üSeft Kornerfressern die Samenähren des Wegerichs, die im Sommer und Herbst überall an den Feldwegen stehen, von den Exoten die in den Handlungen erhältliche Kolbenhirse. Lehrreich und unterhaltend ist die Vogelzucht im Zimmer. Die Ncinzucht heimischer Singvögel ist sehr schwierig und nur in Vogelstuben oder groszen Flugbauern möglich, leichter ist es da- gegen, in einfachen Heckkäfigen Männchen heimischer Körner- fresser, namentlich von Stieglitz , Hänfling und Zeisig, mit Kana- rienweibchen zu kreuzen. Die so erzielten, oft schön gefärbten Bastarde sind unfruchtbar. Fremdländische Körnerfresser sind meist leicht zu züchten, auch im Winter, so die Mövchen, ein nicht wild- lebender, sondern von den Japanern gezüchteter Stubenvogel, Zebra-, Band-, Schmetterlings-, Tigerfinken u. a. Durch Massen- nnporte sind diese Vögel im Preise so gesunken, daß mit ihrer früher lohnenden Zucht heute nichts mehr verdient werden kann. Lohnend ist nur noch die Zucht edler Kanarien. Die Zuchtvögel müssen aus gutem Stamme sein, und zur Anlernung der mann- lichen Nachkommen mutz ein teurer, tadelloser Vorschläger beschafft werden. Mit Stümpern, sogenannten Jappern, deren Haupt- strophe japp, japp lautet, kann man keine Ehre einlegen und kein Geld verdienen. Der Kanarienhahn ist ein Schwerenöter, er lebt in Vielehe. Zuerst gibt man ihm ein Weibchen, das, mag es schön und nett sein oder nicht, seine Lieblingsfrau wird und bleibt. Ihr hilft er beim Nestbau, bei der Brut und Aufzucht. Brütet sie, so setzt man das zweite Weibchen ein, nach dessen Brutbeginn das dritte und die— Triole ist fertigt Das zweite und dritte Weib sind die— Neben frauen, von denen schon im alten Testa- ment— natürlich nicht in bezug'auf Vögel— die Rede ist. Diesen Nebenfrauen, den Hofdamen, werden von„ihm" nur jene sützen Liebesdienste geleistet, die sie befähigen, befruchtete Eier zu legen, alles übrige haben sie selbst zu besorgen. Wenn Prietzke will und nicht alls schon besser weitz, werde ich zur rechten Zeit über Ein- richtung und Zflege der Vogelhecke berichten. Hd. Kleines feuilleton. Kunst. Ludwig Knaus , der heute(am V. Okt.) seinen 80. Geburtstag begeht, gehörte in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren zu den bevorzugten Lieblingsmalcrn des deutschen Bürgerpubli» kums. Er war in Wiesbaden als Sohn eines wohlhabenden Mechanikers geboren und auf der Düsseldorfer Kunstakademie in der damals üblichen Weise ausgebildet worden. Seine wichtigsten Lehrjahre aber brachte er in Paris zu, wo er sich 1852—1860 aufhielt. Dann lebte er abwechselnd in Wiesbaden , Berlin und Düsseldorf , um 1874 als Leiter eines akademischen Meisterateliers definitiv nach Berlin überzusiedeln. Knaus ist einer der be- kanntesten Vertreter jener jetzt glücklich überwundenen„Genre- malcrei", an der sich das Herz des Spietzers erfreute, zu einer Zeit, wo man von bildenden Künsten nichts verstand und auch kein eigentliches Bedürfnis danach hatte. Damals mutzten literarische Qualitäten, die jedermann mit seinem Verstände begreifen und würdigen konnte, die künstlerischen, malerischen und zeichnerischen Werte ersetzen. Die Genremaler, die dem Publikum gefallen wollten, mutzten vor allem geistreiche Köpfe sein, die die Kunst des Fabulierens verstanden und in ihren Bildern kleine, selbst- erfundene, rührende oder erheiternde Geschichten, Anekdoten und Lustspielszenen amüsant vorzutragen verstanden. Nicht die Sinne und die Phantasie, die wenig kultiviert waren, sondern der Intellekt, den das damalige Blütczeitalter der exakten Wissen- schaften vornehmlich pflegte und bildete, sollte beschäftigt werden. Knaus verfügte in hohem Matze über alle Eigenschaften, die zu einem derartigen Kunstbetriebe notwendig waren. Er besatz Witz und Esprit, wutzte die oberflächlichen, jedem in die Augen fallenden Erscheinungen an Menschen und Dingen scharf und leicht ver- ständlich zu charakterisieren und hatte sich durch das Studium der alten, namentlich der holländischen Meister genug künstlerische Kultur angeeignet, um nie ordinär und banal zu werden. Den Mangel an unbefangener Beobachtung und wirklicher Lebens- frische, die oft allzu aufdringliche und geschwätzige Deutlichkeit, die alles sagt und der selbsttätigen Phantasie des Beschauers keinen Spielraum lätzt, das gekünstelte und geklügelte Arrangement seiner Genreszencn, das immer allzu absichtlich auf die effektvolle anek- dotische Pointe hinarbeitet— diese und andere Grundübel seiner Kunst kamen dem Publikum jener Zeit nicht zum Bewutztsein. Schon in jungen Jahren, während seines Pariser Aufenthalts, wurde Knaus ein berühmter und gefeierter Maler. Er erhielt die zweite goldene Medaille des Salons und das Kreuz der Ehren- legwn und eines seiner Bilder wurde— eine seltene Auszeichnung für einen deutschen Maler— für das Luxemburg -Museum an- kekauft. Auch in Deutschland wurde er bald allgemein geschätzt. Seine Bauern-, Kinder-, Schacherjuden- und Schusterjungenbilder kannte und liebte jedermann; die„Goldene Hochzeit", die für einen «normen Preis nach Amerika verkauft wurde, die„Taufe", das „Kinderfest"(in der Berliner Nationalgalerie) u. a. hingen in Kupferstich - oder Lichtdruckreproduktion in der guten Stube des deutsches Bürgerhauses, und auch als Porträtist(„Mommsen" und „Helmholtz" in der Nationalgalerie) genoß et ein hohe» Ansehen. Als dann mit Beginn der neunziger Jahre ein frischerer Wind durch das deutsche Kunstleben zu wehen begann, wurde mit vielen anderen auch Ludwig Knaus zum alten Eisen geworfen. Aber man mutz es zu seiner Ehre sagen, datz er in die veränderte Situation sich mit Würde zu schicken gemutzt hat. Dank seiner Intelligenz und seiner künstlerischen Bildung begriff er sofort Sinn, Ziel und Bedeutung der modernen Kunstströmung, und als vornehmer Mann, der er ist, hat er den siegreichen Jungen, die ihn aus dem Sattel warfen, stets volle Gerechtigkeit widerfahren lassen. Mit den Anton Werner und Genossen, zu denen sogar der alte Menzel zuweilen sich gesellte, hat Knaus nie gemeinsame Sache gemacht. Ja, er versuchte sogar, freilich ohne Erfolg, sich selber die Errungenschaften der neuen Kunst anzueignen. Das im Jahre 1900 vollendete Gemälde„Der Reigen"(ideale Mädchengestalten am Meeresufer darstellend), mit dem er diesen Versuch machte, ist das letzte Werk gewesen, das er öffentlich ausgestellt hat. Der siebzigjährige, noch in vielen Kreisen geschätzte und gefeierte Künstler erklärte damals mit vornehmer Offenheit, datz er als Maler resigniert habe und der jungen Generation das Feld räume. J. S. Sprachwissenschaftliches. M it jemand deutsch reden. Deutsch und deutlich ge- hören ihrer Ableitung, also auch ihrem Begriffe nach zusammen. Deutsch bedeutet ursprünglich die Sprache(denn von dieser er» scheint das Wort im 9. Jahrhundert zuerst gebraucht) des oft- fränkischen Volkes(diot— Volk, davon diutisk, tiutsch, deutsch ) im Gegensatz zum Latein, der Sprache der Kirche, der Geistlichen und Gelehrten, und damit auch im Gegensatze zu der der Westfranken (der späteren Franzosen), die sich aus der lateinischen entwickelt hatte und demzufolge auch als die höherstehende, feinere galt: kurzum die(niedere) Volkssprache. Der deutschredcnde Ostfranke, den man nun bald nach seiner Sprache den Deutschen nannte, verstand den romanischen westlichen Nachbar nicht. Die Predigt soll in Ostfranken nicht in lateinischer, sondern in deutscher Sprache gehalten werden, befahl Karl der Große , und in den Stratzburger Eiden vom Jahre 842 leistet der westfränkische Herrscher Karl der Kahle seinen Eid in deutscher Sprache, damit das, was er schwört, dem östlichen Volk da drüben verständlich, dem Inhalt nach deutlich sei. Leider zeigt sich nun schon in sehr früher Zeit die Neigung des Deutschen , das Fremde, das weit her war, höher zu schätzen als das Eigene, was„nicht weit her" war. Natürlich geschah das auch mit der Sprache. Fremde, romanische Worte drangen in die ursprünglich reine„Volkssprache". Höherstehende glaubten feiner zu erscheinen in ihrer Ausdrucksweise, wenn sie für gewisse, in der Heimsprache etwas derb klingende Bezeichnungen die des Westens einsetzten. Und ist es nicht noch heute so? Dem Volke im allgemeinen waren die fremden Ausdrücke naturgemäß zunächst unverständlich; wer ihm gegenüber deutlich werden wollte, mutzte (und mutz noch heute) deutsch reden. So erhielt denn der Aus- druck„mit jemand deutsch reden" den Sinn von„deutlich reden". Er hat ihn noch heute, und auch der Ncbensinn fehlt nicht, der den deutschen Ausdruck unfeiner, derber erscheinen lätzt als den fremden. Deutlich und derb sind die beiden Begriffe, die wir heute für das„Deutschreden" einsetzen können. Von den zahlreichen Belegstellen nur wenige. In dem Fastnachtspicle von Contz Zwergen(15. Jahrh.) heißt es:„Du weißt es wohl, wenn ich dirs ja Deutsch sagen soll", und in Brants Narrenschiff(1494):„Ich sag dir tütsch, wie ich das mein." Ja, das Spiel des HanS Sachs vom Bösen Weib kennt sogar eine Steigerung davon:„Wilt, das ichs teutscher(deutlicher) sagen sol?" meint die Magd ihrer Frau gegenüber. Wenn endlich Lcssing im Jungen Gelehrten(II 2) sagt:„er ist deutsch genug, mir gerade ins Gesicht zu sagen...", so ist hier der Uebergang von der Sprache auf den Sprechenden vollzogen, wie wir ihn noch heute in der Bezeichnung haben: ein alter Deutscher, d. h. in seinen Ausdrücken deutschdeutlicher, freilich auch unverkennbar etwas derber Mann. Beachtenswert ist der Unterschied in der Rechtschreibung; es heißt: er spricht gut Deutsch (Hauptwort); aber: mit dem müßte einmal deutsch (Umstandswort) gesprochen werden.— Nebenbei: Wie der Germane sein„Deutsch reden", so hatte der Römer(Cicero, Phil. 7, 17) sein ,.I.stine loqui", lateinisch reden, ebenfalls im Sinne von„deutlich reden". Naturwissenschaftliches. Die Flimmerbewegung im Tierreich spielt als eine besondere Art der Fortbewegung keine geringe Rolle. Manche Zellen besitzen an ihrer Oberfläche oder an einem Teil davon feine, ziemlich lange Haare oder Wimpern, die bei besonderen Anlässen in eine unaufhörliche schwingende Bewegung geraten. Diese Vewc- gung hat man die Flimmerbewegung genannt, die mancherlei Zwecken zu dienen hat. Nur ein einziges Flimmerhaar besitzen die männlichen Samenzellen, die sich dessen gerade wie eines Nuders bedienen. Mit Hilfe schlagender, pendelnder Bewegungen gelangt das Samenfädchen in der Flüssigkeit der weiblichen Ge- schlechtsorgane an das Ei und bohrt sich seinen Weg in dessen Innern. Viele einzellige Lebewesen sind mit einem Kranz von Flimmerhaaren an ihrer Oberfläche bedeckt, die Wimperinfusorien oder Ziltaten, und benutzen diese sowohl zu ihrer eigenen Fortbe- wegung gerade wie die menschlichen Samenzellen, die man wegen dieser Fähigkeit der aktiven Fortbewegung auch.Samentierchen"
Ausgabe
26 (5.10.1909) 193
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten