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Mir scheint, mir scheint, das Bürschchen möchte sich ein Süppchen einbroden," sagte der Kubaner, und verließ den Kreis, trotz der Mahnungen der anderen.
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Pepeta hatte sich derweil beruhigt. Was sollte denn wohl paffieren? Sicherlich, der Fluß würde kein Blut zu trinken betommen. Der Menut, solch ein Schwächling, dem würde der andere schon Mores lehren! Weiter fingen! Man würde sich doch nicht die Gemütlichkeit stören lassen! Und man stimmte zögernd und unluftig wieder den Gesang an, während man aus den Augenwinkeln Blide hinüberwarf, wo sich die Gegner gegen überstanden. Da tönte in eine Pause hinein die Stimme des Menut, der langsam und akzentuiert dem anderen die Worte ins Gesicht warf: " Und Du bist doch ein Schurke, jawohl Ein Lump, das Alle sprangen auf die Füße, Stühle stürzten um, das Affordeon fiel in den Staub, einen leisen Jammerton ausstoßend, aber, so schnell man auch hinzueilte, es war zu spät. Wie wütende Wildtagen waren die beiden übereinander hergefallen, schlugen sich die Nägel ins Genid, fließen sich, auf den Melonenschalen ausrutschend, und geiferten schmußige Schimpfreden.
bist Du!"
Blößlich drehte der Kubaner sich im Kreis, um wie ein Sad hinzufallen, und in diesem Augenblid vergaß er die füße Sprache der Antillen und brüllte im Dialekt seiner Kindheit: Mutter.. Mutter, hilf!" Wie eine in der Mitte zerschnittene Schlange wand er sich auf dem Pflaster und hielt sich den Leib dort, wo er das talte Messer des Feindes gefühlt hatte, und preßte instinktiv den mächtigen Schnitt zusammen, aus dem sich ein Strom von Blut ergoß. Von allen Seiten stürzten die Leute herbei, sich um den Gefallenen drängend. Die Balkons füllten sich und auf einem erschien auch Mutter Serafina, ungefämmt, aus dem ersten Schlaf geschredt durch den Hilfeschrei des Sohnes, Schreckensschreie ausstoßend, ohne noch die ganze Größe ihres Unglüds zu begreifen.
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Betriebes und der Reichhaltigkeit de gebotenen Schau. Mit der rapiden industriellen und der diese erst möglich machenden technischen Entwickelung Deutschlands mußten fich folche Darbietungen ja zu einer ganz besonderen Höhe emporschraubin. Es kommt hinzu, daß fich das Bildungsniveau durchaus nicht gleichmäßig hob mit dem Befihstand eines so schnell reich und groß gewordenen Bolles. Die hinneigung nach dem traß Materiellen mußte wachien und wuchs geradezu fabelhaft mit dem fanell aufblübenden Wohlstand, den Riefenverdiensten von Leuten, die geistig in feiner Weise vorbereitet waren auf ihre petuniäre Machtstellung. Und diese nicht wegzu leugnende Macht beeinflußte schließlich derart den Geschmack des großen Publikums, daß wir am. Ausgange des neunzehnten Jahrhunderts eine fast beispielloſe Verwilderung der künstlerischen Sitten, eine allgemeine Geschmadsverwirrung und überhandnehmende Stillofigkeit beobachten müssen, die dem wirklichen Jdealisten die schwersten Bedenten für die ästhetische und ethische Weiterentwickelung erregen mußte.
In dieser Zeit grobsinnlicher Aeußerlichkeiten hatten Barieté und girlus fich zu ungeahnten Machtfaftores entwidelt. Es fam binzu, daß Taufende und Abertaufende von Besitzenden dem Theater, das ebenfalls in einer Schlammflut feichtesten Stitiches zu erstiden drohte, den Rücken tehrte und sich ganz der bunten Schau zuwandten. Selbst das Wenige, was vom Theater in geiftiger Hinsicht noch zugemutet wurde, erschien zu viel. Nur das Auge follie gereizt, die Nerven durch immer neue, möglichst das Leben eines Mitmenschen gefährdende Tricks gefigelt werden! Was dem Ohr geboten wurde, konnte gar nicht seicht, trivial und albern genug fein! Man erfand die Pantomime, die mit ihrem feinen französischen Vorbild aus früheren Jahrhunderten nichts gemein hatte, die nur Beine, Beine, Beine! und albernen Kostümaufwand zeigte und selbst jeglicher Grundidee ermangelte. Jeden, dem unfere große flassische Literatur und ihre hoben Stulturziele vor Augen standen, mußte ein Grauen an wandeln.
Pepeta wand sich in Krämpfen in den Armen der Nachbarn. Natürlich hatte diese Richtung, die übrigens aus den Einflüffen Wie eine wütende Bestie stredte fie die gespreizten Finger nach des auf total anderem Boden erwachsenen Amerikanismus neue Menut aus und spie ihm förmlich mit freischender, sich überschla- Nahrung fog, überhaupt febr schnell eine internationale Färbung gender Stimme immer wieder die Worte ins Geficht: Mörder! erhalten. Auch jenseits des Rheines, wo eine weit ältere Geiftes Feigling! Schuft!"- Der Täter aber stand vollkommen ruhig da, pflege und Stultur auf viel fefterem Sodel stand, hatte jene Ueberohne den Versuch, au fliehen, mit traurigem Geficht, den Kragen fchäßung des Gegenständlichen zumgunften des Jdeellen Blaz gerriffen, den rechten Arm bis zum Ellbogen von Blut gefärbt. Das gegriffen. Auch dort hatte das Varieté feinen Siegeszug begonnen, Meffer lag zu feinen Füßen. Als er dann auf seinen Schultern die der der alten gallischen Tradition von der Herribaft des Esprit" Fauft des Polizisten fühlte, fträubte er sich nicht, zudte nicht zu gefährlich zu werden drobte. Eine Realtion mußte fommen! Sie fammen, lächelte nur ein fleines Lächeln. So verließ er die Straße, fam, woher fie allein tommen fonnte: aus den armseligen Künstlerdie Hände auf dem Rüden gefesselt, das häßliche Geficht blutig zer- ineipen des Montmartre!. trakt, und fonberfierte mit den Schuhleuten, in der Tiefe feines Herzens befriedigt, daß die Leute in dichten Knäueln ihm folgten, wie beim Erscheinen eines Ravaliers oder eines Toreadors. Als er bei seinem Café vorbeikam, grüßte er hochmütig die Freunde, bie, als ob fie nicht dabei gewesen wären, ihn frugen, was denn eigentlich geschehen sei?
Nichts weiter! Nur ein Ehrenhandel unter Männern!" Und zufrieden mit seinem Schidial, hoch aufgerichtet und triumphierend die Blide der Umstehenden auffangend, ging er den Weg ins Gefängnis,
( Nagorna Veluvten.)
Varieté und Ueberbrettl.
Da gab es Talente! Da gärte die Revolution schon lange gegen die kunstfremde Lüfternheit der Bourgeoisie! Da hatten junge geniale Menschen Dinge zu fagen, die längst ausgesprochen werden wollten, die all den lächerlich feisten Moral- und Kunst anschaumgen Hohn in die Frage spieen!
Und da fand sich auch der Mann, der fold ein Bündel Feuer
pfeile zusammenfaffen konnte, der es verftand, sie dem citoyen de la Republique mit freder Grazie entgegen zu schnellen! Ein ehemaliger Maler R. Salis eröffnete die Kneipe Zur schwarzen Sage", das„ ,, chat noir". Dort trafen fich die jungen Zeichner, Maler, Bildhauer, Musiker und Literaten. Ta stellten sie sich und ihre Werke hin; und bald tamen, wie auf die Verkündigung eines neuen Evangeliums die Leute von nah und fern, lauschten dem alten Marcel Legay , wenn er sein ,, Et tu iras, les pieds devant!" ( Mit den Füßen voran, wirst du hinausgeben) groffte und waren paff, wenn Arifti de Bruant, der später ein eigenes Stabarett, das Mirliton" gründete, von den Dirnen und Mördern seine wilden, feine Rüdichten fennenden Lieder sang.
Es waren
Wenn man Schiller , dessen hundertund fünfzigsten Geburtstag wir eben gefeiert haben, etwas vom Barieté und feiner fulturellen Bedeutung erzählt haben würde, so hätte der große Dichter wohl taum Schon hatten Reisende die Kunde diefes tullen Geifterspuls über ein Lächeln für die Behauptung gehabt: Auch Springer, Gaufler und Spaßmacher und ihre Künste wären der Kultur verwandt. die Bogeien gebracht, da fam ein junger Franzoje, M. Henry nad Sein Erscheinen war der Solche Dinge betrachteten damals auf dem Jahrmarft im Städtchen München in die dortigen Künstlerfreife. die fleinen Leute. Und die fleinen Leute: das Volt, waren im Funke, der auch in Deutichland die Jdee des Kabaretts zum Aufachtzehnten Jahrhundert noch recht lulturfremd. Ein nur be- flammen brachte. Und München hatte den Ruhm, die erste Stadt Dort be scheidener Prozentjazz davon war des Leiens und Schreibens fundig Deutschlands zu sein, die der neuen Kunst Raum gab. und so schon unfähig, an der so plöglich zur strahlenden Blüte fich gründeten die elf Scharfrichter ihr Kabarett. entfaltenden Literatur Deutschlands teilzunehmen und von ihrer Er- Maler, Literaten und allerhand Bartisane der Kunst, mit nur einer Wir Menschen von heute Frau, die hervortrat: Marya Delvard , habenheit sich begeistern zu lassen. die Freundin M. Henrys. Aber es baben aus den Soffitten diefer fleinen Bühne her Sterne am Kunsthimmel ihre Bahn gezogen. Frank Wedekind sang dort zuerit feine Balladen und der Lautenfänger Kothe lies bei den„ Elf Auch technische Scharfrichtern" feine Troubadourweisen erschallen. wohl in der Hauptsache Neuerungen tamen dort auf: So hatten dem raftlos gefchäftigen Henry, dem entzüdenden Kanieur, au die Scharfrichter zuerst das verdeckie Orchester, die wandeldanken baren Hintergründe niw. An die Stelle von Salis in Paris , der um diese Zeit schon tot war, stellte sich hier M. Henrh und wurde ich habe viele nachher gehört und habe der erste Konferenzier, der wohl alle, selbst jahrelang in einem eigenen Kabaret fonferiert die in folchem Gewande auftraten, in den Schatten stellt.
machen uns großenteils ein ganz faliches Bild von der damaligen Bevölkerung und ihren Kunstansprüchen. Wir hören, daß wie durch ein Wunder Dichter über Dichter aufstanden und daß ihre Werte gelesen wurden. Und so reden wir uns in eine allgemeine geistige Boltserhebung um das Jahr 1800 binein. Welch ein Irrtum! Der Unterschied zwischen Gebildeten und Nicht gebildeten war damals viel schärfer abgegrenzt. Die fogenannten oberen Schichten waren in der Tat zumeist auch die Träger von Bildung und Kultur, während die unieren Klaffen in rein förperlichen Intereffen aufgingen und beispielsweise noch in einem so mittelalterlichen Aberglauben schmachteten, daß dieser allein schon fast jede Art geistiger Erkenntnis ausichloß. Das Theater war für den Kleinbürger und Bauern so gut wie nicht vorhanden; ihm blieb der Jahrmarkt mit feinem bunten Schaugepränge.
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In Berlin war Ernst v. Wolzogen mit feinem Ueberbretti, das sich schon wieder dem Theater zuneigte, sehr erfolgreich, so lange So ist es vielleicht zu erflären, daß die geistig nicht Erzogenen er dem Geschmack des Publikums mit der Niedermeierei und den ihrer alten Liebe treu blieben und an Gaullern, Springern, Pofien- füßen Mädeln entgegenfam. Sowie er dann Hanno v. Gumpenberg reißern auch heute noch mehr Gefallen finden genau so wie vor das Wort erteilte und ähnlicher Fein- und Kleinkunst sich hold zeigte hundert Jahren! berlor der in der Berliner Presse herrschende Austriazismus( vergl. und Kitsch) den fritischen Maßstab und unter der Devise:„ Nette fich, heutzutage Schausteller Umfange, Umfange, der Größe des' wer fann," verließ die Gunft der Masse den noch eben so hochs
Wir nennen diefe Leute Barietédirektoren, je nach dem
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