war aber nicht von langer Dauer. Erst im Anfange des 19. Jahrhunderts sollte es wieder zu Ehren kommen. Wie einst durch Pflanzenpioniere die Belargonien in ihrer Reichtumsfülle vom Rap der guten Hoffnung nach Europa gebracht wurden, so entfaltete sich von daher auch der wunderbare Flor nie gesehener und gekannter Heideblumen über unseren Kontinent. Jenes Bara­dies der Blumen" zählt nämlich unter den rund 8000 Pflanzen­arten, die der Botaniter als Stapflora" bezeichnet, nicht weniger als 500 verschiedene Heidekräuter! Und fast alle haben sich als fulturwürdig erwiesen. Gleich den heimischen Heidefträuchern haben sie steife, dauernde, linienförmig- schmale Blätter. Aber die Mannigfaltigkeit im Blütenstande wie in der Gestalt der Blumen­krone macht sie zu reizenden Bierpflanzen: Bald ist die Blumen­frone langröhrig, tellerförmig, frugförmig, fugelig; bald stehen die Blütchen in Aehren, bald in Rispen oder in Köpfchen; ebenso wechselnd ist ihre Färbung: weiß, rosenrot, scharlach, farmin, dunkel­rot, seltener gelb oder grünlich. Obwohl die Grifaceen heute noch bon Liebhabern in Strauchform oder als Bäumchen gepflegt werden, ist ihre Kultur doch im Schwinden begriffen. Der Grund liegt wohl darin, daß die Behandlung der fremdländischen Arten nicht einfach ist und schon der kleinste Fehler an dem Pflanzen­individuum sich unangenehm bemerkbar machen.

Die Bedeutung der Heide für das Hochmoor und die Moorker ist bekannt. Schon zu Blinius Zeiten diente der Moorboden den Friesen als Brennmaterial. Er schreibt darüber aus seiner sonni­gen Heimat:" Den mit ihren Händen geformten Erbschlamm trocknen fie mehr bei dem Winde als an der Sonne aus, um ihre Speise dabei zu kochen und die vom Nordwinde erstarrenden Glieder zu erwärmen." Durch den ostfriesischen Pastor Bolemius, der um die Mitte des 18. Jahrhunderts in verschiedenen Kirchspielen des niedersächsischen Moorgebietes amtierte, wurde das Moor­brennen eingeführt und so der Moorboden teilweise dem Ackerbau nutzbar gemacht. Freilich ist es mit der Güte des so gewonnenen Ackerbodens nicht sonderlich bestellt, und Heidekraut bient heute