.Dialektische©efcllfcBafl* aufgetan. Im Programm hieb es, die bürgerliche Gesellschaft sei im allgemeinen noch nickt so fortgeschritten, daß sie dem Einzelnen gestatte, ehrliche und wohlüberlegre Anschauungen auszusprechen, ohne daß er irgend- wie sozialen Schaden davontrüge. Dem solle die Gesellschaft in weitestem Maße abhelfen. Die Mitglieder bestanden aus den an- gesehensten Leuten des öffentlichen Lebens; Vorsitzender war der be- kannte Forscher John Lubbock . Die Gesellschaft existierte noch gar nicht lange, als einmal auch der Spiritismus aufs Tapet kam. Man tat sofort, was in der Frage einzig zu tun war, und wählte ein Komitee zur objektiven Prüfung der Sache. Nach anderthalb Jahren erstattete das Komitee seinen Bericht, der indessen der Gesellschaft als ein solcher Kuddelmuddel von Widersprüchen er- schien, daß sie seine offizielle Drucklegung verweigerte, worauf das Komitee den stattlichen Oktavband in eigener Verantwortung herausgab. Das Resümee lautet kurz: ES können Töne sowie Bewegungen von Körpern ohne sichtbare Ursache entstehen, allerdings nur bei Anwesenheit gewisser geeigneter Personen, �cimlich der Medien. Das Resultat dieser langen Arbeit war also sehr dürstig und brachte nichts als die Bestätigung der alltäglichsten Er- fahrung. Getrübt wird es noch weiter durch den Umstand, dast eine Anzahl Komiteemitglieder, und nicht die unbedeutendsten, sich dem Guiachten nicht anschlössen, vielmehr abweichend Sonderreserate ab- gaben, in denen von Hysterie. Betrug und Leichtgläubigkeit die Rede ist. Es wäre nun verkehrt, die Forschungen der Dialettischen Gesellschaft in dem Maße gegen den Spiritismus auszubeuten, wie seine Anhänger für sich Ruhm daraus schöpfen. Es mutz aber darauf hingewiesen' werden, daß die psychologischen Untersuchung«- Methoden damals noch nicht so wie jetzt ausgebildet waren, und daß die Komiteeleule sehr leicht, ohne es zu wollen. Selbst- täuschungen unterliegen konnten. Wir haben solche Selbsttäuschungen noch neuerdings bei der Affäre des»klugen Hans" reichlich mit erlebt. Ich übergehe den weiteren modernen Ausbau der Lehre, der «ine unübersehbare Zeitschriften- und Buchliteratur gezeitigt hat. und komme zu den einzelnen positiven Unterlagen, deren experi- mentelle Prüfung vor einem naturwissenschaftlichen Forum, wie oben gesagt, bisher nicht möglich war. Gei st erPhotographien: Sicher gibt eS Erscheinungen oder meinetwegen auch Kräfte, die der Mensch noch nicht hat er- kennen können. Denken wir an X-Strahlen und Radium. Also die photographische Platte ist nachgewiesenermaßen empfänglich für Strahlen, die wir nicht wahrnehmen. Hier wäre daher eine sichere Beurkundung der Geister möglich, etwa so, wie wir Sterne kleinster Größe zuerst durch die erfolgte Belichtung des Bromsilbers nachweisen. Wer aber nur jemals als Amateur geknipst hat, der wird, wenn er eine Geisteraufnahme in die Hand bekommt, sofort den Verdacht hegen, daß hier nicht eine versehentliche, sondern absichtliche doppelte Belichtung vorliegen muß. In der Tat ist der simple Betrug in irgendeiner Form bei allen Geisterphotographien stüher oder später nachgewiesen worden; das sagt auch Alfred Lehmann, ein gewissenhafter Forscher auf diesem Gebiet. Und selbst wenn jeder Betrug ausgeschlossen wäre, könnte irgendein Lichteindnick aus der Platte immer noch eher aus einer x-strahlenähnlichen Quelle herrühren, als von dem warnenden Geist eines verstorbenen OrbonkelS. Materialisation: Der Schleier im Aermel ist soeben wieder mal bewiesen worden, das heißt der vorher hin.in- praktizierte, und die Apfelsinen eines früheren Falls waren nebenan bei der Gemüsefrau zum üblichen Marktpreis erstanden worden. Schlimm I das sagen auch die„wissenschaftlichen" Spiritisten, die mit Recht jede Gemeinschaft mit der Madame Abend und ihrer albernen Bcwunderersckar weit von sich weisen. Aber was bieten sie uns für bessere Beweise vom Handgreiflichwerden der toten Seelen? Daß der Geist einen in der Sitzung hinten im Stehkragen kitzelt, wäre belanglos. Solche Kitzelempfindimgcn hat jeder, der sie erwartet; es sind geradezu typische Selbsttäuschungen. Nun aber die Abgüsse der Geisterhände! Sie entstehen folgendermaßen: taucht man einen Finger in geschmolzenes Paraffin und darauf in kaltes Wasser, so erstarrt der Parassinüberzug; man kann ihn dann abstreifen und einen Ausguß machen. Nun lud man die Geister ein, doch gefälligst die ganze Hand ins Paraffin zu stecken. Kann, plätscherten sie danach im kalten Wasser, so machte man schnell Lickt; der Geist ver- duftete und ließ seinen Paraffinhandschuh im Wasser zurück. Nun? fragen die Unentwegten triumphierend, wie könnte ein Betrüger das Paraffin vom Handgelenk abstreifen wollen, ohne es kaput zu machen? So schwört z. B. Karl du Prel , einer von den ehrlichen Selbst- täuschcrn. Stein und Bein ans diesen„zwingendsten" Beweis(Der Spiritismus, bei Reclam ). Gemacht erstens gleichen die Abgüsse meist den Händen der Medien. Schon faul, wie der Berliner sagt. Zweitens aber ist eö gar nicht wahr, daß man das Paraffin nicht unzerbrochen abstreifen könne. Nur ein wenig Ucbung gehört dazu! Die Kritiklosigkeit dieser Annahme und das Versäumen jeder Nach- Prüfung illustrieren auss beste die Methode selbst der„Wissenschaft« lichen" Spiritisten. Psychograph: Legt man die Hand auf einen kleinen, leicht beweglichen Apparat, der einen Bleistift trägt, und denkt angespannt über einen bestimmten Gegenstand nach, so wird der Bleistift, ohne daß man es merkt, auf einem darunter liegenden Blatt Papier Worte auffchreiben, die mit dem Gegenstande des Nachdenkens in Zusammenhang stehen; oftmals sogar in einem Zusammenhang, der nur im Unterbewußtsein besteht und nur sehr mühsam in die be« wußte Erinnerung zurückgerufen werden kann. Das ist ein normale? wissenschaftliches Experiment. Die Spiritisten meinen, daß ein Geist die Hand mit dem Bleistift führt, in hellseherischer Prophezeiung. T i s ch r ü ck e n: Der Tisch torkelt nicht, ohne daß bei da Tafelrunde der Wille zum Tischrücken vorhanden ist. Es ist durch Messungen mit empfindlichen Apparaten festgestellt, daß die an- gespannte Erwartung in den ausgelegten Händen kleine Richrungs« antriebe auslöst, die sich allmählich verstärken und schließlich die an- scheinend wunderbare Bewegung hervorrufen. Das Tischrücken mißlingt auch sehr oft bei Ungeübten, wo die Richtungsimpulse durcheinander gehen und nicht nach ein und derselben Seite gelenkt werden. Ein geübtes Medium wird unter Umständen die Zitter» bewegungen der Teilnehmer augenblicklich im günstigen Sinn« beeinflussen. Alles in allem: der Spiritismus enthält viel religiösen Glauben und Aberglauben, mystische Philosophie als Reizung für Phantasten und Denkrräge, hysterische Posen von Weibern und halben Männern, hervorragende und sehr interessante Variete-Tricks und als Rest knüppeldicker Betrug. Unter diesem stattlichen Gerümpel von Urväter- Hausrat mögen einige winzige Möglichkeiten neuer Wissenschaft« sicher Erkenntnis verborgen schlummern. Die Spiritisten haben ein Interesse daran, den Zugang zu diesen zu verbauen. Dr. A l f r e d Kind. Me wird die Tuberkulose übertragen? Neues über die Ansteckungsweise der Tuberkulose veröffent» licht Professor v. Baumgarten im Heft 10 der„Deutschen Medizinischen Wochenschrift". Die Tuberkulose, unter der heute nicht allein die Lungenschwindsucht verstanden wird, sondern auch die durch den Tuberkelbazillus veranlaßte Erkrankung aller übrigen Organe, soll nach den bisherigen Anschauungen im wesentlichen auf zwei Wegen übertragen werden. Die einen behaupten, die An- stcckung erfolge im wesentlichen durch die mit dem Auswurf aus- gehustcten Bazillen und betri-ffe namentlich die in ständiger Nähe Tuberkulöser wohnenden Personen; die anderen hingegen sind der Ansicht, daß die mit der Milch, dem Fleisch, also der Nahrung auf- genommenen Tuberkelbazillen, die zumeist von an Tuberkulose er- krankten Rindern stammen— die Rindertuberkulose bezeichnet man populär als„Pcrlsucht der Rinder"—, die haupsächlichste Ur- fache der menschlichen Tuberkulose bilden. Dapach unterscheidet man zwei verschiedene, für den Menschen in Betracht kommende Arten von Tuberkelbazillcn, den Bacillus humanus und den Bacillus bovinus. Baumgarten und andere pathologische Ana- tomen konnten nun experimentell nachweisen, daß diese beiden Bazillenartcn in ihrer Wirkung absolut nicht identisch sind. Der Erreger der menschlichen Tuberkulose, der unter den Menschen so entsetzliche Verheerungen anrichtet, wirkt auf das Rind fast gar nicht; auf Meerschweinchen hingegen sehr stark, auch auf Kaninchen ziemlich stark. Hingegen wirkt, nach den Untersuchungen Baum- gartens, der Rindertuberkelbazillus sehr stark auf Rinder, Ka- ninchen, Meerschweinchen, dagegen in viel geringerem Maße auf den Menschen. Die Annahme der Identität des Bacillus siumanus und bovinus hat zu dem Irrtum geführt, die Uebertragung der Tuberkulose durch die mit der Milch, Butter, Käse usw. in den menschlichen Darmkanal eingeführten Bazillen des Rindertypes zu erklären. Zu dieser Annahme ist man aber nicht berechtigt ge- wesen. Die pathologische Anatomie hat gezeigt.- daß die beim Menschen vorkommende Darmtuberkulose fast niemals durch den RinderbazilluS erzeugt wird, sondern daß sich auch hier als Er- reger der Bazillus der menschlichen Lungenschwindsucht nachweisen läßt. Diese Tatsache erklärt sich sehr gut. Bekanntlich verschlucken alle Menschen sehr häufig ihr Sputum(Auswurf). Ist dieses nun mit Tuberkelbazillen erfüllt, so vermögen diese, wenn sie in den Darmkanal gelangen und sich festsetzen, eine sekundäre Darmtuber- kulose zu erzeugen. Die von einer Reihe von Forschern vertretene Ansicht, die menschliche Tuberkulose entstehe vorwiegend durch die Aufnahme von Produkten tuberkulöser Rinder, scheint hiermit widerlegt zu sein und die rein menschliche Ansteckung wieder in den Vordergrund zu treten. Aber auch hier gelangt der bekannte Tübinger Pathologe, der seine Ansichten auf dem Internationalen medizinischen Kongreß zu Budapest vorgetragen hat, zu ganz anderen Resultaten. Er schreibt der Infektion durch die Einatmung bazillenhaltiger Luft eine ver- hältnismäßig geringe Rolle zu. In der Tat muß man sich, wenn man doch dieser Annahme zuneigt, fragen, warum einige Menschen, die täglich mit Tuberkulösen in enge Berührung kommen, nicht angesteckt werden, andere aber an Tuberkulose erkranken. Man hat versucht, diese Differenzen in dem Verhalten der Menschen gegenüber der Ansteckungsgefahr der Tuberkulose durch die söge- nannte Disposition zu erklären, konnte aber nicht übersehen, daß diese Erklärung schließlich nur mangels einer besseren gewählt wurde, daß sie eigentlich nichts erklärt, sondern nur die Tatsache registriert, wonach der eine mehr, der andere weniger für die Er- krankung empfänglich ist. Baumgarten kommt an Hand seiner Erfahrungen und Experimente zu dem Resultat, daß weder durch