Die Aufopferung seines Freundes tat ihm weh, weil er das Nutzlose fühlte. Er wollte seine Dankbarkeit gern be- zeugen— nur gezwungen kamen ihm die Worte über die Lippen. Er konnte es nicht! Grübelnd vergrub er seinen glühen- den Kopf in die Kissen. Das ganze Dasein kam ihm so erbärmlich vor, so jämmer- lich, alles ekelte ihn an, alles hier in diesen Räumen! Wie oft versuchte, gleichgültig zu sein— mit Geduld seine Genesung zu erwarten. Das verurteilte ihn zum Denken. Er mußte grübeln— verbiß sich in seine Gedanken, die ihn unsäglich unglücklich machten. Vielleicht war es nicht so schlimm mit der Krankheit? Seine Ahnung sagte ihm das Gegenteil. Fluchwürdiges Los, das ihn zum Soldaten gemacht. Dann lag er wieder in völliger Apathie— wie geistesabwesend— auf seinem Lager. Aeußerlich ruhig— doch in feinem Hirn trieb, wie im Traume, das grausame Spiel weiter. Seitdem das Fieber bei Weiner immer mehr stieg, der ganze Krankheitszustand rätselhafter wurde, hatte sich auch das Benehmen des Stabsarztes ihm gegenüber etwas freund- licher gestaltet. Essen und Trinken durfte er jetzt, was er wollte. Was sollte ihm das? Es wollte ihm nichts schmecken. lFortsetzung folgt.) (Nachdruck verdol«.) ?Zus cker Gcfcbicbtc un leres Raus- i) geklügels. Bon C. Schenkling. Die Lehre, daß fast alle unsere Haustiere asiatischen Ursprung» sind, wurde zuerst vor etwa einem halben Jahrhundert von Isidore Geoffroy-St. Hilaire aufgestellt. Sie hatte große Wahrscheinlichleit für sich und wurde mit großem Beifall ausgenommen. Später wurden gegen diese Theorie Einwände erhoben und sie erfuhr Aenderungen. Auf Grund anatomischer Befunde wiesen ver- schiedene Gelehrte nach, daß eine Anzahl unserer Haustierrassen von einheimischen Tieren abstammen und nicht von anderen Kontinenten eingeführt worden sind. Zugleich wurde durch die prähistorischen Aus- grabungen festgestellt, daß die ersten Menschen, oie Europa be- siedelten, Haustiere nicht besaßen. In der älteren Steinzeit gab es nur höhlenbewohnende Jäger, die nicht einmal den Hund verwendeten. Erst für die jüngere Steinzeit läßt sich das Auftreten von Haustieren nachweisen. Die Not, die große Erzieherin des Menschengeschlechts, wird die Jäger der Höhlen nach dem Abschuß der Jagdgründe vielfach veranlaßt haben, gewisse Jagdtierc lebend einzufangen, sie zu zähmen und zu züchten, um sich auf diese Weise eine vom Jagdglück unabhängige Nahrungsquelle zu Verschaffen. Während die Nomaden bereits verschiedene vierfiißige, zumeist dem Geschlecht der Wiederkäuer angehörende Haustiere be- saßen, treten befiederte Haustiere erst bei den seßhaften, in festen Häusern wohnenden ackerbautreibenden Völkern auf. Das ist sehr natürlich, da ein Vogel, wie etwa die Gans, die dreißig Tage brütet, kein geeigneter Begleiter für den Nomaden ist, der heute sein Zelt in einem Flußtal aufschlägt, um es binnen kurzem wieder ab- zubrechen. Als ältester HauSvogel ist da? Huhn anzusehen, denn eS hat sich so an den Menschen gewöhnt, daß eS, wie durch verschiedene Versuche festgestellt worden, dem Kampfe ums Dasein durchaus nicht mehr gewachsen ist und rasch zugrunde geht, sobald es in der Wildnis sich selbst überlassen wird. Infolge der veränderten Lebens- vedingnnaen, denen es— gleich allen gezähmten Tieren— unter- warfen ist, sind in seinen Charaktereigenschaften gewisse Verände- rungen hervorgetreten, die eS eben für absolutes Freileben untaug- lich machen. Obgleich anzunehmen ist, daß die große Zahl der Hühnerraffen auf mehrere Stammarten zurückzuführen ist, wird doch allgemein als die Stammform des HauShuhnes das Bankivabuhn(Lallus kuornAiusus) betrachtet. Seine Heimat ist Indien . Es hat einen gezackten Kamm und beiderseits des Schnabels Fleischlappen. Am Hals sitzen lange und schmale, einen Kragen bildende Federn. Das Gefieder ist am Halse gold-, anr Oberkörper rotbraun, an der Unterseite schwarz— bei der Henne am Nacken schwarz mit blaß- gelbbraunen Federsäumen, auf der Oberseite hellbraun mit feinen Ichwarzen Wellenlinien, am Oberkopf und Unterkiefer rostbraun. Das Bankibahuhn ist ein Waldvogel, wird aber auch auf Aeckcrn angetroffen, hat in beiden Geschlechtern einen dem Krähen unseres HauShahnes ähnlichen, bei den Hühnern jedoch kürzeren Ruf, brütet im Himalaya zwischen März und Juli und legt durchschnittlich S— S, zuweilen auch 9—11 lehmgelbe Eier in eine Hackte Bodenmulde. Versuche, die in zoologischen Gürten angestellt wurden, haben gezeigt, daß das Wildhuhn sich nur schwer zähmen und in der Gefangenschaft fortpflanzen läßt. Vergegenwärtigt sich man dagegen die geringen Schwierigkeiten, die unser Haushuhn den Züchtungs- versuchen entgegen stellt, so drängt sich die Ueberzeugung auf, daß das Huhn bereits seit uralter Zeit sich in der Sklaverei des Menschen befinden muß. Auch führen die ältesten indischen Schriften das zahme Huhn als allbekannt auf. Dagegen scheint es sich Verhältnis- mäßig spät nach dem Westen verbreitet zu haben, da es weder im Alten Testament noch von Homer erwähnt wird. Ebenso ist es spät nach Aegypten gekommen, denn auf den Denkmälern des Pharaonen- landes. deren Hieroglyphen uns das Detail des Haushaltes der Niltalbewohner so anschaulich vor Augen führen, ist nie das Huhn dargestellt. Jedenfalls wurde es erst durch die medisch-persischen Eroberungszüge nach dem Abendlande verbreitet. Die Bewohner Griechenlands erhielten eS wahrscheinlich von ihren Stammes- genossen, den Kolonisten der kleinasiatischen Inseln, wie denn zur Zeit der Perserkriege das Huhn in Griechenland bereits allbekannt ist. Durch Bermittelung der griechischen Kolonien in Unteritalien und auf Sizilien wird das Haushuhn jedenfalls sehr früh feinen Weg nach Rom gefunden haben. In welcher Weise und auf welchem Wege es sich über das übrige Europa verbreitet hat, konnte nicht festgestellt werden, wohl könnte man annehmen, durch Bermittelung der Römer; da es von Julius Cäsar aber bereits 55 v. Chr. in Britannien angetroffen wurde, ist es wahrscheinlicher, daß es auf direktem Wege über Südrußland nach dem Okzident gelangte. Als Hofgeflügel einer germanischen Haushaltung wird allerdings zuerst die GanS erwähnt: auch die Ente tritt als vorgermanisches Haus- tier auf. Weit wichtiger als beide aber ist das Huhn, wie aus der reichen Synonymik auch zu erkennen ist, daß man dieser Geflügel- art weit mehr Beachtung schenkte als jenen. Da kein Hofgefliiael mehr Nutzen gewährt als das Huhn, so spricht ihm das Gejetz auch mehr Recht zu als dem anderen Geflügel: es darf über neun Zäune hinweg seine Nahrung suchen und wenn es dabei getötet wird, muß eS vom Täter dem Eigentümer zurückgegeben und noch eine Art Buße geleistet werden. Allerdings soll der Zaun, der den Hühnerhof umgibt, möglichst hoch und mit Dornenreisig besteckt sein, damit den Insassen das Ueber- fliegen vereitelt wird. Um die Neigung deS Tieres für das Aus- brechen zu unterdrücken, bestehen noch viele andere Vorschriften, und um es für die Nachbarschaft möglichst unschädlich zu machen, wurde einst die Stärke des Hllhnerstammes für jede» Hof vorgeschrieben. Seit langem gehört das Huhn nebst dem Wildbret zur edelen fpise, wie die Eier zu einem allgemeinen Nahnmgsmittel geworden sind. Nur die Hühnerfedern sind nicht geschätzt, obschon sie eine gute Füllung für Kissen und Bankpfühle abgeben. Zudem spielt das Huhn in den religiösen Vorstellungen und Gebräuchen fast sämtlicher Kulturvölker eine große Rolle, insbesondere aber der Hahn. Nach dem alwersischen Religionsstister verweibt der Hahn mit seinem Krähen die bösen Geister von HauS und Hof. ein Glaube, der sich durch die Geschichte vieler Völker hindurchzieht und dem Shakespeare im»Hamlet " folgende Worte verleiht: „Der Hahn, der als Trompeter dient dem Morgen, Erweckt mit schmetternder und heller Kehle Den Gott de ? Tags, und auf seine Mahnung, Sei'S in der See, im Feuer, Erd oder Luft, Eilt jeder schweifende und irre Geist In sein Revier..." Bei den Griechen hieß unser HauSprophet der„medische Vogel', und ein im„Athenäum" erschienener Artikel weist nach, daß das griechische Wort„alektryon" lHahn) von dem persischen„helaka" gleich Sonne abgeleitet ist. Wir sehen daraus, daß der Hahn nichts anderes ist als der Vogel der Sonne, der Phönix, der hochberühmte Phönix. Wenn die Perser in die Schlacht zogen, ging ihnen ein roter Hahn als Palladium voran. Bei den Griechen finden wir ihn zum erstenmal im 6. Jahrhundert erwähnt. Zu derselben Zeit lernten ihn auch die Aegypler als Haustier kennen. Sie opferten ihn, wenn er ein weißes oder gelbes Gefieder hatte, den Göttern und Göttinnen NephtyS , OsiriS , Isis und Anubis . Trotzdem findet man sein Bild- niS auf keinem ägyptischen Monument, wie ja bereits erwähnt wurde. Dagegen findet man es aus babylonischen Denkmälern und korinthischen Gefäßen aus dem 7. Jahrhundert. In der klassischen Zeit wurden zu Athen auf Kosten des Staates öffentliche Hahnenkämpfe veranstaltet. Das galt als Erinnerung an jene Rede, die ThemistokleS kurz vor der Schlacht bei Salamis hielt und in der er die Griechen ermahnte, sich so tapfer auf die Feinde zu stürzen wie Hähne, die einander angreifen. Die Athener feierten also in den Hahnenkämpfen den Mnt ihrer Vorfahren. Auch im alten Rom stand daS Huhn in hohem Ansehen. Das zum Kampfe ausziehende Heer führte Hühner mit sich, ans deren Gebaren sie auf den Ausgang der Schlacht schlössen, da ihre Zukunftsverkünder, die Auguren, nach dem Gesetz dem Feinde nicht entgegenziehen dursten. Nahmen die Hühner das ihnen gebotene Futter gierig an. so galt dies als ein gutes Omen, verschmähten sie aber die vorgeworfenen Körner, dann wehe den römischen Legionen I Die den Orakelvögeln beigegebenen Pfleger, xuilarii, nahmen in diesem Punkte natürlich„Schiebungen" vor, um den Mut des orakelharrenden HeereS anzufachen. Es gab aber auch Gewitzte, die den orakelnden Hühnern nicht so recht trauten. Zu ihnen gehörte der Konsul Claudius Pulcher, Feldherr im ersten punüchen Kriege, der die heiligen Hühner, weil sie nicht fressen wollten, einfach ins Meer warf.„Wollen sie nicht fressen, so mögen sie saufen", meinte er bei der Ausführung dieser götterbeleidigenden Tat. Erst nach den Punischen Kriegen scheint in Rom die Hühner-
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26 (29.10.1909) 211
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