819— FamMengefW fturfibrmtg alle Verhältnisse. DaS Volk stand den Machthaber!? gegenüber wie das Kind den Eltern, eS war zum Oe- horsam verpflichtet, selbst wenn die Machthaber sich vergingen. Die Macht des Königs, des Adels, der Geistlichkeit hatte einen patriarchalischen Anstrich: sie waren die Eltern, die nur vor Gott verantwortlich waren. Freilich ist eS eine Pflicht der Eltern, die Kinder auch zu lieben. Die Liebe ist indesien ein sehr feines und flüchtiges Ding, praktisch äußerte sie sich am ehesten in der Beobachtung des biblischen Gebotes: Wer seinen Sohn lieb hat. züchtigt ihn. Nach der Lehre vom Gesellschaftsvertrag wurde der Staat nicht mehr im Sinne einer großen Familie aufgefaßt. Er wurde nun als Vereinigung vieler einzelnen Personen betrachtet, und Liese Per- sonen standen einander als Parwer in einem Vertrauensverhältnis gegenüber, alle mit den gleichen Rechten ausgerüstet. Man blickte zu der Obrigkeit nicht mehr wie zu einem gestrengen Vater hinauf, alle waren gleichberechtigte freie Männer; der Obrigkeit war ihre Macht vom Volk übertragen, und sie hatte über ihren Gebrauch Rechenschaft abzulegen. Wenn sie mit ihrer Macht Mißbrauch trieb, sah man darin keine vorauSbestimmte höhere Heimsuchung, sondern eine Kränkung seines Rechts.� Damit gelangte man bald zu der Schlußfolgerung, daß eine Obrigkeit ihrer Macht zu berauben sei, wenn sie den rechten Gebrauch nicht davon zu machen wisse. (Fortsetzung folgt.) pearys frühere JVordpol- Bxpeditionen.*) " Seit 1891 bildet Nordgrönland das Forschungsgebiet des Nord- amerikaners R. E. Peary. der dieses mit unermüdlicher Ausdauer auf neun Expeditionen durchstreifte. Ihm verdankt man— eine bedeutsame geographische Leistung, die unter unsäglichen Schwierig- keiten errungen werden mußte— die Entdeckung Nordgrönlands und damit die nördliche Begrenzung des Binneneises, sowie den sicheren Nachweis der Jnselnatur Grönlands , daS bei 83 Grad 39 Minuten nördlicher Breite endet und durch einen Archipel noch ein Stück gegen den Pol hin fortgesetzt wird. Endlich ist Pearv auf der amerikanischen Seite des Polargebietes bis 87 Grad 6 Minuten vorgedrungen, hatte also unter allen Polarforschern die höchste nördliche Breite erreicht. War ihm auch auf den früheren Reisen trotz aller Bemühungen die Gewinnung seines eigentlichen Zieles, deS Poles und damit der Hauptzweck seiner mit bewun- dernswerter Zähigkeit und körperlicher Leistungsfähigkeit durch- geführten Unternehmungen nicht gelungen, so sind doch diese Reisen für die Wissenschaft nicht nutzlos gewesen. Denn an ihnen und an den notwendigen Verproviantierungsfahrten nahmen zahl- reiche amerikanische Gelehrte teil, die sich unterwegs aussetzen ließen und bis zu ihrer Wiederabholung an verschiedenen Stellen des Smithsundes geographische und naturwissenschaftliche Einzel- Untersuchungen anstellten. Auf seiner ersten Reise gelangte Peary ungehindert bis in die Melvillebai, wo das Eis die Weiterfahrt so hemmte, daß man zur Bewältigung von 160 Kilometer drei Wochen brauchte und entgegen dem ursprünglichen Plan schon in der M'Cormickbucht auf Prudhoeland überwintern mußte. Im Frühling 1892 trat Peary seine große Schlittenfahrt an. Begleitet von dem Norweger E. Astrup und drei anderen Gefährten kreuzte er den Humboldtgletscher und die Speisungsbccken mehrerer anderer gewaltiger Eisströme und folgte dann der allmählich nach Ost und Südost umbiegenden Küste bis zu einer tief einschneidenden Bucht, die er, weil er sie am 4. Juli, dem Tag der Unabhängigkeitserklä- rung, erreichte, Jndependence-Bai nannte. Auf dieser Reise konnte das Aufhören des im Rückgang begriffenen Inlandeises festgestellt werden. Auf dem schneefreien Boden gab es Blumen, Moschus- ochsen und Insekten in Fülle. Dann wanderte Peary auf einem südlicheren Wege über das 1299 bis 2S99 Meter hohe Binneneis zu seinem Ausgangspunkt zurück, von wo ihn das mittlerweile eingetroffene Expeditionsschiff in die Heimat brachte. Leider fand kurz vor der Abfahrt der Meteorolog der Expedition den Tod. indem er wahrscheinlich in eine Gletscherspalte stürzte. Im übrigen war die Reise, auf der im ganzen 2499 Kilometer zu Schlitten zurück- gelegt wurden, in jeder Beziehung zufriedenstellend verlaufen, und Pearys Leistungen verdienen um so größere Anerkennung, als er gleich zu Anfang das Unglück hatte, das rechte Bein dicht hinter Nun, da eS dem kühnen Nordamerikaner R. E. Peary nach dielen Mühen gelungen ist. den Nordpol zu erreichen, wird es besonders interessant sein, aus berufener Feder eine Darstellung der früheren Versuche des Forschers zu erhalten und auch einen Ueberblick über die Kämpfe aller anderen bedeutenden Nordpol - forscher um das heißumworbene Ziel zu gewinnen; dies bietet �das in zweiter Auflage erschienene 38. Bändchen der Sammlung wissen- schaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen„Aus Natur und Geisteswelt":„Die Polarforschung", Geschichte der Eni- deckungsreisen zum Nord- und Südpol von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, von K. Hassert(Preis geh. 1 M., geb. 1,25 M.. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin ), dem die obigen Ausführungen entnommen sind. dem Knie zu brechen. Doch nahm die Heilung einen unerKartet raschen und guten Verlaus. Der günstige Ausgang seines ersten Unternehmens veranlasste Peary 1893 sofort zu einer neuen Forschungsreise nach Nordgrön» land und der sich nördlich davon ausbreitenden Jnselflur. Dies» mal aber mußte er sich der arktischen Natur beugen, denn die Ex- pedition scheiterte wegen der mangelnden Ausrüstung, der klima- tischen Unbilden und der Erkrankung der meisten Mitglieder fast vollständig. Es scheint auch, daß die so mancher amerikanischen Expedition verhängnisvoll gewordene Uneinigkeit der Teilnehmer einen Teil der Schuld an dem Mißlingen trug. Wiederum be- giertet von seiner mutigen Frau, die ihm im Winterquartier der Bowdoinbai eine Tochter gebar, trat Peary seine zweite Reise an. Nach der Ueberwinterung brach er mit 8 Leuten, 12 Schlitten und 92 Hunden zur Jndependence-Bai auf, wurde aber durch furchtbare Schneestürme und grimmige Kälte zur Umkehr genötigt, nachdem er kaum ein Viertel des 1892 so leicht bezwungenen Weges zurück- gelegt hatte. Da es auch unmöglich war, die auf dem Inlandeis errichteten Lebensmittel- und Feuerungsmaterialdepots unter den überlagernden Schneemassen wieder aufzufinden, so mußten die Schlittenfahrer, nachdem sie 66 Hunde durch Frost und Hunger der- loren hatten, mit Zurücklassung mehrerer Schlitten nach drei- monatlicher Abwesenheit ins Standquartier zurückkehren. Das wichtigste Ergebnis und ein wirklich wissenschaftlicher Gewinn war die vierwöchige Schlittenfahrt E. Astrups nach der wegen ihrer gewaltigen Eismassen sehr schwer zugänglichen und deshalb wenig bekannten Nordküste der Milvillebai. Auf dieser Strecke mündet das Inlandeis in einer fast ununterbrochenen Reihe von Gletschern aus, so daß auf die 219 Kilometer lange Uferlinie nicht weniger als 159 Kilometer Gletscherzungen entfallen. Während die meisten Mitglieder der Expedition nach Hause zurückfuhren, entschloß sich Peary mit nur zwei Genossen zu einer zweiten Ueberwinterung und zu einem erneuten Vorstoß nach Osten. Wohl glückte es ihm diesmal(1895), unter großen Eni» behrungen die Jndependence-Bai zu erreichen; aber die Verhält» nisse waren wiederum so ungünstig, daß sie die genauere Erfor- schung der Ostküste vereitelten. Nach 25tägigem mühseligen Rück- marsch kamen die drei kühnen Reisenden völlig entkräftet irr Bowdoinbai wieder an. Von 49 Hunden brachten sie nur einen, von rhren Schlitten gar keinen zurück. Trotz unglaublicher An- strengungcn hatte Peary bei seinem zweijährigen Aufenthalt nicht viel erreicht und traf mit unbefriedigenden Ergebnissen in den Vereinigten Staaten wieder ein. Die beiden nächsten Expeditionen hatten den Hauptzweck, einen 899 Zentner schweren Meteorstein, von dem schon John Roß be- richtete, vom Kap Jork heimzubringen. Da die Schrauben des Hebelwerkes brachen, nachdem der riesige Meteorit bereits bis ans Ufer geschafft worden war, so erfolgte der Abtransport erst auf der zweiten Reise, die zugleich zur Vorbereitung für einen neuen» auf fünf Jahre berechneten Vorstoß zum Pol dienen sollte. Im Juli 1898 verließ Peary auf dem Jacksonschen Ex- peditionsdampfer„Windward", den der englische Mäcen der Polarforschung, Harnsworth, zur Verfügung gestellt hatte, die. Heimat, mußte aber schon an der Ostküste von Grinncll-Land Halt machen. Nahe am Lande fror das Schiff ein und verbrachte einen sturmstillen, schneearmen Winter, worauf Peary mit seinen Eskimos und seinem schon auf mehreren Expeditionen bewährten schwarzen Diener Matt Henson ausgedehnte Schlittenreisen durch Grinnell- und Grantland bis in Greelys altes Standquartier unternahm. Auf dieser Reise widerfuhr ihm ein schweres Miß- geschick. Während eines furchtbaren Schneesturmes verlor er den Weg, irrte zwei Tage lang umher und erfror sich dabei die Füße, so daß ihm sieben Zehen abgenommen werden mußten. Aber trotzdem der unerschütterliche Mann kaum gehen konnte, gab er seine Absichten keineswegs auf, überwinterte zum zweiten Male am Foulkefjord, Hayes' altem Winterlager, und wagte dann, ziem- lich wieder hergestellt, mit Matt Henson und fünf Eskimos eine neue Schlittenreise. Auf günstiger Fahrt folgte er dem nord- östlichen Verlauf der grönländischere Westküste, und als sie bei 83 Grad 39 Minuten plötzlich und entschieden nach Südost in der Richtung auf die Jndependence-Bai umbog, war es nicht mehr zweifelhaft, daß er die Nordspitze der gewaltigen Insel erreicht hatte. Doch schlug er zunächst den Weg zum Pol ein und gelangte bis 83 Grad 59 Minuten, also noch ein Stück über Lockwoods Punkt hinaus, bis daS vielfach gebrochene Packeis und zahlreiche offene Wasserstreifen das Weitervordringen unmöglich machten. Nunmehr hielt sich Peary längs der Nordküste Grönlands bis in Sicht der Jndependence-Bai, wanderte wiederum längs der Nord- küste nach Grantland zurück und schlug in Fort Conger daS Winterquartier auf. Neue Vorstöße zum Pol blieben 1991 ergebnislos und brachten ihn nur 19 Tagereisen über Fort Conger hinaus, weil sich Menschen und Tiere den Anstrengungen nicht gewachsen zeigten. Da Peary aber noch eine letzte Fahrt zum Pol versuchen wollte, so brach er im Frühjahr 1992 zum Kap Hella, der Nordspitze von Grantland, auf, um von hier mit Mach Henson. vier Eskimos und sechs Schlitten den Vorstoß zu wagen. Nach sechs Marschtagen über tief verschneite, hoch aufgetürmte Eisfelder traf man auf offenes Wasser und in Bewegung befinde ches Eis. Je weiter die unerschrockenen Männer mit Aufbietung aller Kräfte vordrangen. um so kleiner, aber um so höher wurden die Eismassen und um
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26 (21.10.1909) 205
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