Dichtungen zu neuem Leben erwacht', so ist daS eine Irreführung. die man unwillig abweist. Die Unterhaltungsballaden am Schlüsse des Bandes streifen stofflich ins Seichte, erzählen geschichtliche Anekdötchen und sind durchaus ohne eigenes Erleben, das tiefer be« wegen könnte. Die Gedichte sind als wohlfeile Volksausgabe er- schienen. Wo hat da? Volk bloß nach solcher Ausgabe verlangt? ES liegt hier ein Mißbrauch des zugkräftigen Wortes vor, dem hoffentlich kein Glück beschieden ist. Kunterbunt treibt heute die epigonische Dichterei in der Lyrik ihr Wesen. Das Berliner   Moderne Verlagsbureau wirft die lyrischen Modenieure gleich dutzendweise in lilafarbenen Heften Lila ist Modefarbe auf den Markt. Man lernt in diesen Druckerzeugnissen den dichterhaft posierenden Dutzendmenschen, und oft nur in seinen schlimmen Zügen kennen. Aber nicht bloß Nachtreter der Dichter von heute bringt uns der Tag in den Weg. auch urälteste, vor einem Jahrhundert schon grabreife Herren wirken noch nach. Sogar der alte Pfeffel. Wenigstens erinnert an ihn mehr als einmal der Dr. Jac. Adolf, von dem bei Karl Honegen in Wien  Neue kleine Bilder aus dem Leben" erschienen sind. Man hat's da zu tun mit einem bravbissigen Zeitnörgler von ehedem, einem moraltüchtigen Philister altwackeren Schlags, der das schlimme Jetzt gegen das beffere Einst abwägt, bisweilen mit hanebüchen kurz- geradem Wort ans den Tisch haut, oder auch mit fidelem Augen- zwinkern hinter der Hornbrille, oder mächtig-ruhigem Baßton, der jeden Widerspruch ausschließt, klar ausspricht, was Wahrheit ist. Er »steckt Lichter an" über das Leben, Ivie er sagt, ist in Liebesdingen voll Selbstironie, sagt's also den Zeitgenossen mal tüchtig, kommt aber schließlich bei der Mahnung an: Kinder, seid zufrieden, es könnte Euch noch schlechter geh'n. Eine Weile wirkt der alte Herr ganz amufierlich, zum Beispiel mit solchem Spruch: Gegen einen alten Esel Sollst Du nie den Fuß erheben. Denn er macht sich gleich zum Löwen, Dem Du einen Tritt gegeben. Und bisweilen fällt dann auch ein so tüchtiger Span wie der: Nicht gar zuviel fragen, nicht lang sich besinnen, Am besten nichts sagen und munter beginnen. Ja, sie haben sich auf brave Worte verstanden, diese tapferen Philister von altem Schrot und Korn, denen das Bewußtsein so schön abging, wie eng fie's eigentlich in der Welt haben wollten. Ein Büchlein, das nach dem Titelblatt nicht als lyrisch, sondern als dramatisch gelten möchte, hat Leonhard Schrickel   unter dem Titel Eva im Loschwitzer Verlage, Loschwitz  -Dresden  (Preis SO Pf.) veröffentlicht. Eva, die Menschenmutter, spricht ihr Schicksal in zwanzig Monologen aus. Eva offenbart sich als erste Rebellin, sie steht auf als Wortführerin der zum Martyrium verdammten ersten Menschen, und sie macht nicht bloß Worte, sondern schreitet auch zur mächtigen Tat: sie erzieht ihr eigen Blut zum Rebellentun, wider Gott, der das erste Menschenpaar erst sündig werden ließ und dann schwer strafte. Rauh und lieblos springt Eva mit Adam um, der sie einst, als er ihrbeschaulich und verwegen" entgegentrat, im Hand- umdrehen in seinen Arm brachte und der jetzt in ihren Augen bloß eine Memme ist, weil er dem Quäler Gott   noch Dankopfer brennt und wie ein Knecht front. Eva rächt sich wild für alles Leid und Entbehren. Sie haßt Abel, weil er Gottes liebster Knecht ist und fein will, und reizt Kam zum Brudermorde auf, und sie triumphiert, daß sie d i e T a t als Menschensieg in die Welt gebracht hat. Sie schreit wuchtige Anklagen gegen Gott   heraus, Jamben des knirschenden Ingrimms, und ihre Wut hat kein Ermatten. Man vermutet solche Entwickelung zu Anfang des Gedichtes nicht. Das Buch fängt harmlos-lustig an: wie Eva von ihrer ersten Begegnung mit Adam berichtet:Ich lag im Grase längelang, weltfern und selbstvergessen." Aber der paradiesischen Liebesseligkeit folgt schnell die Rache des Herrn, und Eva knirscht: Hat alles Schöntun nichts genutzt, Ihn konnte keine Bitte rühren. Er hat uns schrecklich aufgemntzt Und hieß uns, unser Bündel schnüren. Und weiter: Er hat unS vor die Tür geschmissen Das Unausdenkliche geschah. Man lacht noch, es ist aber schon bitterer Ernst, und man liest Willig weiter. Schrickel hat'S hinter den Ohren. Zuletzt gehen Evas Deklamationen aber doch ein wenig zu wutreich in die Breite. Wir haben den künstlerisch anspruchsvollen Roman und lassen daneben den UnterhaltungSroman mit Eintagswert gelten. In aem Abstände etwa steht neben den Büchern starker lyrischer : der Inhalt dcS ziemlich umfänglichen Bandes, den Armin T. W e g n e r mit der Aufschrift Zwischen zwei Städten (Berlin  , Egon Fleische! u. Co.) erscheinen ließ. Aber lyrische Bücher. die bloß Untcrhaltungszwecke haben, werden nicht als notwendiger Besitz angesehen, und wiederum hat Armin Wcgner auch mehr als bloß unterhalten wollen. Es war ihm um die Spiegelung einer menschlichen Entwickelung zu tun. und er, nach dem Stil der Vor- rede ein noch jugendlicher Mensch, hat zn diesem Zweck eine Menge Lyrik aller Art, dithyrambische, poetische Rhetorik. Balladen, Idyllen zusammengefügt. Aber wenn er ein Zurechtfinden aus den Wirrnissen� in die heute daS äußere Leben einen Menschen stoßen kann, schildern wollte, so ist et diesem Ziele wenig nahe gekommen. Er sieht eine Menge Dinge und schreibt mit virtuoser Gewandtheit Strophen realistischen Inhalts. Aber gedichtet ist das trotz aller fließenden Versfixigkeit nicht. Es bleibt äußeres Sehen, bleibt blutlos, ist kein Schauen in den quellenden Kern des Lebens. Man spürt, daß Wegner unter dem Einfluß von Lebensbildem Liliencrons und anderer Poeten jüngerer Vergangenheit gestanden hat. Aber sie sind ihm nicht durchs Blut gegangen. Das Buch läßt überall kalt, und nicht erst in den steppenhaften Boden der ab« schließenden Gedichte sagt man sich mit Ueberzeugung: Dieser hat nicht gekämpft, wie er uns glauben machen möchte. Franz Diederich. Kleines feinlleton* Medizinisches. Eine Berufskrankheit der Bergleute. Die große Ausdehnung des Bergbaues in Deutschland   und besonders im West- fälifchen Industriegebiet, hat die genauere Untersuchung einer recht häufigen, anscheinend tuberkulösen Erkrankung des Handrückens bei den Bergleuten veranlaßt, die trotz ihres verhältnismäßig wenig bösartigen Charakters die größte Aufmerksamkeit verdient. Sanitätsrat Fabry in Dortmund   hat dies Leiden zuerst als Tuber- culoses verrucosa und dann als Tuberkulid aufgefaßt und ent- scheidet sich nunmehr in derMünchener Medizinischen Wochen­schrift" für die zweite Deutung. Die Art des Auftretens des Uebels auf der Streckseite der Finger und dem Handrücken weist mit Sicherheit auf einen Zusammenhang mit dem Beruf der Arbeiter hin. Diese Stellen sind naturgemäß unaufhörlich kleinen Ver- letzungcn durch herabbröckelnde Gesteinsstückchen ausgesetzt, die tuberkulösen Keimen eine günstige Angriffsmöglichkeit bieten. Gleichzeitig kann sich der Kohlenstaub in diesen kleinen Riffen und Schrunden leicht festsetzen. Möglicherweise erfährt übrigens gerade durch diese innige Vcrmengung der tuberkulöse Giftstoff mit dem desinfizierenden Kohlenstaub eine Abschwächung. Die Quelle der tuberkulösen Infektion ist wahrscheinlich meistens die betreffende Person selbst. Die beschwerliche und unbequeme Arbeit in den engen Gangen führt leicht dazu, daß beim Husten und Räuspern Speichel und Schleim, die tuberkulöse Keime enthalten, nicht mit dem Taschentuch, sondern einfach mit dem Handrücken entfernt werden. Im allgemeinen machten die Befallenen in keiner Weise den Eindruck von Kranken. Sie waren im Gegenteil meist gesunde und kräftige Leute, mit Ausnahme von wenigen, die gleichzeitig an Lungentuberkulose litten. Bei weiterer Ausdehnung der Krank- heit tritt allerdings Berufsunfähigkeit ein, doch ist ihr Verlauf im allgemeinen als verhältnismäßig gutartig zu bezeichnen. Ein Weitergreifcn auf Muskel- und Knochengewebe findet nicht statt. Wenn auch die Beziehungen der Erkrankung zur Tuberkulose   ganz unzweifelhafte sind, so ist ihr doch eine Sonderstellung zuzu- schreiben. Sie ist eine echte Berufs- oder Gewerbeerkrankung, die allerdings erst durch das Eindringen des Tuberkulosegiftes in die durch die Arbeit verletzten Hautpartien zum Ausbruch gelangen kann. Gerade im rheinisch-westfälischen Jndusttiebezirk zeigt sich eine besondere Neigung zu dieser Erkrankung, während aus anderen Kohlenrevieren keine entsprechenden Nachrichten vorliegen. Es wäre darum von Wichtigkeit zu ermitteln, ob auch anderwärts ähnliche Verhältnisse herrschen. Technisches. Die Zahl der Schiffe mit drahtloser Tele- graphie. In einer vomElektrotechnischen Anzeiger" veröffent- lichten Statistik wird die Zahl der gegenwärtig mit Apparaten für drahtlose Tclegraphie ausgerüsteten Schiffe auf 143 angegeben, was nicht gerade viel erscheint. Davon kommen auf die englische Handelsflotte SV Fahrzeuge, eine Zahl, die von keinem anderen Lande erreicht wird. Dagegen stehen von einzelnen Schiftahrts- gesellschaften die Hamburg-Amerika-Linie   mit 19 und der Nord­ deutsche Lloyd   mit 17 Schiffen dieser Art weitaus voran. Es folgt die Canadische Pacific-Eisenbahn-Gesellschaft, die 15 Fahrzeuge mit drahtloser Telegraphie ausgerüstet hat. Die beiden großen eng- tischen Dampferlinien Cunard und White Star   folgen erst mit 14 bczw. 12 Schiffen. Die Navigazione Generale Jtaliana hat 9, die französische   Compagnie Generale Transatlantique   7. die eng- lische Allan-Linie S, der Italienische Lloyd, die Oesterreichisch- Amerikanische Linie und die belgische Red Star Linie je 5 usw. Der Oesterrcichische Lloyd hat bisher nur ein Fahrzeug mit draht- loser Telegraphie zu verzeichnen, und steht demnach an unterster Stelle. Immerhin fehlen in der Liste viele bedeutende Reedereien, in Deutschland   z. B. alle mit Ausnahme der beiden genannten Schiffahrisgcsellschaften. Auf den nach den Vereinigten Staaten  gerichteten Linien wird wohl schon in nächster Zeit eine bedeutende Steigerung in der Verbreitung der drahtlosen Telegraphie ein- treten, da das amerikanische   Parlament voraussichtlich ein Gesetz annehmen wird, wonach jedes Schiff, das für mehr als 59 Passa- giere eingerichtet ist, falls es in amerikanischen   Häfen verkehrt. Apparate für drahtlose Telegraphie haben muß. Es scheint wohl ohnehin unausbleiblich, daß in einer nahen Zukunft jedes größere Schiff damit versehen sein wird. verantwortl. Redakteur: HanS Weber, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Vuchdruckerei u.Verl  «g»anstaltPauI Singer LcEo.. Berlin   L1V.