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fenne mich nicht aus, Jta. Je länger ich lebe, desto weniger feits wirkte die natürlich auch profaische Nebersehungstätigkeit, fenne ich mich aus." wobei außerdem besonders die italienischen   Novellen ein zur Nach ahmung reizendes Vorbild boten.

Ita beeilte sich, ihr ihre lehte Unterredung mit Etel zu erzählen. Zuerst lauschte Manja aufmerksam zu, aber dann fuhr sie mit der Hand durch die Luft, als ob die Erzählung fie quäle.

übersetzt worden, der aber später in Bergessenheit geriet und nie ges Schon um 1300 war der französische   Lancelot Roman druckt worden zu sein scheint. Erst nach 1450 nimmt die Roman­übersetzung einen Aufschwung. Ritterliche und phantastische Abenteuer Sie haben mich nicht verstanden, Ita, wir sind ja doch und Liebesgeschichten bilden den Inhalt dieser Literatur, aus der bes alle verkrüppelt, selten wird eine von uns schwanger, aber fonders der Fierabras" und die Haimonstinder" her das Glück fehlt doch. Daß Etel sich zum Krüppel machen vorragen.

wollte, ist natürlich schon ein Mittel, aber nicht gegen die Um die Mitte des 16. Jahrhunderts versucht als erster Georg richtige Krankheit," schloß sie mit einem geheimen Ge- idram von Kolmar  , selbst deutsche   Romane zu erfinden. Er

danken.

,, Sind Sie schon lange hier?"

" Fünf Tage, aber mir ist's, als ob es fünf Jahre wären, so leide ich. Auch jetzt noch muß ich mich mit Gewalt be­herrschen, um nicht zu schreien, obwohl ich den Schmerz schon gewöhnt bin. Man gewöhnt sich an alles, Ita, so gemein ist die Menschenseele eingerichtet."

Und mein Kind liegt hier in der Kinderabteilung. Es hat den Krupp," teilte ihr ta mit, als ob sie ihr zu ver­stehen geben wollte, daß man sich nicht an alles gewöhnen

fönne.

Manja verstand sie und fragte nicht weiter.

schreibt breit, gut bürgerlich und ungemein naiv, indem er seinen Rittern und Fürsten   seine eigene Weltanschauung aufnötigt. Seine französischen Vorbildern: Wirksam ist im Gegensatz zu den fröhlich Behandlung der Geschlechtsliebe unterscheidet ihn prinzipiell von den fündhaften Welschen von pedantischer Moral und vermeidet sogar die bloße Schilderung dessen, was nicht seinen strengen Ansprüchen genügen fönnte.

Die Welschen schickten in jener Zeit eine ganze Familie von Romanen durch Europa  , die alsbald auch in Deutschland   alles andere in den Schatten drängte: den Amadis" und seine Nachkommen. Schwung, indem er ein verschollenes Driginal bearbeitete. Andere Der Spanier Garcia Ordonez de Montalvo brachte die Sache in Autoren pflanzten den Helden fort, d. h. sie machten seine Nach tommen viele Generationen hindurch immer wieder zu Mittelpunkten neuer Romane. Die Franzosen brachten die Geschichte auf 25 Bücher. Seit 1569 erschienen auch deutsche   Uebersetzungen.

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Der Mensch," sagte sie, immer daran denkend, was sie vom ersten Tage ihrer Krankheit an ununterbrochen be­schäftigte, der Mensch ist ein bissiger Hund, der an eine Die im Ausgang des 16. Jahrhunderts auftauchenden deutschen furze Kette gebunden ist. Gut, daß sie noch kurz ist. Aber Originalwerke( Faust, Schildbürger, Eulenspiegel) find Jaschka werde ich es nie verzeihen, sogar im Sterben nicht. ebenso wie is charts Bearbeitung des Gargantua weit Glauben Sie, mein Leben tut mir leid? Wenn ich noch einen entfernt von dem Wesen eines Romans. Seit dem ersten Drittel Glauben hätte, würde ich sagen: Gott sei Dank, aber ich glaube Dpigichen Gelehrtendichtkunft der heroisch- galante Roman, deffen des 17. Jahrhunderts entwickelte sich unter dem Einfluß der an nichts mehr und sehe in mir nichts als eine Schmuzgrube. Vertreter neben Lohenstein  ( Arminius") und Ziegler( Banife") bes Gibt es denn noch einen Schmuß, mit dem man nach mir nicht sonders auch Philipp von gesen war. Seine Affenat" gab geworfen hätte? Sie können sich ja selbst in Ihren besten den Anlaß zu einer literarischen Fehde mit dem Manne, der mit den Stunden gar nicht vorstellen, wie ich war, als ich hergekommen meisten seiner Werke in scharfem Gegensatz zu der ganzen heroisch­bin. Die heiligen Bücher sind mehr beschmukt von mensch galanten Richtung stand: Hans Jacob Christoffel   von Grimmels lichen Händen als ich es war. Und nach zwei Jahren bin ich hausen, Verfasser des Simplicius Simpliciffimus". jetzt so befudelt wie eine Mistgrube. Eine Hoffnung hatte ich geboren, tam mit zehn Jahren als ein rogiger Musquedirer", Grimmelshausen   wurde 1625 in oder bei Gelnhausen   in Hessen  noch, um mich aus dem Schmutz herauszuarbeiten, und des- wie ein übelwollender Kritiker ihm vorwarf, zu den Soldaten und halb war mir mein Kind, das fommen sollte, so teuer. Ein blieb wohl bis zum Friedensschlusse von 1648 beim Heere. Der Leitstern, ein Retter war es für mich. Aber es ist zugrunde erwähnte Stritifer wünschte ihm, er wäre immer dabei geblieben, gegangen wie meine jungen Träume, wie mein Verlobter, worauf Grimmelshausen, vermutlich unter dem Schuße des§ 193, wie meine Reinheit und Unschuld, und seit ich beschlossen habe, stolz entgegnete: Was mehnestu Bestia wohl, weil ich also ohngelehrter das in mir keimende Leben zu töten, fühle ich so einen Haß etwas unterstehe, was ich erst gethan haben würde, wenn ich dazu gegen mich selbst, daß ich den Tod mit Freuden begrüßen auffgezogen und von Jugend uff angeführt worden were?"- Sind schon die Jahre bis 1648 in Dunkel gehüllt, so noch mehr Grimmelshausen sich in Dänemark  , den Niederlanden und Polen  das folgende Jahrzehnt, von dem wir nur mutmaßen fönnen, daß aufgehalten habe. Daß er große Reifen gemacht hat, beweisen seine Kenntniffe. Erst vom Jahre 1658 an wiffen wir ihn wenigstens mit Sicherheit als Schriftsteller tätig. 1667 endlich ist die erste fichere Jahreszahl, die den merkwürdigen Mann in fester Stellung zeigt: als Schultheiß   zu Renchen   in bischöflich Straßburgischen Diensten.

werde."

Sie lag da und sah streng vor sich hin, und in ihren Augen spiegelte sich deutlich der Haß eines Menschen, der gegen sich selbst ein unabänderliches Vernichtungsurteil ge­sprochen hat. Ita verstand dies aber nicht und war bemüht, in ihr das gewohnte Gefühl der Ergebenheit wachzurufen. ( Fortsetzung folgt.)]

Simplicianifche Schriften.

In dieser an sich wohl wenig arbeitsreichen Stellung war er ungemein produktiv. Neben seinen prosaischen Schriften und sati rischen Gedichten zeugte er noch in zweiter Ehe eine Tochter zu den aus erster Ehe vorhandenen Söhnen. Am 17. August 1676 starb er.

Wer ein von Anfang an so bewegtes Leben führt, ist natürlich Autodidakt. Grimmelshausen   läßt seinen Simplicissimus selber von Der Roman ist bekanntlich das Epos der Neuzeit. Der Roman den Studien erzählen, die er gemacht hat, um die Lücken seiner hat sich aus der erzählenden Versdichtung des Mittelalters heraus theoretischen Bildung auszufüllen. Merkwürdig ist, daß sich dieser gebildet, was rein äußerlich sogar im wörtlichsten Sinne zutrifft, da Mann so lange hinter Pseudonymen verbarg, die er durch( neun Sie ältesten Prosaromane vielfach weiter nichts als Profaauflösungen verschiedene) Buchstabenumstellungen aus seinem Namen bildete, daß von Epen sind. Das Bedürfnis nach prosaischer Unterhaltungs- nach seinem Tode durch die Nachlässigkeit und Unaufmerksamkeit des leftüre tritt in jener Zeit auf, die wir als den Uebergang vom gelehrten und nichtgelehrten Publikums der wahre Verfasser in Mittelalter in die Neuzeit zu bezeichnen pflegen, während gleichzeitig Vergessenheit geriet, der erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts wieder der Geschmack an Versdichtungen start abnahm. Die allgemeinen entdeckt wurde. tulturellen Ursachen dieser Geschmacksveränderung sind etwa folgende.

würdiger, als seine Zeitgenossen den vielnamigen Autor genau Dieses völlige Verschollensein ist um so merk fannten, wie aus einem Lobgedicht hervorgeht, das anfängt:

" Der Grimmelshauser mag sich, wie auch beh den Alten der alt Protheus that, in mancherley Gestalten verändern, wie er will, so wird Er doch erkandt an seiner Feder hier, an seiner treuen Hand. Er schreibe, was Er will

So geht es weiter, bis es zum Schluß heißt:

Die Erfindung der Buchdruckerkunst und die von Italien   aus eingeleitete Wiedererweckung des Klassischen Altertums bewirkte eine ungeahnte Demokratisierung des Lefebedürfnisses und der Lesekunst, während im Mittelalter nicht einmal die Nitter lesen und schreiben fonnten, so daß ihnen die Literatur nur durch Vortrag zugänglich war. Woher follte aber das große Publikum das Lejematerial nehmen? Das Mittelbochdeutsche aus der Zeit um 1200 war die Sprache der höchsten literarischen Entwickelung gewesen, und diese Sprache war von der des Jahres 1500 so verschieden, wie etwa die so blickt doch flar herfür, daß Er nur Fleiß ankehr, legtere von der heutigen. Mit anderen Worten: das Publikum ver­wie Er mit Lust und Nutz den Weg zur Tugend lehr." stand diese Sprache nicht mehr, in der viele mittlerweile verschwundene Das Hauptwert Grimmelshausens ist Der abentheuerliche oder veraltete Wörter vorfamen und in der manche Laute eine ganz Simplicius Simplicissimus  ", der jetzt in einer neuen, an dieser andere Bedeutung gehabt hatten, mit deren Wechsel auch Tonfall Stelle schon kurz gekennzeichneten Ausgabe vorliegt.*) Es und Reim zerstört wurden. Ganz zu schweigen von der veränderten

"

Weltanschauung des zur Reformation an Haupt und Gliedern*) Des Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen Aben drängenden Zeitalters. Auch bermißt man in der mittelhoch- tenerlicher Simplicius Simplicissimus  . Neu an Tag geben und in deutschen   Literatur die Vorstellungswelt des Klassischen Altertums, unser Schriftdeutsch gesetzt von Engelbert Hegaur. Albert Langen  , an die man durch die Renaissance gewöhnt worden war. Anderer- München   1909.