«ahlreicher und breiter die Kanäle. Als schließlich unter 84 Grad S7 Minuten die Hunde nicht mehr zu gebrauchen waren, muhte der Weitermarsch aufgegeben werden. Durch die offenen Wasser- (flächen war man von der Nordrichtung so beträchtlich nach Westen abgelenkt worden, dah der Umkehrpunkt, von dem aus nirgends Land zu erblicken war. nordwestlich vom Kap Hekla lag. Der Rückzug gestaltete sich durch die Zunahme offener Stellen und durch häufige Nebel noch anstrengender und gefährlicher als der Vormarsch. Am 29. April 1992 war Kap Hekla wieder erreicht. Am 8. August kam dieWindward" am Smithsund an und ver- lieh ihn noch an demselben Tage mit der ganzen Expedition. Obwohl sich Pearh vier Jahre hindurch vergebens bemüht (hatte, den Pol zu erreichen, entmutigte ihn diese Enttäuschung |{o wenig, dah er im Sommer 1995 auf dem eigens für seine Zwecke (erbauten DampferRoosevelt " eine neue Expedition antrat. Bei günstigen Eisverhältnisssn gelangte das mit besonders starken Maschinen ausgestattete Schiff ungehindert bis zur Nordküste Grantlands, wo das Winterquartier aufgeschlagen wurde. Nach- dem mehrere Hilfszüge zur Errichtung von Proviantniederlagen vorausgesandt waren, begann Peary selbst im Februar 1996, wiederum mit Matt Henson, die Schlittenreise zum Pol. Sehr bald wurde er jedoch durch offenes Wasser und eine starke Ost- ftrömung aufgehalten und zu zeitraubenden Umwegen gezwungen. Ein Sprung, der das Eis unabsehbar weit nach Osten und Westen durchsetzte, konnte nach sechstägigem, unfreiwilligem Warten nur dadurch gezwungen werden, dah man sich über eine Gruppe von Jungeis"wagte, die unter dem Gewicht der Ueberschreitenden hin- und herschwankte. Wenige Tage später brach ein schwerer Sturm «us, der Pearh und seine Begleiter 79 englische Meilen weit nach Osten trieb. Hierbei wurde die Breite von 87 Grad 6 Minuten gewonnen und damit Kapitän Cagni um 33 Minuten geschlagen. Nunmehr war es aber höchste Zeit zur Umkehr, da der sechs- tägige Sturm durch die Zertrümmerung des Eises die Nahrungs- mitteldepots vernichtet und die Verbindung mit den Hilfskolonnen abgeschnitten hatte, so dah es unmöglich war, die noch fehlenden 322 Kilometer bis zum Pol zurückzulegen. Ständig nach Osten weiter treibend, kam man in ununterbrochenem Ringen gegen offenes Wasser und gegen den vom Winde aufgewirbelten scharfen Schnee, der die Reisenden wie mit Nadeln stach, endlich in Nord- grönland an. Acht Hunde waren bereits verzehrt worden, und die kleine Schar befand sich in bedrängter Lage, als einige Moschus- ochsen willkommene Nahrung lieferten. Die beiden Unter- stützungSabteilungen hatte der Sturm ebenfalls nacfi Nordgrönland verschlagen. Eine von ihnen wurde bloh durch oas rechtzeitige Eintreffen Pearhs gerettet. Die Leute waren vom Hunger schon jso mitgenommen, dah sie nur noch wie Skelette in ihren Kleidern steckten. Längs der Küste ging eS nunmehr zum Schiff zurück. daS «rst nach 116tägiger Abwesenheit wieder betreten wurde. Nach einer Woche Erholung unternahm Peary eine Schlitten- (fahrt längs des Nordrandes von Grantland nach Westen, wobei mnweit des 199. Längengrades neues Land, ein Teil des amerika - mischen Polar-Archipels, gesichtet wurde. Darauf fuhren die Reisenden auf demselben Wege zumRoosevelt " zurück, der unter ßinaufhörlichen Kämpfen mit Eis und widrigen Winden die Heim- sghrt antrat._ Kleines feuUleton. Literarisches. Fischers Bibliothek zeitgenössischer Romane. Unter diesem Titel hat der bekannte Verlag von S. Fischer, Berlin , seit Oktober vorigen Jahres ein Unternehmen eröffnet, dem jeden- falls ein groher Erfolg beschieden sein wird. Jeden Monat erscheint ein Band in gutem, klarem Druck und tadelloser Ausinachung, der broschiert 89 Pf., geschmackvoll gebunden eine Mark kostet. Bis jetzt sind zwölf Romane erster Autoren des In- und Auslandes erschienen. .LÄdeltera" von Altmeister Theodor Fontane eröffnet den Reigen. Mit gesundem Realismus, nüchtern, zuweilen ,nit einem kleinen Stich ins Spießbürgerliche rollt Fontane das Mißgeschick einer ungleichen Ehe auf. Aus Berliner Boden und rundum spielt auch Gabriele ReutersLiselotte von Reckling". Er führt aus landadeligen Familien in das reichshauptstädtische Settenwesen hinein. Ein Graf und ehemaliger Offizier steht im Mittelpunkt der figurenreichen lebensvollen Hand- lung als Religionserneuerer. Man könnte an Egidh und an die selig verkrachteFreie Gemeinschaft" in Friedrichshagen denken. DieS sektiererische Treiben ist mit Humor geschildert. Das Ende vom Lied ist doch schliehlich, daß der Religionsstifter heiratet, mit anderen Weibern sehr bedenklich flirtet, von einer Kirke entführt wird, da? Religionsstiften auch in Amerika versucht und reumütig zurückkehrt. Versöhnt scheiden die Eheleute von einander, d. h. er geht wiederübern'n großen Teich" zurück. In diesem Roman, wie inBeate und Marcile" deS Deutsch -LivländcrS E. v. Keyfer- l i n g treten übrigens zwei Frauen auf, die denBrettern, die die Welt" bedeuten, angehörten oder noch angehören. Die lieber- «instimmung beider Autoren in der Ansicht von der Liederlichkeit und Leichtfertigkeit der Theaterdamen könnte den Anschein erwecken, alS ob der Einzelfall zur typischen Allgemeinheit erhoben werden sollte. Keyserling zumal kann doch nicht verleugnen, daß er in einer gräflichen Haut steckt. Die Geburtsaristokratie er schildert sie übrigens mit Kennerblick hat ihren eigenen Moralkodex, ihre Standrsehre und Gepflogenheiten, kurz, vor allem, was bürgerlich ist, ihr Besonderes voraus. Ohne philosophische Theorien und Stilisierung scheint Jakoli Schaffner inDer Erlhöferin" nicht auskommen zu können. Der Autor ist wohl ein Schweizer und so gibt er einen heimatlichen Bauernroman. Der Bauer hat aus dem Ledigenstand mit einer Dirn einen Jungen. Davon wußte natürlich die reicheErlhöferin" nichts, als sie ihn heiratete. Nach einiger Zeit sucht das Mädel auf dem Erlhof einen Dienstplatz. Hierbei erkennt sie in dem Bauern den Vater ihres Jungen. ES kommt zu einer BekennungSszene. Die Bäuerin erträgt das Borgefallene, nimmt die Magd mitsamt dem Knaben auf, ist aber von Stunde an mit ihrem Manne seelisch fertig. Da sie auch einen Jungen hat, so wachsen die beiden Halb« brüder heran, gehen beide aufs Gymnasium, von da zur Universität. Der künftige Erbe des ErlhofeS wird Offizier, sein Stiefbruder schlägt die Gelehrtenlaufbahn ein. Wegen eines Mädchens Guts« befitzerStochter geraten sie in Konflikt. Einer fordert den anderen zum Duell, in dem der Offizier erschossen wird. Schaffner greift also zu einem vulgären Mittel, um Konflikte zu löten. Ob dasmodern" ist? Dann die Erlhöferin: wie ist die stilisiert I Das Weib spricht tieffinnig gelehrt wie ein Buch. Wollte Schaffner einen harten weiblichen Bauerntypus schildern, so hätte er nur ein bißchen fleißiger bei Ludwig Anzengruber studieren müssen. an dessenLedige Hosbäuerin" übrigens dieser Roman stark er- innert. Sonst hat er gute Qualitäten, die auf ein Talent hin- weisen, das sich gewiß zur Selbständigkeit erheben wird. Die nord« ländischen Schriftsteller sind doch ganz andere Kerle. Da istEine Ehe " von Jonas L i e. Das Werk erscheint neu in Deutschland . Es wird die Lesergemeinde des Verstorbenen zweifellos vergrößern. Hermann Bang , der auch den Lieschen Roman mit einer enthusiastisch geschriebenen Einleitung versehen hat, steuert sein Erst« lingswerk bei, womit er seinen Ruf in der dänischen Heimat be» gründet hat,Hoffnungslose Geschleckter" könnte man fast ein cpisckes Seitenstück zu JbsenSGespenster" nennen. DaS Proölem der Vererbung wird hier aufgerollt und meisterhast durchgeführt. An poetischem Stimmungsgehalt wird er indes weit übertroffen durchThora " von Gustaf af Geijerstam . Das ist ein Pracht« werk dichterkünstlerischer Gestaltung. Ich habe auS der ersten JahreSserie nur einige Romane heraus» gegriffen, um an ihnen die stoffliche Reichhaltigkeit und künstlerische Vielheit zu bezeichnen, die für die Zusammenstellung dieser Wohl einziggearteten Romanbibliothek enlscheioend ist. Nur Charlotte K n o e ck e l S EntwickelungSgeschichte der Lehrerin Maria Bauman», die aus einer tapferen Mitstreiterin im sozialen Kampfe zur Ab» trünnigen wird durch die Liebe zu einem Fabrikanten-Herrenmenschen und schließlich durch Selbstmord die inneren Konflikte löst, scheint nicht in diesen Rahmen zu passen. Stofflich weist sie arge Mißgriffe auf und auch künstlerisch ist dieser verfehlte Roma» keineswegs auf der Höhe. Wenn das Unternehmen im selben Geiste fortschreitet, so wird eS jedenfalls Werke vereinigen, denen hoher literarischer Wert zukommt.£. K Meteorologisches. Der brave kalte Sommer. ES gibt manche allgemeine unwiderlegliche Erfahrungen, die in vollem Widerspruch zu den Grundregeln der Natur zu stehen scheinen. Niemand wird doch an der Richtigkeit des alten und oft in dichterischer Sprache ausgeschmückten Satzes zweifeln, daß die Sonne mit ihren: Licht und ihrer Wärme das belebende und erhaltende Prinzip der Erde sei. Nun ist eS aber eine durch Beobachtung in viele» Ländern gesicherte Tatsache, daß während de? diesjährigen kalten Sommers die Aerzte und Toten- gräber erheblich weniger zu tun bekommen haben, als in Sommern mit norinalen Wänneverhältnissen. Die mittlere Temperatur der Luft ist in der Hälfte der Tage der drei Sommer« monate erheblich niedriger gewesen als die langjährige Durchschnittswärme dieser Jahreszeit, und seit fast fünfzig Jahren ist überhaupt etwas Sehnliches kaum beobachtet worden. Es ist nun wohl kaum anders möglich, als diesen außergewöhnlichen Umstand mit der auffallend geringen Sterblichkeit des diesjährigen Sommers in Zusammenhang zu bringen. Für diese Verhältnisse, die in ganz Mitteleuropa zu beobachten gewesen sind, bringt derLancet" jetzt grundlegende Angaben, die sich auf England beziehen. Dort hat in 79 der größten Städte während der drei Sommermonate die Sterblichkeit noch nicht einmal 12 auf je 1999 Einwohner bettagen, die niedrigste Ziffer, die überhaupt bisher jemals zur Verzeichnung gelangt ist. Man sollte nun meinen, daß dies günstige Ergebnis vorzugsweise einer Verringerung der Säuglings- sterblichkeit zuzuschreiben wäre, die im Sommer durch das Eintreten von gefährlichem Durchfall zu steigen pflegt. DaS ist aber gar nicht einmal überall der Fall. Wenigstens in England sind gerade die Sterblichkeitsziffern für die mehr oder ganz erwachsenen Lebensalter auffällig gesunken. Jede Verminderung der Sterblichkeitsziffer gibt zu neuen Hoffnungen Anlaß, daß die Medizin und Gesundheitspflege noch immer weiter zur Verminderung der Sterblichkeit und zur Erhöbung des Lebensalters beitragen werde. Mag auch der soviel verlästerte Sommer 1999 besonders lebenSerhaltend gewesen sein, so hat doch die menschliche Wissenschaft ein großes Verdienst daran, daß so niedrige Sterblichkeitsziffern überhaupt möglich waren. verantw. Redakteur: Emil Kager, Grunewald. Druck u. Verlag: Vorwärt« Buchdruckerei u. Berlagsanstalt Paul Singer StSo.. Berlin S W.