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Eine Erklärung Tolftois.

J. V.

Durch die russische   Presse geht eine Erklärung Tolstois and läßlich der Verbannung seines Privatsekretärs Gussew  . Sie besagt unter anderem: Als ich von Gusset Abschied nahm, mußte ich weinen, jedoch nicht aus Mitleid mit der Schickung, die Gusset ereilt hat. Bemit leiden konnte ich ihn deshalb nicht, weil ich wußte, daß er dieses geistige Leben lebt, in dem teine äußerlichen Einflüsse vermögen, einen Menschen seines wahren Glüdes zu berauben. Ich weinte bor Rührung beim Anblick dieser unerschütterlichkeit, die an Heiterkeit grenzte, mit der er das über sich ergehen ließ, was ihm begegnete. Und diesen gütigen, mitleidigen, wahrhaften Menschen, einen Feind jeder Gewalt, der allen behilflich sein will und für sich nichts verlangt diesen Menschen ergreift man des Nachts, wirft man in ein typhöses Gefängnis und verbannt ihn in eine gewisse Gegend, Die nur dadurch den dorthin verbannten Leuten bekannt ist, weil sie sie für das Unerträglichste halten.

Ansicht, nicht zur Regel machen tann und aus ihnen nun Schlüsse| versöhnlichen, verbrüdernden Worte im Streite ber Nationen. In auf die gesamte Jugend von Rußland   zöge, ist auch dieser Borromäus einem unerforschlichen Ratschlusse ließ der Autor sein tschechisches Heinrichsche starrköpfige Steptiler nicht als Repräsentant des ganzen Dienstmädchen sich zuletzt ins Wasser stürzen. Der Mohr hat seine modernen jungen Deutschland   hinzustellen. Und doch trägt er, gleich Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Aber mit ihrem Tode den russischen Fanatikern, Züge einer unheimlichen Lebenstreue. Der wird es auch um Wilhelm Schurhaft wieder dunkel, er finkt wieder junge Mann, dem die Armut von Kindheit an die rosigen Brillen- in Schlaf. Wir haben ihn ein Stück Leben begleitet, das schön gläser des Idealismus blind machte und ihm dafür um so war und erboben und voll der Bezauberung, in der wir alle einmal Schärfere Augen und schärfere Sinne für die Wirklichkeit gab. Der dahingingen. Kampf zwischen Verstand und Gefühl führt zu jenen grüblerischen Deduktionen, die schon im ersten Buch, das von Karl Asenhofers Kindheit und Jugend handelte, mit so auffallender Klugheit und Klarheit die Geschichte durchwebten. In dieser Fortsetzung ist Karl Asenhofer in der Fremde als Lehrer der deutschen Sprache tätig und er schlägt sich mit dem Leben und seinem Herzen herum. Denn er begetiert in einer absoluten Beziehungslosigkeit zur Umwelt dahin, er sucht nach einem Wegweiser in die Zukunft und gerät in Ermangelung der Erkenntnis pofitiver Werte in ein Anarchistentum wider Willen. Er hat das typische Schicksal zu tragen eines jungen Menschen, der in einer harten, unerbittlichen Selbsttritit neben dem Leben lebt, weil Tein Biel ihm die Richtung weist. Das stete Pulsbefühlen seines Handelns, Fühlens und Denkens begräbt alles Jugendliche in ihm, ohne den Mann erstehen zu lassen, und die tiefe Feindschaft, die er zwischen sich, seine Familie und die ganze Welt gelegt hat, in der Busammensetzung feines Charakters, in der Mischung aus Stolz und Armut, Herrschsucht und Astese, treibt ihn zum Lebensetel. Bis end­lich er in einem Ziel, in einer sein Ich erfüllenden Idee wieder Buflucht nimmt zu den Wegen der Hoffnung und der Lebensfreude. Es ist das Leidensbuch eines Suchenden und Sehnsüchtigen und Nachdenklichen, in dem sich ein Ueberschuß an Liebe und Verlangen Viel entsetzlicher ist aber der Grund, weswegen Gusset ergriffen, geftaut hat und der nicht weiß, wohin mit dem Aufruhr seiner Brust. ins Gefängnis geworfen wurde und verbannt wird. Als Grund Und es ist ein Hymnus auf die Arbeit, nicht auf jene tote wird angegeben, daß Gusset revolutionäre Bücher verbreitet. Aber Berufsarbeit oder den geschäftigen Müßiggang der Arbeitsamateure, Gusset hat während der ganzen Zeit( zwei Jahre), die er mit mir sondern auf jene Arbeit, die Befriedigung, die Lebensaufgabe ist. berlebte, nicht nur feine revolutionären Schriften verbreitet, sondern Das Fehlen einer pofitiven Lebensaufgabe ist es ja auch, was die verhielt sich beständig verneinend zu allen solchen Schriften. Wenn ruffische Jugend bei Arkibaschen zu ihren Exaltationen treibt, die er, meine Aufträge erfüllend, Bücher ausgab und durch die Deutschen   sind nüchterner, fie werden, wenn sie ohne Lebensaufgabe Post versendete, fo waren es feine revolutionären, sondern hindämmern müssen und wenn fie feine Durchschnittsmenschen find, meine Bücher. Meine Bücher mögen den Leuten schlecht wie Karl Asenhofer Pessimisten und Steptiker und wüten gegen sich und unangenehm vorkommen, aber fie fönnen feines felbft. Borromaus Heinrich ist inzwischen noch gewachsen in der falls als revolutionär bezeichnet werden, da in diesen in ent­präzisen Bernünftigteit seines Stils. Unter den scheinbar fühlen schiedenster Weise jede revolutionäre Tätigkeit berneint wird, wes Sägen fibriert ein heißbeteiligtes Herz und wo der an blumige halb auch diese Bücher von allen revolutionären Organen verurteilt Boeterei gewöhnte Leser dem Verfasser Schwunglosigkeit vorwerfen und verhöhnt werden. So ist die Verfolgung Gussets wegen der sollte, wird er durch seinen Ernst und seine Tiefe reichlich entschädigt. Verbreitung revolutionärer Bücher nicht nur haltlos, sondern entbehrt auch den Anschein irgend welcher Begründung

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Die Ungereimtheit der Maßnahmen in bezug auf meine Person ist noch entseßlicher. Die Sache besteht ja nur darin, daß unter die Bahl aller dieser gefährlichen Elemente, die man unter­drücken muß, unter anderen auch Tolstoi   gehört, mit seiner dummen Predigt eines von ihm erfundenen Christentums und der unsinnigen Unwidersetzlichkeit. An' sein Geschwätz hat selbst­verständlich keine ernsthafte Bedeutung, aber er wiegelt die Leute auf durch seine Predigt, daß es heißt: Du sollst nicht töten, und manche sonstige Auslaffungen, daß das Eigentum an Grund und Boden ungefeßlich ist usw. Und deshalb müßte man ihn um jeden Preis unschädlich machen. Das einfachste Mittel bestünde darin, Tolstoi gerichtlich zu verfolgen oder sonst noch einfacher ihn auf Grund dieser Sonderparagraphen, die wir jezt anwenden, so für fünf Jahre ins Gefängnis zu sperren, dort würde er sicherlich sterben und somit aufhören, uns zu belästigen. Das wäre selbstverständlich am bequemsten, aber im Auslande, wo man nicht wie wir den völligen Unsinn seiner Lehre kennt, schreibt man ihm einige Wichtigkeit zu und ihn, wie Gussem, ins Gefängnis von Krapiwa einzusperren ist jedoch unbequem. Und deshalb das Einzige, was wir tun können und eifrigst und unermüdlich tun werden, ist, daß wir den ihm nahea stehenden Leuten schaden werden und ihnen allen möglichen Tort antun. So wird er doch endlich schweigen müssen.

Mar Brod: Ein tschechisches Dienstmädchen. ( gel Junder, Stuttgart  .) Dieser fleine Roman handelt gleich falls von einem Betrachtungsmenschen, dem scholastische Gedanken­tetten Bedürfnis sind und der dabei als ein Schlafwandler durch das Leben geht. Es ist ein ganz junges Menschenkind und nicht mehr als ein Buchhalter, der auf seinem Kontorsessel seine In­wendigkeiten" beschaut,( um mich einer Lieblingsbezeichnung des Nordländers Kohl zu bedienen) an logischen Verknüpfungen herum­laut und im übrigen eindrudlos dahinduselt. Was ist ihm Prag  , die Stadt, wohin ihn sein Vater geschickt hat, mit ihren Heiligen statuen und Kirchtürmen, mit ihrer Zweisprachigkeit, ihren reizvollen Moldauufern und ihrem Kampf der beiden Nationen? Er bleibt ein Gleichgültiger, bis eines Tages ein Fichtennadelduft in seine Nase tritt, seine Sinne verwirrt und ihn vollends trunken macht. als der Duft in einem brallen, blondbekrönten Dienstmädchen Gestalt annimmt. Bepi, die Tschechin, verscheucht mit einem Male seine Einsiedelgewohnheiten und seine Lebensfremdheit. Noch ehe er den ersten Auß auf ihre Lippen gedrückt, rumort alles in ihm, und die weil er ihren Spuren nachgeht, schaut ihm mit einem Male die Welt erleuchtet wie mit einer Blendlaterne, seine Sinne werden Scharf auf der Suche nach der versteckten Geliebten. Ach, was für ein Aufruhr ist in ihm, mit was für spähenden Augen geht er jetzt Hier ist es, wo die Zweckmäßigkeit der in bezug auf meine durch die Gaffen Prags  . Millionen Eindrücke wird er gewahr auf Person angewandten Maßregeln besonders einleuchtet. Unzweckmäßig der Straße, er sieht mit einemmal die Schönheit der Stadt, holde sind diese Maßregeln deshalb, weil ich erstlich meine Gedanken, Wunder brechen ihm auf. Aber was ist das schließlich weiter als welcher Ansicht auch die Leute darüber sein mögen, für die hizige Verliebtheit eines Neulings des Lebens, wie sie jedem wahr, notwendig halte, und hauptsächlich, weil ich den Zwed Muttersohne einmal passiert. In Berlin   ist's das Warenhausmädchen, meines Lebens darin finde, sie mitzuteilen, und deshalb werde ich, in München   die Kellnerin, hier richtet ein Dienstmädchen das Unheil wie ich es bereits erklärte, so lange ich lebe, die Mitteilung dieser resp. Heil an. Doch nein, Brods Roman ist mehr als die Alltags- fortsezen, und die Entfernung Gussews kann diese meine Tätigkeit geschichte eines Liebesabenteuers. May Brod schildert das Wunder nicht ändern. So wie ich durch Vermittelung Gussets( was der Liebe an sich. Es ist vielleicht gerade der feinste Bug der ihm zur Last gelegt wird) bisher diese Bücher an alle diejenigen Geschichte, daß er dieses Wunder, das selig und sehend, lebendig verteilte und versendete, die sie haben wollten, so werde ich auch und verstehend macht, durch ein Dienstmädchen sich boll jetzt vermittelst anderer Personen, deren viele mir ihre Dienste ana ziehen läßt, das eine Null, einfältig, lignerisch und verboten, solche Bücher auch fernerhin verteilen und verschicken, oder, schlagen ist. Denn die unbegreiflichkeiten der Liebe find wenn man auch alle diese Personen nach Tschredyn oder irgend damit um so stärker ausgedrückt. Der Buchhalter stillt wohin verbannte, so werde ich selbst sie denen verteilen und an dem Mädchen seine Fleischeslust, und es ist doch mehr als Sinnen- verschicken, die den Wunsch äußern, sie zu haben. Meine Bücher liebe. Kein Verhältnis, wo sich der Mann mit dem weiblichen nicht denen zu geben und zu schicken, die sie haben möchten, Vergnügungskleinvieh( Maupassant  ) amüsiert. Es ist jene Beglückt- fann ich ebensowenig wie nicht auf die Anfragen der Leute zu ant heit und Entzückung, jenes große, unauflösbare Erempel der Liebe, worten, die danach fragen, was ich weiß. das nicht mit den Qualitäten des geliebten Gegenstandes zu divi­dieren ist und wobei die Sexualität mit der Verklärung verschmilzt. Schon in feinen früheren Büchern hat Brod den Rausch am Weibe dichterisch mit brennenden Farben zu schildern versucht. Die Erotit bon jenem Ratholizismus des Gefühls inbrünstiger Mystiker geht purpurn besonders durch seine Lyrik. Hier aber fam noch etwas hinzu: das Aufleuchten der Silhouette Prags  , der alten Hradschinstadt, die

Ungereimt sind diese Maßnahmen noch und hauptsächlich desa halb, weil man, um den Bomben und Bombenverfertigern zu entgehen, diesen die Bomben wegnehmen und die Bombenverfertiger ins Ges fängnis werfen kann oder sie hinrichten; aber mit den Gedanken tann man in ähnlicher Weise nicht vorgehen. Jede Vergewaltigung der Gedanken und deren Träger verringert nicht etwa ihre Wirkung. sondern trägt immer zu ihrer Stärkung bei.