handelt sich um eins Ausgabe vom belletristischen Standpunkt auS, bestimnit und geeignet, den ästhetischen Genuh, abseits von streng philologischer Wissenschaftlichkeit, zu ermöglichen. Dem dient vor allem auch die geschickte Modernisierung der Sprache, die niemals so weit geht, das Eigentümliche des Verfassers zu unter- drücken. Wo sich schwer verständliche Ausdrücke finden, bietet ein Verzeichnis am Schluß willkommene Erläuterungen. Dazu kommt die gute Ausstattung, die zugleich den Hauptunterschied gegen alle früheren Ausgaben ausmacht, die im besten Falle nüchtern anmuten. Es fehlt nicht an solchen Ausgaben sowohl wissenschaftlicher als populärer Prägung. Zum erstenmal erschien derSimplicissimus" 1668. Diese Ausgabe ist aber nicht erhalten. 1669 kam die zweite heraus, um ein sechstes Buch vermehrt. Es folgeu dann noch eine Reihe weiterer Ausgaben in den Jahren 16691671, die teils nur Nachdrücke, teils aber Bearbeitungen des Verfassers darstellen. Im einzelnen finden zahlreiche Abweichungen statt. In den Jahren 1683, 1681, 1683 und 1713 erschienen dann vier Gesamtausgaben. Wichtiger find hier die neuen Ausgaben, von denen die erste 1736 erschien. Es folgt ein Auszug 1779 und eine Neubearbeitung 1733. Seitdem tauchen in ununterbrochener Folge fast in jedem Jahrzehnt neue Ausgaben auf. 1790, 1810, 1822, 1836, 1848 handelt es fich mehr umErneuerungen" und dergleichen. Erst 1832 folgt eine genauere, aber nicht vollendete Ausgabe, während 1834 Adelbert v. Keller in der Bibliothek des Literarischen Vereins zu Stuttgart   und 1863 Heinrich Kurz   in der Deutschen Bibliothek gründlichere Ausgaben schufen. Ein paar weitere Ausgaben, von Lenz<bei Neclam), von Lauckhard(1876), von E.H.Meyer(1876) und von Weitbrecht(1896), sind Umarbeitungen, also mit Vorsicht zu genießen. Gut sind die Ausgaben von Tittmann(1874) und von Kögel(1886), die aber durch jene von Bobertag überholt wurden, der für die Sammlung derDeutschen National- Literatur" die maßgebende historisch- kritische Ausgabe(1883) mit umfangreichem Apparat ge- schaffen hat.*) Wer dieses schwere Geschütz scheut und dennoch eine unverkürzte Ausgabe haben will, dem ist ent- schieden die neue, Langensche zu empfehlen, die allerdings nicht die Reclamsche Billigkeit erreicht, aber dafür frei ist von derRück- ficht" aufJugend und Voll", denen man kastrierte Kunstwerke zumutet. Auf seinenSimplicissimus  " ließ Grimmelshausen   noch einige Schriften folgen, die desselben Geistes sind und darum unter dem NamenSimplicianische Schriften" zusammengefaßt werden.Kontinuationen"(Fortsetzungen) nannte sie der Autor selber. Von zweien der drei wichtigsten dieser Kontinuationen Courage, Springinsfeld, Vogelnest find kurz die Titel liegen nun ebenfalls ein paar Neuansgaben**) vor, die um so mehr zu begrüßen sind, als diese Schriften nun in den oben erwähnten, zum Teil ver- griffenen Ausgaben von Keller, Kurz, Tittmann und Bobertag ent- halten waren." Auch dasVogelnest" soll noch erscheinen. Die beiden Bändchen sind hübsch und einfach ausgestattet und bieten einen sehr stark modernisierten Text, der dadurch für mein Empfinden sogar zu sehr vom Ton des Originals abweicht. Und dieser Ton bildet doch mit den größten Reiz Grimmelshausen  ?, was Hegaur beimSimplicisstmuS" gebührend berücksichtigt hat. Freilich enthebt die Methode Arnolds den Leser jeder Mühe, der sein Ver- ständnis begegnen könnte. Unvermeidliche Altertümlichkeiten des Ausdrucks werden gleich in Klammern oder Fußnoten erklärt. Die Unterlagen zu diesen Erklärungen sind offenbar zumeist den vor- handcnen kritischen Ausgaben stillschweigend entnommen. Ob sich die Herübernahme der unechten Zutaten aus den alten Gesamtausgaben(es sind ihrer vier, nicht eine, wie Arnold mit anderen irrtümlich annimmt) rechtfertigen läßt, ist um so fraglicher, als gerade sie dem Unterhaltungszweck, für den diese Ausgaben doch bestimmt find, wenig bieten und im Gegenteil des naiven Lesers Geschmack und Urteil verwirren müssen. Wie dem auch sei, es liegt jetzt der wesentliche Teil vom Schaffen eines Dichters in Neuausgaben vor, der ans dem Gipfel de? deutschen   Parnaß im siebzehnten Jahrhundert steht. Grimmcls- hausen ist nicht nur in der Zeit zwischen der mittelhochdeutschen Blüte- Periode(wenn wir vom späteren Volkslied ansehen) und Lejfing der größte und merkwürdigste Dichter, sondern auch derjenige, der sich am lebendigsten erhalten hat oder doch die Kraft in sich trägt, zuni stärksten Leben wieder erweckt zu werden. Das ist den Eigenschaften zu danken, die diesen Bauern- jungen am meisten von seinen dichtenden Zeitgenoffen unterscheiden: seiner Unbefangenheit, die unbeirrt von Theorie und Autorität die Kunst des Sehens besitzt, und seiner unpathetischen, unsentimentalen, an den prachtvollen Zynismus Shakespearischer Gestalten erinnernden Weltauffassung. Einer Wcltauffassung, wie sie ein Kerl besitzen muß, der im Dreißigjährigen Krieg aufwächst, ohne sich unterkriegen zu lasten. Als einzigdastehendes Kulturbild der dreißiger, vierziger, fünfziger Jahre des siebzehnten Jahrhunderts befitzen die Siinpli- cianischen Schriften, noch weit über ihren ästhetischen Wert hinaus, unvergleichliche zeitgeschichtliche Bedeutung. Was die Mordbrennerei ) Später(1895) erschien noch bei Cotta eine Ausgabe._ )Johann Jakob Christoph von Grimmelshausens Simplicianische Schriften. Erster Teil:Die Landstreicherin Courage". Zweiter Teil:Der seltsame Springinsfeld". Beides herausgegeben, ein- geleitet und erläutert von' Ernst Arnold. Stuttgart  , Franckhsche Verlagshandlung. des Dreißigjährigen Krieges an Dokumenten ihrer selbst vernichtet hat, das wird durch die genial geschauten und gestalteten Bilder dieser Kriegs- und Landstreichergeschichten aufgewogen. Bester als es alle beschreibenden Werke kultur- und sittengeschichtlicher Richtung vermöchten, geben die Erlebnisse der Simplicianischen Helden den rechten Begriff von einer wüsten und rohen, aber jedenfalls nicht kleinlichen, nicht engen Zeit. Die Art, wie der Autor auf das Leben seines Simplex, d. h. auf sein eigenes zurückblickt, gemahnt in vielem an die Schilderung der Lehr- und Wanderjahre eines andern, besten Wesen und Ursprung freilich denen des Simplex ganz ent- gegengesetzt sind. Meines Wissens ist eine Nebeneinanderstellung des Simplicissimus und des Wilhelm Meister nirgends durchgeführt. Sie würde sicher auch dem älteren der beiden Romane weder als Kunst- werk noch als Zeitdokument zum Nachteil ausfallen. R. Franz. (Nachdruck vervolen.1 Graue Vorzeit und erste Gescbicbtsdaten. Vierzig Jahrhunderte blicken auf euch nieder, sagte vor der Schlacht an den Pyramiden Bonaparte zu seinem Heeresgefolge mit theatralischer Betonung. Es war eine Schätzung in Bausch und Bogen und für damaliges Wisten etwas gut gemessen. Weiter nach rückwärts schien jedenfalls nur das Tohuwabohu zu sein, und vielleicht war der Mensch doch nur so alt, wie es die phantastische JahrcSzählung der Juden haben wollte. Ueberblickt man die Ergebniste der neueren Forschung, so stellt sich heraus, daß unsere Kenntnisse von der früher lebenden Mensch- heit erstaunlich bereichert worden sind, so erstaunlich, daß die stets und immer geschäftigen Phantasten statt nur mit bescheidenen Jahr- taufenden jetzt schon mit Jahrmillionen herumjonglieren und hals­brecherische Schlüsse ziehen, vor denen gerade im Interesse einer besonnenen Betrachtung der menschlichen EntWickelung dringend ge- warnt werden muß. Als ältestes sichtbares Geschichtsdatum hat kürzlich Professor Ed. Meyer den 19. Juli des JahreS 4241 vor Christus nach- gewiesen. Es ist der Tag der Cinführung des ägyptischen Kalenders; er läßt fich auS der Wiederkehr des Sirius- aufganges in der Morgendämmerung unter der Breite von Memphis  berechnen. Eine Kalenderberechnung und-cinführung ist keine Kleinigkeit, und setzt eine beträchtliche Geistesausbildung voraus. Man darf also die EntWickelung einer solchen für den rückwärts- liegenden Zeitraum Aegyptens   ohne weiteres annehmen, nur fehlt eZ uns vorläufig an jeder festen Zeitbestimmung, die noch älter wäre. Der Bau der großen Pyramiden beginnt 2900 v. Chr., die Be- gründung des ältesten Einheitsstaates unter Menes(dessen Ziegelgrab wir noch haben, fällt um 3360 v. Chr. Weiter zurück bestehen dann zwei Reiche; im nördlichen wird der erwähnte Kalender gemacht. Bis in diese Zeit hinein reichen die ältesten Grabfunde. Wir finden da einen allmählichen Uebergang von der Stein- zur Metallzeit; man lernt Kupfer und Gold bearbeiten, während der Stein nach wie vor das maßgebende Material bleibt. Jenseits davon ist alle Berechnung unsicher, und die künstlich bearbeiteten harten Stein- scherben des sogenannten Urmenschen, nach denen man wie bei uns jetzt auch in Aegypten   gräbt, sind jedenfalls vom Jahre der Kalendereinführung durch unermeßliche, aber nicht be- rechenbare oder auch nur schätzbare Zeiträume getrennt. AuS den Darstellungen der ägyptischen Denkmäler kennen wir von 3360 v. Chr. an auch die Nachbarvölker Nubier, Libyer und Semiten, die nach Gestalt, Kleidung und Haartracht deutlich charakterisiert sind. Die ältesten Funde aus Syrien  und Palästina kommen aber nickt über 2300 v. Chr. hinaus. Die Forschung in Babylonien   ist dadurch benachteiligt, daß dort festes Sleinmaterial vor Alters selten und kostspielig war und infolgedestcn nicht allgemein für Inschriften verwendet wurde. Die älteste Dynastie in Babel kam um 2060 v. Chr. zur Herrschaft; ihr gehörte der viel erwähnte Chammurabi   an(19331916). Vor diesen Semiten bestand um 2300 v. Chr. das Reich von Sumer und Akkad; vor diesem um 2300 v. Chr. wieder das semitische Reich des Sargon   und Naramsin  . Davor wieder liegt eine sumerische Epoche, aus der wir rohe Skulpturen und Tontaseln mit Schrift haben, die etwa bis 2900 v. Chr. hinaufreichen, zu welcher Zeit also in Aegypten   schon ein hochentwickeltes StaatSlebcn vorhanden war. Aus Aegypten   kennen wir die ersten Anfänge der Schrift; aus Babylon   noch nicht. Die Völker nördlich des TaurusgebirgeS werden neuerdings, be» sonders von Prof. v. Luschan  , als eine Art eigener Rasse angesehen. Geschichtlich treten sie uns zuerst um 1760 v. Chr. entgegen, aus welcher Zeit eine babylonische Chronik vom Eindringen der Chetiter in Babylonien   berichtet. Der Einfall der Hyksos in Aegypten   hängt wahrscheinlich hiermit zusammen. Ganz neu sind die Entdeckungen von Professor Winckler in Boghazkiöi, die ergeben haben, daß sich hier die Hauptstadt deS großen ChctiterreicheS be- fand, von welchem wir aus ägyptischen Quellen schon wußten, daß es um 1300 v. Chr. ganz Kleinasien   und Nordsyrien beherrschte. Eine Menge von großen Keilschristtaseln harren hier noch der Ent» zifferung.