NnterhaMmgMatt des HorwärtsNr. 218. DumStng den 9 November. 1909(Nachdruck Wrtoten.)ss]„Soldaten fein fcbönl"Bilder aus Kaserne und Lazarett.Von Karl Fischer.„Ja. ja," erwiderte Volter.„So gut kann ich Dich der-stehen I Ich bin gespannt auf das weitere."„Eines Tages hatten sie sich alle verabredet, mich in derNacht, nachdem ich eingeschlafen, zu überfallen und zu der-hauen. Ich, durch meine ganze Umgebung schon mißtrauischgemacht, merkte bei allen an diesem Tage eine gewisse Ver-änderung in ihrem Benehmen. Die meisten waren ja dummeKauernbengels, die sich nicht gut verstellen konnten. Sieflüsterten da und dort untereinander, daß ich Lunte roch undvorsichtig wurde. Ob der Korporalschaftsführer etwas davongewußt, konnte ich nicht feststellen. Jedenfalls ging er geradean diesem Abend aus und wollte spät zurückkommen. Ohnedaß einer es merkte, brachte ich eine Stunde vorher meinblankes Seitengewehr ins Bett. Wie gewöhnlich legten wiruns nach Zapfenstreich in unsere Fallen. Ich mit der festenAbsicht, nicht einzuschlafen und scharf aufzupassen. Nach einerStunde vernahm ich dann ein verdächtiges Geräusch und einleises Flüstern. Halt, dachte ich, jetzt scheint es loszugehen.Ich tat als ob ich schliefe und packte mein Seitengewehr, zurVerteidigung bereit, fest am Griff. In der Dunkelheit be-merkte ich. wie sich alle ganz leise um mein Bett geschlichenhatten. Nach dem ersten Schlage, den sie nach mir führten,war ich auf den Beinen. Die ganze grenzenlose Wut, die sichin der Zeit bis dahin bei mir angesammelt hatte, kam jetztzum Durchbruch. Ich schlug um mich wie ein Besessener.Die ganze Korporalschast, mit Klopfpeitschen und Stecken be-waffnet, drang auf mich ein. Ich dachte an gar nichts. Dieerbärmliche Feigheit dieser Wichte spannte meine Kraft über-menschlich an. Ich muß in einer kurzen Zeit wie ein Rasendergewütet haben, denn wie die durch den unbeschreiblichen Lärmherbeigelockten Unteroffiziere, der Feldwebel, der Unteroffiziervom Dienst und einige andere ins Zimmer traten, lagen dreioder vier meiner„Kameraden" wie halbtot auf dem Boden.Jeder hatte irgendeine blutende Wunde. Und einen hatteich zum offenstehenden Fenster hinausgeworfen. Einem dermn Boden Liegenden soll ich den Brustkasten halb eingetretenhaben. Ich muß nicht bei Verstand gewesen sein, denn ichschlug noch um mich, wie die Unteroffiziere da waren. Mann-schaften aus der nächsten Stube mußten noch herbeigeholtwerden, ehe es gelang, mich zu überwältigen. Ich wurdedann unter ständiger scharfer Bewachung ins Wachtlokal ge-bracht. Und von da in Untersuchungshaft. Nach einigerZeit wurde mir der Prozeß gemacht. Alle waren gegen mich�— nicht einer war auf meiner Seite. Ich wurde schon alsVerbrecher angesehen wegen meiner militärischen Vorstrafen.Dann schrieben sie mir noch einen tätlichen Angriff auf Vor-gesetzte zu. Mir war das alles ganz gleichgültig. Undwenn sie mich zum Tode verurteilt hätten, es hätte mich gleich-gültig gelassen.".„Ist einer von Deinen„Kameraden" seinen Verletzungenerlegen?"„Die kamen ins Lazarett und erholten sich bald. Selbstdem, den ich zum Fenster hinausgeworfen hatte, ist nichtsGefährliches passiert. Alle kamen mit einer leichten Strafedavon, und ich"— dabei lächelte Polowsky bitter—„ichbekam fünf Jahre Festungshaft."Volter schauderte. Mitleidig sah er in PolowskyS durchdie Erzählung erregtes Gesicht.Polowsky, der aus Volters Blick dessen Gedanken heraus-gelesen hatte, nickte dankend und fuhr fort:„Was ich nun im Gefängnis erlebte, stellte das bisherigeweit in den Schatten. War mir das Leben in der Frontzur Qual, so brachte mich die Schinderei in der Festung demWahnsinn nahe. An mir konnte ich alle Phasen der Wir-kungen des Straflebens feststellen. In der Front war ich einewillenlose Maschine, hier im Gefängnis war ich ein StückFleisch, mit dem man machen konnte was man wollte. Werdas Fcstungsgefängnis nicht genau kennt, macht sich garkeinen Begriff davon. Die Hölle auf Erden! Ziemlich fünfJahre habe ichs aushalten können, ohne verrückt zu werden-An einen Selbstmord war nicht zu denken. Erstens fehlteneinem die nötigen Mittel— dann war man ständig unterAufsicht. Man hatte auch gar nicht viel Zeit zum Denkenund Grübeln. Von Früh bis Abend hatte fast jede Minuteihre bestimmte Bedeutung. Dann der Drill und das Daseinunter den Mitgefangenen. Nicht genug, daß jeder an seinemtraurigen Los zu schleppen hatte sie mußten sich auch nochuntereinander das Leben noch bitterer machen als es schonwar. Einer mißtraute dem anderen. Wenn einer den anderenverpetzen konnte, tat er es, nur um sich bei den Vorgesetzteneinzuschmeicheln. Die armen betrogenen Wichte! Mit einemWort: ein Höllenleben I Ein zum Festungsdienst komman»dierter Sergeant, dem ich in seiner Korporalschaft unterstelltwar, hatte es just gerade wieder einmal auf mich abgesehen.Was dieser Mensch mit mir getrieben hat! Weshalb ergerade mich als Quälobjekt auserlesen hatte, weiß ich nicht-Ein kleiner Knirps war dieser Kret. Mit einem Hieb meinerFaust hätte ich ihn niederschlagen können! Aber giftig wieeine Natter. Dabei diese Schadenfreude, die sich in feinerhäßlichen Fratze widerspiegelte! Das machte mich vollkommenwild.— Jahre waren schon auf Festung vergangen. DurchZufall kam ich in den Besitz eines Messers. Ein kleinesKüchenmesser, wie es beim Kartoffelschälen benutzt wird. Eswar vielleicht von einem Gefangenen gestohlen worden, undwie er nicht wußte, wohin damit, hatte er es weggeworfen.Ich fand es. Mein erster Gedanke war, mir die Pulsaderzu öffnen. Dann dachte ich, halt, erst kühlst du deine Rache.Ter mir das Schlimmste angetan, muß mit! An einemsicheren Versteck verbarg ich meinen Kneif und wartete aufeine günstige Gelegenheit. Die sollte sich auch bald bieten.An einem Sonntagnachmittag. Der Unteroffizier vom Dienstmuß an solchen Tagen um fünf Uhr die Zellen, in denengewöhnlich zehn bis zwölf Man inhaftiert sind, nacheinanderöffnen, um diejenigen, die Bedürfnis haben, austreten zulassen. Der Dienst hatte, war mein kleiner Sergeant, derKnirps. Von meiner Zelle war ich der einzige, der austretenwollte. Vorher hatte ich mir mein Messer zurechtgesteckt."Volter hatte aufmerksam zugehört. Jetzt verfolgte ergespannt Polowskys Erzählung weiter. Was dieser erzählte,glaubte er alles. Nach seinen eigenen Erfahrungen und Er-lebnissen mußte das möglich sein. Und Polowsky wußte, daßVolter früher oder später seine Akten einmal zu Gesicht be-kommen würde, da hielt er sich streng in den Grenzen derWahrheit.„Ich tat so, als ob ich austreten würde— stellte michaber in der Latrine in eine dunkle Nische. Der Korridordorthin zu war etwas dunkel— dann machte der Gang einenBogen. Der Sergeant konte nicht sehen, ob ich wirklich aus-trat.— Ich kalkulierte nun so: Da er mich eigentlich vor-schriftsmäßig zu begleiten hat und bloß zu faul dazu war,wird er an meiner Zelle warten in der Hoffnung, daß ichbald zurückkehre. Es wird ihm zu lange dauern— da wirder dann selbst kommen und mich holen wollen. Sobald eran meiner Nische vorbeigeht, stürze ich dann auf ihn. Rachefür alles, Rache! Einige Minuten wartete ich in größterAnspannung meiner Nerven. Mit meinen: Leben hatte ichabgeschlossen. Meine sämtlichen Gedanken konzentrierten sichauf dieses Subjekt. Plötzlich vernahm ich Tritte den Korridorentlang, die sich meinem Versteck näherten. Das ist erdachte ich.— Mit dem Messer in der Faust wartete ich aufden Moment, wo ich über ihn herfallen konnte.— Jetzt, jetztwar er ganz nahe. Sobald ich die Gestalt im Halbdunkel be-merkte, war ich über ihn, warf ihn auf den Boden, um ihmdas Eisen in den Lech zu stechen.— Der Kerl war von demplötzlichen Ueberfall so überrascht, daß er vor Schreck keinenLaut von sich geben konnte.— Polowsky! rief er, als er micherkannte, bist Du denn verrückt?— Eine Sekunde noch under hätte die Klinge in seinem Leibe gehabt. Mit einemmalfällt mein Blick auf das Gesicht des unter mir Liegenden—und ich erkenne, daß ich den humansten Gefreiten der Festungfür den Sergeanten gehalten hatte.— Er hatte auch an demTage Dienst gehabt, und der Zufall mußte ihn gerade umdiese Zeit auf den Korridor führen.— Zum Glück hatte