„We leicht Sie?" Damit nickte er einem mit hochrotem Geficht verlegen dastchenden Rekruten zu. „Herr Leutnant, ich heiße Bindeske." buchstabierte ein Rekrut her. „Sie sind Wohl ein bißchen schwach im Schädel?" „Ich weiß nicht." „Sie Wissens nicht? Jedenfalls sehen Sie ziemlich be- schränkt aus." Amüsiert kircherten die an der Tür stehenden Unter- offiziere in sich hinein. „Schmeckt Ihnen denn das Essen hier, Bindeske?" „Jawohl. Herr Leutnant I" „Werden Sie auch satt?"- „Jawohl, Herr Leutnant!" Wenn Sie nicht genug haben, brauchen Sie's mir nur zu sagen.— Sie scheinen ein bißchen dumm zu sein, aber sonst ein ganz braver Kerl." Die Stunde verging, ohne daß es zu der eigentlichen Instruktion gekommen wäre. Auf dem Kasernenhof folgte der erste Exerzierdienst. Am Nachmittag war Aufstellung vor dem vom Urlaub zurückgekehrten Hauptmann. In zwei Reihen, mit einem Schritt Abstand, mußten sich die Rekruten auf dem Exerzier- Platz aufstellen. Der Hauptniann ritt von einem zum andern und stellte die den Rekruten schon zum Ueberdruß bekannten Fragen. Volter merkte es manchem Rekruten an. wie ver- legen sie der durchdringende Blick des Hauptmanns machte, sobald dieser vor ihnen stand. Eine stattliche Figur, der Hauptmann. Sein wohl- geformtes Gesicht hatte einen lebenslustigen Ausdruck. Sein blonder Schnurrbart war sorgfältig nach den Seiten ge- strichen. Das Haupthaar an den Schläfen war ein wenig angegraut, was sein Gesicht noch männlicher erscheinen ließ. Wenn er mit seinen Rekruten sprach, nahmen seine Augen einen Respekt einflößenden Ausdruck an, wodurch manch harmloser Rekryt befangen wurde. �*' tFortsetzung folgt.) (Nachdruck verdoten.Z ßrunftzcit. ',, Von Dr. ErnstSchrade r/)s Herbststimmungl Durchsichtiger ist die Atmosphäre als sonst. Die silbernen Fäden des Altweibersommers schweben durch die Luft oder wehen wie lange weiße Wimpel vom Top hoher Halme, die dürr und gelb emporstarren über den fahlen Wiesen- grund, wo summende Bienen aus den pfirsichblütsarbenen Sekt- kelchcn der Herbstzeitlosen Spätsommers letzte Süßigkeit schlürfen. — Und nun hebe den Blick zu den waldgekrönten Buckeln der Berge, die das Tal deiner Wanderung umfassen! Dunkelgrün noch stehen die Fichten, erhaben über den Wechsel der Jahreszeiten; aber die Ahornbäume und Birken, die ihre Kronen am Saume des Forstes entfalten, leuchten weithin im Schmucke ihres rein gelben Laubes; und die flechtenbedeckten Stämme der Eberesche, die an den Seiten der Landstraße Spalier stehen, haben in bren- nendcs Rot ihr gefiedertes Blätterwerk getaucht. Alle Nuancen der unendlichen Stufenfolge von Purpur bis Orange hat die Natur auf ihrer Palette ausgebreitet und mit farbensattem Pinsel ein Gemälde geschaffen von überwältigender Wirkung. Wohl klingt noch durch den Tann das trauliche„irr pink pink pink, irr pink pink pink" des Buchfinken, und die Tannenmeisen rufen einander ihr„tüitititi, tüitititi" zu; aber vorbei ist es mit den„tausend Stimmen aus dem Gesträuch", und der Jubelchor von Sängern, der im Frühling seine Lieder durch den maien- grünen Wald schmetterte, ist verstummt. Doch auch die herbstliche Landschaft hat ihre besonderen Stimmen. Nicht meinen wir das kreischende„Näh ", das der Eichelhäher ausstößt, wenn er umher- fliegt, Eicheln und Bucheckern zu ernten. Erst in den Stunden des Spätnachmittages und dann die ganze Nacht hindurch bis zum neuen Sonnenaufgang hallen jene Laute, die den anderen Jahres- zciten fremd sind, weithin über Berg und Tal mit machtvoller Klangfülle— das„Röhren" des Edelhirsches. Hirschbrunst nennen wir die Zeit, wo der König unserer Wälder Hochzeit hält und mit herausforderndem Brüllen den Gegner zum Kampfe lädt. Auf dem rasigen Boden einer Lichtung hat er sich einen„Brunstplan" angelegt, mit den Klauen der Vorderbeine und Mit den Augensprossen des Geweihes das Erd - reich aufscharrend. Von Ende August bis tief in den Oktober hinein ") Wir entnehmen diese Betrachtungen dem vortrefflichen Büchlein:„Aus dem Liebesleben der Tier e", biologische Betrachtungen über die Begattung im Tierreich von Dr. Ernst Schräder, das im Verlag der Franckhschen Verlagshandlung in Stuttgart erschienen ist(Preis brosch. 1,4» M.). hält er hier mit Vorliebe sich auf; und dankt ist sie vorüber, R« Zeit höchster Leidenschaft. Gestillt ist die zuerst scheinbar unersätt»! liche Begierde, Herr einer möglichst großen Schar von Weibchen zui sein— besonders kapitale Hirsche decken gelegentlich bis zwanzig Kühe—, und ausgetobt haben die hitzigen Gefechte der Neben? buhler. �> Die Erscheinung, daß das Liebesleben auf einen ganz be? stimmten Abschnitt des Jahres von verhältnismäßig geringem Umfang beschränkt ist, daß also eine sogenannte„Brunftzeit " odev „Brunstzeit " sich ausgebildet hat, findet sich fast bei allen höhereni Tieren, soweit sie nicht— wie viele Haustiere— dem direkten Ein« fluffe der Naturgewalten entzogen sind. �• Bei der Mehrzahl der Säugetiere, die unter einem Klima Hausen, das periodischen Wechsel einer lebenbegünstigenden und einer lebensfeindlichen Jahreszeit zeigt, und die nicht in einer unterirdischen Wochcnstube geschützt und verborgen ihre Jungen zur Welt bringen, erscheint es notwendig, daß die Geburt der Nach? kommenschaft zu einem Zeitpunkt stattfindet, an welchem zunächst die Witterung einen hinreichend milden Charakter angenommer» hat, so daß Kälte oder anderweitige Ungunst die Existenz der noch so zarten Kleinen nicht allzustark mehr bedrohen. Des weiteren wird es wünschenswert sein, daß auch das Pflanzenkleid der Erde sowie das Tierleben bereits hinlänglich entfaltet ist, um dem Muttertier, das zur Bereitung der den Jungen darzureichenden! Milch seinem Körper nährende Stoffe in größerer Menge zu? führen muß, die nötige Kost bieten zu können. Und wenn dann die heranwachsenden Säugetierkinder in ihrer EntWickelung soweit vorwärts gekommen sind, daß sie— der Mutterbruft entwöhnt— selbständig auf Nahrungserwerb auszugehen imstande find, so muß auch dieser hochbedeutungsvolle Schritt unternommen werden inner» halb eines Jahresabfchnittes, wo Wald und Flur noch nicht verödet! und entvölkert daliegen unter dem harten Joch lebenzerstörender Witterungsfaktoren. Und welche Periode des Jahres erfüllt hier in unseren gemäßigten Breiten alle die drei soeben aufgezählten! Bedingungen wohl glänzender als der Frühling oder der Sommer! Dabei genießen die Tierbabys, die bei ihrer Geburt von lauer Lenzesluft umflutet werden, noch den weiteren wertvollen Vorteil, daß ihnen bis zum Herbste eine ausreichende Spanne Zeit zur Verfügung steht, während der sie Widerstandskraft zur Genüge gewinnen können gegen den Angriff des eisgepanzerten Winters, Wenn aber— und die vorstehenden Erörterungen dürsten eine überzeugende Sprache zugunsten einer solchen Auffassung reden— die Rücksicht auf Ernährung und Schutz der jugendlichen Nachkommenschaft es erfordert, daß bei vielen Säugetierarten die Stunde der Entbindung in eine ganz bestimmte Jahreszeit fallen muß. so ergibt sich, da auch die Periode der Schwangerschast bei jeder Spezies eine bestimmte Anzahl von Monaten umfaßt, mit zwingender Notwendigkeit, daß die Zeit der Begattung, die Brunst, sich ebenfalls beschränken muh auf eine Reihe ein für allemal festliegender Kalenderwochen. Für die Lage dieses Zeitabschnittes mit ausschlaggebend ist endlich als vierter Faktor der Ernährungs» zustand des Männchens. Auf der Höhe vollster Kraftentfaltung muß es stehen, um den Stürmen zerrüttender Leidenschast und den Anforderungen häufig sich wiederholender gewaltiger geschlechtlicher Exzesse gewachsen zu sein., Und hiermit haben wir eine biologische Erklärung dafür ge? Wonnen, warum nur über der herbstlichen Landschaft zauberischer Pracht der hallende Schrei des brünstigen Edelhirsches die Luft erzittern läßt. Etwa im September werden die Hirschkühe gedeckt; und während deS Winters wächst dann in' ihrem Leibe die Frucht allmählich heran, ernährt von den Vorratsstoffen des mütterlichen Körpers, die in der kräuterreichen Sommerszeit aufgestapelt wur» den. Ungefähr vierzig Wochen währt die Periode der Schwanger» schaft; und also erst gegen Ende Mai des kommenden Jahres wird das Junge— meist ist es nur eins, seltener zwei oder sogar drei— am Grunde eines waldigen Versteckes, das die kreisende Mutter, vom Rudel sich absondernd, zur einsamen Wochenstube er» kor, ans Licht der Welt gebracht. Und jetzt ist just die Zeit, wo auf der Waldwiese die saftigsten Kräuter sprießen, als treffliche Kost für die säugende Hirschkuh. Und wenn dann, Wochen darauf, die jungen Kälber selbständig zu äsen beginnen, so steht ihnen allent- halben reichliche Speise zur Verfügung. So nehmen sie zu an Größe und Kraft, und die rauhen Stürme des Herbstes finden sie gewappnet gegen jegliche Unbilden.— Besonders merkwürdig gestalten sich die hier zur Erörterung gestellten Verhältnisse bei manchen unserer heimischen Fleder- mausarten. Daß diese mit Unrecht so verabscheuten Geschöpfe im Herbste zur Begattung schreiten, kann uns zunächst nicht wunder» bar erscheinen; denn um diese Zeit stehen sie, nachdem sie den ganzen Sommer hindurch eifrigst der Jnsektenjagd obgelegen, in einem vortrefflichen Ernährungszustand, und ihr Embonpoint hat das Maximum seiner EntWickelung erreicht. Aeuherst seltsam aber ist es. daß der in den Körper des Weibchens eingeflößte Samen, ohne daß es zu irgendeinem Befruchtungsprozesse kommt, ruhig in der Gebärmutter(Uterus) liegen bleibt; ein höchst eigenartiges Verhalten, das aber alsbald seine Erklärung findet, wenn wir in Rechnung ziehen, daß die Fledermäuse in einen ungemein tiefen Winterschlaf verfallen, während dessen sie alle Vorratsstoffe ihres Leibes zusammenhalten müssen, um nur das bloße Leben als solches über die rauhe Jahreszeit hinüberzuretten. Daß während dieser Epoche äußerster Not die Weibchen nicht imstande sein können, auch noch für einen oder mehrere in ihrer Gebärmutter heranwachsende
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26 (6.10.1909) 194
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