-Pch an alls. Ich Hab scho dreiundsechzig Tag abg'niacht, so- lang ich beim Kommiß bin. Dr'ham nit ane halbe Stund . Hier bam se mirs Spinne beigebracht." Machen Sie, daß S-e rauskommen!" befahl Unter- offizier Beier, aus seinem Verschlag kommend. Sie haben hier nichts zu suchen!" Ich wollt bloß mei Kollegen Adjö sagen, Herr Unter- offizier." Sie können gleich mit ihm losgehen! Sind Wohl lange Zeit nicht drin gewesen? Was?" Erscht vor verz'n Tag! Herr Unteroffizier." Machen Sie, daß Sie rauskommen! Sie altes krummes Luder, Sie!" Damit drängte er ihn zur Tür hinaus und folgte ihm nach. Kennst Du den Lückelt genauer, Beck?" fragte ihn Wolter. Das ist doch fast der einzige, mit dem ich hier Verkehre," iantwortcte Beck kleinlaut. Warum ist denn der soviel bestraft? Er schießt und exerziert doch ganz gut." Wie er Rekrut war, da hat ihn mal der Leutnant ge- fragt, warum er immer so traurig ist. Und da hat er dem sein Leid geklagt daß er kein Geld hat und seine Eltern so arm sind, daß sie ihm nichts schicken können. Der Leutnant hat ihm da eine Mark geschenkt. Vor lauter Freude hat er die versoffen und das hat der Leutnant wieder ersahren. Von da ab fiel er immer auf beim Exerzieren beim Appell bis er in Arrest kam. Und wie er erst ein paar- mal im Arrest war, wurde er immer leichtsinniger und gleich- gültiger bis ers mit allen Vorgesetzten verdorben hatte." Wie hoch war denn seine letzte Strafe?" Drei Wochen strenger Arrest! Weißt Tu, Volter, ich habe bloß Angst um ihn, wenn er wieder frei ist vom Militär. Der hat sich an die Strafen schon so gewöhnt, daß sie ihm gar nichts Schreckliches mehr sind. Und dann solls draußen im Zivilgefängnis viel leichter zu ertragen sein als hier. Wenn er nur dann keine dummen Streiche macht." Und ist er wirklich als Zivilist nicht vorbestraft?" fragte Volter weiter. Ich sage Dir, mit keiner Stunde! Nicht mal mit Geld- strafen. Ich Hab ja mit ihm draußen zusammengearbeitet." Na, laß Dir das nur nicht so zu Herzen gehen, daß Du sitzen mußt, Beck." Darauf war ich gefaßt. Das wird auch nicht die letzte Strafe sein." Wo ist der Kerl!" rief Sergeant Schneider im Dienst- anzug zur Tür herein.Sind Sie bald fertig?" Jawohl!" rief Beck. Na los! Machen Sie schnell! Ich will mich nicht Jhret- wegen den ganzen Sonntag mit dem Helm herumdrücken." Leb wohl, Beck!" rief ihm Volter nach. Auf Wiedcrsehn!" Am ersten Osterfeicrtag wurde Voltcr auf Wache kom- rnandiert die erste seiner Dienstzeit. Aus allen Kompag- nien des Regiments war die Garnisonwache zusammengestellt. Die elfte Kompagnie hatte vier Mann dazu kommandieren »Nüssen. Volter, mit einem Gefreiten und zwei Mann anderer Kompagnien, niußte ein vor der Stadt einsam gelegenes Pulvermagazin bewachen. Die Obliegenheiten während des Wachtdienftes waren in den Jnstruktionsstunden so oft theo- retisch durchgekaut, daß sie Volter fast wie etwas Alltägliches erschienen. Seine Wachtgcnossen waren ihm völlig fremd. Bis zur Stunde hatte er sie noch nie gesehen. Einer von ihnen nahm seine ganz besondere Aufmerksamkeit in Anspruch. Seine Gesichtszüge verrieten eine bessere Herkunft. Er schien etwas älter zu sein als die anderen Gemeinen, die er bisher fast Wie in der Wachtstubc alle abgelegt hatten, konnte ihn Volter erst richtig betrachten. Seine hellen Augen blickten ungemein wehmütig. Seine hohe breite Stirn verlief nach oben in den spärlich bewachsenen Scheitel. Der andere Teil des Gesichts wollte nicht zu der Stirn und den Augen passen. Die Züge um den Mund verliehen dem gesamten Antlitz etwas Undefinierbares, etwas Fremdes, was dem Beob- achter kein Urteil zuließ. Sein Anzug war nicht so proper, wie zum Wachtdienst eigentlich üblich war. Seine Hose der fünften Garnitur schien eher eine der sechsten zu sein. Die ganze Bekleidung verriet etwas Saloppes und Nachlässiges. sFortsetzung folgt.) Staatsanwalt Hbendrot. Von R. Franz. Ich habe einen gewissen Respelt vor Staatsanwalt Abendrot. Wenn seine mächtige rote Nase und die Backe mit dem riefigen Schmitz imHesfischen Hof" auftauchen, und wenn er zu Ernst sagt: «Ein Rundstück warm und ein Marienthaler I" so liegt darin eine Selbstverständlichkeit und Logik, die keinen Widerspruch dulden. Assessor Willbräucke, der jetzt längst Amtsrichter irgendwo im Osten ist, war da ganz anders. Schon dah er zu lange Beine hatte, gab ihm etwas Unbestimmtes. Würdeloses, trotz seiner märchenhasten Körperlänge. Er sprach im Lokal außerdem so leise, daß er seine Bestellung oft zwei- oder dreimal wiederholen mutzte. Denn Ernst ist schon alt, sieht wenig und hört fast gar nichts, so daß neue und unerhörte Bestellungen, die über Rund- stück warm, St. Julien oder Marienthaler hinausgehen. in der Regel bei ihm versagen. Die Gäste wissen das und richten sich rücksichtsvoll danach, indem sie seltenere Speisen und Getränke selber im Vorbeigehen am Büfett bestellen, wenn sie mal wohin müssen. Auch Staatsanwalt Abendrot übt diese Rücksicht. Aber er tut es in seiner unerbittlich logischen und streng sachlichen Weise, die nichts von einer Rücksichtnahme spüren lätzt, obwohl er in später Abendstunde mit dem Büfettfräulein ohne Spur von Pedanterie zu plaudern weiß. Aber nicht imHessischen Hos" war eS, wo ich Staatsanwalt Abendrots eiserne Logik und unerschütterliche Ruhe zuerst und am meisten bewundern lernte. Das war vielmehr am Schauplatz seiner eigentlichen Tättgkeit, im Gerichtssaal. In jenem Sommer hatten sich im Warenhause der Stadt die Diebstähle erschreckend gehäuft. Schließlich richtete Herr Heymann eine scharfe Kontrolle ein hinter dicken Portieren lauerten schlanke Herren im Gehrock, bereit, auf die Täter loszustürzen, und das Re- sultat war denn auch, daß am dritten Tage gleich zwei Diebinnen gefaßt wurden. Die eine war die Frau eines Weichenstellers, die in der Lcbensmittelabteilung erwischt wurde als sie zwei Stücke Camembertkäse in ihre Markttasche schob. Der Käse stand zwar am äußersten Ende des Raumes in einer finsteren Ecke, aber wer da geglaubt hatte, hier ungestört arbeiten zu dürfen, hatte eben die Portiere vergessen, die da hinten zur Toilette führte. Die andere Verbrecherin hatte sich anfänglich für eine Rentnersftau Gleiser, geborene Ahlemann, ausgegeben. Das war ihr Verhängnis. Hätte sie gleich gesagt, sie sei die Baronin Holzapfel, so würde Herr Heymann sie zweifellos mit einer Verbeugung aus dem Kontor geleitet und ihrem Gatten die Rechnung über die mit» genommenen Spitzen ganz ergebenst zugesandt haben. Aber der Betrugsversuch hatte seinen Zorn erweckt. Er prallte zwar ein wenig zurück, als die von ihm schärfer befragte angebliche Rentners- frau sich in Gegenwart des Kommissars alS� Baronin ent­puppte, aber er beschloß doch, sei es in einer zornigen Wallung. sei es aus Gerechtigkeitsgefühl, gegen alle beiden Diebinnen vor- zugehen. So kam es, daß Staatsanwalt Abendrot Anklage erheben mutzte. gegen die Ehefrau Emilie des Weichenstellers Dantzenrot, geborene Eigner, und gegen die Ehefrau Martha des Majors a. D. Baron v. Holzapfel, geborene Freiin v. Trempler. Staatsanwalt Abendrot war durch alle Fragen seiner Bekannten zu keiner Auskunft über den Gang der Sache zu bewegen, die begreiflicher- weise in der ganzen Stadt großes Aufsehen erregte und imHessischen Hof" acht Tage lang das Haupt- thema bildete. Herr Heymann hatte zwar privatim nichts verlauten lassen, und die meisten Blätter wollten die Sache glatt unterdrücken, wozu eS deshöflichen Ersuchens" von Rechtsanwalt Kölz, dem Vertreter des Majors, gar nicht bedurft hätte. Aber da war ein Klatschblatt, das sich mit Begeisterung auf die Sache stürzte und, trotzdem es die beteiligten Personen außer der Weichen­stellersfrau nur mit den Anfangsbuchstaben nannte, doch so deutlich wurde, daß jedermann Bescheid wußte. Obendrein hatte auch das sozialdemokratische Organ die sämtlichen Personen mit vollem Namen, Titel usw. an die Oeffentlichkeit gezcrrt. Beigefügt waren ein paar Hiebe gegen das Junkertuin, eine spöttische Frage an die Staatsanwaltschaft und ein statistischer Artikel über die jämmerlichen Besoldungsverbältuisse der Eisenbahn» unterbcamten. Als Staatsanwalt Abendrot am Stanim- tisch die Nummer hingehalten bekam, sah er flüchtig hinein, machte eine abwehrende Handbewegung und rief:«Ernst, noch ein Marien- thaler!" Dann sprach er von den Stadtverordnetenwahlcn, die nächster Tage stattfinden sollten. Beide Verhandlungen waren an demselben Tag angesetzt worden. Ob zufällig oder ob mit Absicht war schwer zu sagen; jedenfalls vermutete man dahinter die Bosheit einer maßgebenden Per- sönlichkeit, mit der die Holzapfels sich fett jeher nicht zu stellen ge- wüßt hatten. Die Beweisaufnahme gestaltete sich in beiden Fällen sehr ein- fach. Die Angeklagten waren geständig. Angesichts der Tatsache. daß Herr Heymann sie in üsgranti ertappt hatte, blieb ihnen ja auch gar nichts anderes übrig. So weit lag die Sache ganz normal und beftiedigend. Aber die Richter blickten ernst und sorgenvoll drein: es galt, die Miene unbestechlichster Objektivität zu zeigen. Mochte der Verteidiger der Baronin, Rechtsanwalt Kölz, die tollsten Sprünge machen, es sollte sie nicht beirren in ihrer Auffassung der Sachlage. Medizinalrat Hacks Gutachten erwarteten sie mit