Wnerzen. M BTetße lieber hier. Ich gu'cks dann ein tvenig dem Mietzschke zu, wie der sich anstrengt." „Da hast Du recht!" rief Mietzschke.„Bei mir kannst Du lernen, was Putzen heißt. Guck Dir mal meine Koppel an. Wie das blitzt!" Damit hielt er sie triumphierend an den Lampenschein, daß es spiegelte. „Das wissen wir schon lange," entgegnete Beck, daß Du weiter nichts machst als Deine Klamotten putzen. Du willst es ja bloß bei den Spinnern raushaben. Deshalb müssen wir nur schwitzen, damit wir neben Dir nicht abstechen. Der Unteroffizier sagt da immer:„Seht Euch dem Mietzschke seinen Anzug an! Wie das alles blinkt!" Wir sind nicht solche Kriecher wie Du! Wir pfeifen was auf so ein Lob von einem Tressenritter, weißt Du! Und kapitulieren wollen wir auch nicht!" „Wer hat Dir denn gesagt, daß ich kapitulieren will?" rief Mietzschke. „Na, das merkt man doch an allem, was Du machst." „Gib Du nur obacht, daß Du nicht noch ins Loch kommst mit Deinen Reden. Das soll nur mal ein Unteroffizier hören!" „Was ist da weiter dabei? In zwei Jahren geht's doch heim! Aber wer dableibt, das möchte ich dg�n sehen." Bolter war jetzt auch fertig mit dem Herrichten seines Anzugs und ordnete die Sachen in seinem Spind. „Du hast doch meine geputzten Stiefel umgeworfen!" rief ihm Mietzschke zu.„Nimm Dich nächstesmal in acht! Du Dreckkafferl" „Wer sagt Dir, daß ich ste umgeworfen habe?" erwiderte Bolter.„Wenn Du so etwas behauptest, überzeuge Dich erst, ob es wahr ist. Und Dein Dreckkasfer bin ich nicht! Merk Dir das!" „Halt's Maul! Du Lackel! Du bist's gewesen!'.' „Wenn Du nicht ein paar Ohrfeigen haben willst, be- nimm Dich mir gegenüber anständig!" rief Bolter erzürnt. „Bon Dir doch nicht etwa?!" Damit stand Mietzschke auf und ging mit drohender Gebärde auf Bolter zu. „Bon wem sonst?" rief dieser. «Paß uff, wenn ich Dir die Backzähne einschlage! Du Tintentagelöhner!" „Wenn Du nicht bald Ruh' gibst, kriegst Du eins ab!" „Fang doch an, Du Schlappschwanz!" Plötzlich berührte er mit seiner geballten Faust Bolters Kinn. Dieser hatte ihm blitzschnell mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Durch diesen Schlag, der laut klatschte, daß alle in der Stube auflachten, wurde Mietzschke in Wut gebracht, und, einen Fluch hcrvorpressend, ging er Bolter zu Leibe. Den übrigen Rekruten der Stube machte diese Hauerei Vergnügen, und neugierig umringten sie die zwei, gespannt, wer der unterliegende Teil sein würde. lFortsetzung folgt.) (Nachdru» vervoten.) 81 Die Toaka. Von Otto Alscher . (Schluß.) Die Sehnsucht brannte noch immer in seiner Brust, als der Mond gekommen war und es still im Tale wurde, fie half ihm über die Mauer hinweg. Und er stand mit klopfendem Herzen und zitternden Gliedern vor dem schimmernden Brett, das hell fich vom dunklen Gartcngrund abbob. Aber er wagte eS kaum zu berühren. fröstelte voll Scheu und Aengstlichkeit und brauchte lange, bis er mit zärtlicher Hand das bleichende Holz streichelte. Er suchte und fand dann die beiden Hammer. Von dem Aste deS Baumes nahm er sie herab, und fie fielen ihm fast aus den Händen, so sehr zitterten seine Finger. Und da er mit ihnen das Brett berührte, erschrak er über den kurzen, scharfen Ton. den das Holz schwang. Doch er faßte fich und wieder schlug der Hammer sanft auf, der Schall aber sprang voll und weich zurück. Erst zaghaft und nur leise, dann immer lauter bebte die Toaka unter feinen Händen. Da aber der Rausch über ihn kam. die jauchzende Trunkenheit seiner Seele, sang auch die Toaka immer lauter, voller und mächtiger, bis die Nacht wach wurde unter ihrem Schall. Und mit den Tönen rauschte ihm die Zeit bin, sein ganzes Sein schwang sich auf, zog mit den Lauten, die herrschend über dem Dorfe lagen, in dem er nicht» war, als der armselige Teil einer verachteten, feindselig geduldeten Raste, deren irres Schmarotzer« dasein stolz übersehen wurde und nur dann galt, wenn man es be- fehden wollte.... Die Mutter des Rumänenburschen kam, sah erstaunt deS Zi- geuners Tun, schlug ihn. jagte ihn davon und keifte noch lange in daS nächtliche Zeltlager hinüber. Ein Tag verging mrd ein zweiter. Und an diesen beiden Tagen dachte der kleine Anrus nichts als:.Bin ich ein Dieb, daß man mich schlagen und schelten darf?" Sein Heller Kinderfinn war dunkel geworden und in besten trübem Schein zuckte es immer wieder wie ein greller- Blitz auf, der mit haßheller Lohe dorthin schoß, wo man ihm wehe getan. Der ganze Trotz seiner Raste bäumte sich in dem Knaben auf, wenn er daran dachte, daß man ihn Dieb genannt und geschlagen hatte. Ihn, der nach nichts als nach einem winzigen Teilchen ihrer Freude dürstete. Ihn, der empfinden wollte, was auch sie als schön und herrlich empfanden. Der sich an ihre Seite gesellen wollte, wenn sie der Strahl des Glückes beschien. ... Das sagte er sich wohl nicht, aber sein gekränkter Kinder« stolz blutete so in ihm, der noch das echte Feingesühl des Kindes für Recht und Unrecht hatte, welches die Erwachsenen längst auf ihrem Wege durchs Dasein verloren hatten, auf jenem scharfen» unebenen Grat, zwischen Gut und Böse, wo es kein sicheres Schreiten, nur ein stetes Hinüber- und Herüberpendeln nach beiden Seiten gibt, um das Gleichgewicht zu wahren. Ein Sonntag war gekommen, und die Rumänen tanzten. Da trieben sich die Zigcuncrkinder in der Menge umher, hinter den Wirtshaustischen und beim Lcbzeltstand. Oder fie glotzten nn- beweglich die geputzten Dorstchönen an. deren bunt ausgenähte Aermel, die perlenbestickten Gürtel und die silberschnürigen Fransen- schürzen. Da konnten sie staunen, und wenn im Reigenwirbel ihnen eine Schöne zu nahe kam, haschten sie zärtlich nach den flatternden Schnüren der Opreg, um fie für einen Augenblick, ach für einen Augenblick nur zwischen den Fingern zu fühlen. Doch gleich darauf drückte fich der lahme Jlia mit einem Stock vorsichtig um die Tanzenden herum, an die Zigeuner heran und trieb die Ueberraschten mit Schlägen und«cheltworten davon. Nicht lange aber währte es, und die Zigeuner schlichen von einer anderen Seite herbei. Und fie wurden nur übermütiger, je öfter sie der Krumme verjagte, wurden boshaft, verknöpften die Fransen der Dorfschönen untereinander, rissen ihnen die Spitzen herab, nur um den Verfolger zu ärgern. AnruS hockte mit Meila bergzu über den Tanzenden und schaute hinab. Und imnier, wenn er sah. wie man die Kameraden verjagte. wurde sein Blick trübe und er sagte zu Meila:.Sie stehlen nicht und doch schlägt man fie." Meila aber, dessen Augen in dem verstümmelten Gesicht doppelt unglücklich schienen, klagte:»Sie schlagen uns, weil wir fie nicht schlagen können. Wir sind nicht Diebe, aber weil wir arm find, sagen sie es, um uns schlagen zu können." Plötzlich fragte AnruS:„Hast Du schon gestohlen?' Meila schrak zusammen, schaute scheu um sich und seine Stimme wurde zum zaghaften Flüstern:„Einmal, da fand ich im Staube auf der Straße ein Messer, ein feines, schönes Messer. DaS nahm ich zu mir." „Das ist nicht gestohlen", entschied der Aeltere. Und wieder flüsterte Meila:„Aber ein andermal, da spielten die Kinder der Gaishi mit Kreuzern, die fie an eine Wand warfen, damit sie zurücksprängen und einen anderen Kreuzer träfen, der auf der Erde lag. Und ein Kreuzer sprang weit weg. bis in den Graben zwischen das GraS. Den fanden ste nicht. Ich aber hatte mir die Stelle gemerkt und holte ihn später." Anrus schüttelte nachdenklich den Kopf:„Auch das ist nicht ge- stöhlen: bist Du aber schon einmal in einen Hof gestiegen, hast Du ein Huhn geholt, eine Axt oder anderes?" „Nein," flüsterte Meila fast erschrocken. Und da der andere keine Frage mehr stellte, forschte nun er:»Hast Du das schon getan?" „Kein, ich will den GauShis nichts nehmen, denn dann hätten fie ein Recht, mich zu schlagen; ich will nicht, daß fie mich schlagen." „Haben sie Dich noch nie geschlagen?" wunderte fich der Kleine. Doch Anrus gab keine Antwort, preßte die Lippen zusammen und machte ein ttotzigcS Gesicht, so daß seine Züge alt und bitter wurden. Plötzlich erhob er fich.„Gehen wir fort l Was brauchen wir zuzusehen, wie fie tanzen. Für uns machen sie keine Musik; nicht unsere Burschen und Mädchen tanzen." Widerwillig nur folgte ihm Meila, fich oft umwendend und zögernd.... Doch als der Tag müde wurde, tollten die Kinder zwischen den Zelten umher. In jedem der raucherfüllten, braungebeizten gelte blatte ein Feuer, dessen Schein mit dem Abend stieg, und um das die Zigeuner saßen mit eintönigen, dämmerschweren Reden. Die Kinder aber tollten weiter. ES war, als müßten sie von dem verküntmernden Tag noch ihr letztes bißchen Freude haschen, als verkörperten sie des TageS Jauchzen, mit dem er der Nacht in die Arme sank. Ernst und gemessen aber nahm die Nacht dieses Jauchzen hin. Auch auf die Kinder sentte fich mählich ihr Ernst und gleich dem schattenden Flügel der Dämmerung glitten auch ihre Seelen ins Schweigen. Zu zweien, dreien saßen sie vor den Zelten und sprachen in die Finsternis hinein. Bald klang auch nur mehr hie und da ein halblautes Wort auf und nur fernes Hundegebell skandierte die Stille. Da sangen die Kinder leise ihr Schlummer- '„Me de baska dodo«jlana, me la rornne jonme kaua.. l.Mst und Stroh die Stätte war, wo die Mutter nnch gebar..
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26 (9.10.1909) 197
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