Jim:ES ist kein Kinderspiel, dort zu arbeiten, Madam. Da tiüt's eine schreckliche Menge von Unfällen, mebr als die Welt ahnt. Za kann einer zum Teufel gehen, so schnell als man mit den ftingern schnippt, und sie behandeln die Leute nicht anständig; sie vertuschen, was da vorgebt. Es passieren Dinge, die Sie nicht glauben Verden , wenn ich Sie Ihnen erzähle." Helene:Erzählen Sie davon." Jim:Ich bade gesehen, wie ein Mann sich dort in einem der Krane versing. Sie hielten die Maschinerie an, aber sie konnten ihn nicht rauskriegen. Man hätte den Kran vollständig auseinander- nehmen müssen; das hätte verschiedene Tage gedauert und es war massenhaft zu tun und der Mann nur ein armer Fremdling, den keiner kannte, um den sich niemand kümmerte. So lieben wir den Kran laufen und schnitten ihm das Bein ab." Helene:Oh. wie entsetzlich I" Jim:Das sind so Dinge, die Sie nicht glauben können, wenn Sie sie nicht sehen. Aber ich habe sie gesehen, fragte aber nichts danach. Ich war ein Narr. Und dann kam meine Stunde." Helene:Was meinen Sie damit?" Jim:Ein Oken explodierte und ein Stück Schlacke traf mich hier, wo Sie daZ Pflaster sehen. Wenn das Pflaster nicht wäre, könnte Ihnen von dem Anblick übel werden. Es war ein Schmerz, der sich nicht beschreiben läßt. Es dauerte einige Tage, ehe ich wusiie, wo ich überhaupt war. und das erste, als ich wieder zur Besinnung kam im Hospital da war ein junger Rechtsanwalt, der schon mit eine«, Schriftstück auf mich wartete." Helene serregj):Ein Rechtsanwalt?" Jim:Ja Madam. Er vertrat die Gesellschaft, wissen Sie. Ich sollte das Schriftstück unterschreiben, es war eine Quittung über die Auslagen im Hospital, für die Operation und alles das, da sehen Sie, sie hatten mir herausgenommen, was noch von meinem Auge übrig geblieben war, und natürlich konnte ich nicht sehen. Ich halte nur zu unterzeichnen, wo man es mir zeigte. Und als ich wieder besser war. sand ich, das; sie mir eine Falle ge- stellt hatten, indem sie sich einen Verzicht aus alle meine Ansprüche unterzeichnen lieben."") Helene:«Einen Verzicht?" Jim:Ich halte die Auslagen im Hospital als Ersatz an- genommen für alle meine Ansprüche an die Firma. Und ich konnte keinen Schadenersatz bekommen, und mein Auge war weg, und alle die Wochen ohne Lohn" Helene:Mein Gott I' Jim:Und sie warfen mich raus, als ich noch so schwach war, daß ich kaum geben konte, und" Helene shöchst aufgeregt):Wer war dieser Mann?" Jim:Wer?" Helene:Dieser Rechtsanwalt?" Jim:Seinen Namen habe ich niemals gehört. Er war«in junger Mann, hübsch, mit glattem Gesicht." Helene lflüsternd):Oh!" Jim:Ach, die fragen nicht danach die sind glatt wie ein Aal. Die machen das alle Tage. Dafür werden sie bezahlt." Helene(ihr Gesicht mit den Händen bedeckend):O, halten Sie ein l" Jim:Was gibt's?" Helene smit bleichem Gesicht aufblickend):Nichts, fahren Sie fort." Jim:Zwei Monate dauerte es. ehe ich überhaupt wieder arbeiten konnte. Und die Miete muhte bezahlt werden, und sie warfen uns hinaus. ES war Winter, und meine Fra » holte sich eine Erkältung, aus der eine Lungenentzündung wurde, und sie starb. Das ist alles, waS ich darüber zu sagen habe." Helene:Fahren Sie fort." Jim:Und dann, sehen Sie, kam der Finanzkrach und die Fabriken wurden plötzlich geschlossen. Der Rechtsanwalt hatte mir gesagt, die Firma wollte dafür sorgen, dah ich inimer dort Arbeit hätte, aber das war mir, damit ich unterschreiben sollte. Helene lfieberhaft):Haben Sie ihn a»s die Probe gestellt?" Jim:Ich ging nach dem Kontor, um ihn zu sprechen, aber sie wollten mich nicht einmal zu ihm lassen." *) Anmerkung de? UebersetzerS : Die amerikanischen Unternehmer tragen in der Regel grobe Sorge, gesichert zu sein gegen alle An- sprüche auf Schadenersatz, die die Arbeiter für irgendwelche nach- teilige Folgen der Arbeitsverhältnisse geltend machen könnten. Viele gehen darin so weit, dah sie regelmähig bei der Lohnzahlung den Arbcitenr mit der Quittung über den empfangenen Lohn zugleich einen Verzicht auf alle Ansprüche gegen die Firma zur Unterschrift vorlegen. Steht ein grober Schadeneriatzprozeb in Aussicht, so scheut man auch die krummen Wege nicht, wie sie hier Upton Sinclair schildert, um die Unterschrist zu erlangen und den Arbeiter wehrlos zu machen und ihn dann mit Versprechungen und geringfügigen Ab- findungen zunächst zu beruhigen. (Schlub folgt.) lAaSdruS derdot«.? JVeuea vom JVTarcbcn. Von Paul W i t t k o. Hundert Jahre find jetzt verflossen, seit die Brüder Grimm be« gannen, aus deutschem Volksmunde alte Märchen zu sammeln. In den Dörfern um Kassel , wo sie wohnten, und um Hanau , wo sie zur Welt kamen, im Paderbornischen und anderen westdeutschen Gegenden liehen sie sich von Landleu'en die im Volke lebenden und scheinbar aus ihm erwachsenen Märchen erzählen und schrieben sie in möglichst volkstümlicher Form auf. So unvergänglich der Schatz deurschen Volksgeistes ist, den sie damit ans Licht gehoben, so haben doch die gelehrten Folgerungen, die sie aus ihrer Sammlung für die Entstehung des Märchens zogen, der fortschreitenden Wissenschaft nicht standgehalten. Ein neues Bild vom Wesen dieser Dichtung ist uns entstanden, und während die Grimms den Gehalt des Märchens vergöttlicht hatten, hat man ihn nun vcr» menschlich», in enge Beziehungen gesetzt zu unseren innersten Erleb- »rissen. Prof. v. d. Leyen in München siihrt ganz neuerdings den Ursprung des Märchens zurück auf die ältesten Vorstellungen der Menschen über Schlaf und Tod. Traum und Wachen. Das Märchen ist. so meint er. nichts weiter als die Wiedergabe eines Traumes, und alle bekannten Märchenmotive liehen sich auf ein Traumerlebnis zurückführen; so das Motiv vom Zauberschlaf im Dornröschen, daS Zaubermotiv usw. Märchenstoffe lieferten auch die Borstellungen von der Seele, die in Schlaf und Traum auherbalb des Menschen lebe. Seelenglaube. Naturbeseelung schufen Märchen. Zum Urquell der Märchendichiung zu dringen ist indeS Sisyphusarbeit. Die Wünschelrute, mit der er sich finden liebe, ruht noch in Frau Zu- kunfts geheimnisvollen Händen. Den Strom der Märchendichtung aber sehen wir sich ergiehen über die ganze Well, von der Zone der Zulus bis zum eisigen Island . Der köstliche Märchenschatz der Völker war lange unbebütet. Beschädigt ward er. verschüttet zum Teil, zum Teil ge- schändet. Traurige Trümmer nur sah man ragen. Was offen zu- tage lag. war in wüiier Verwirrung, hatte man lieblos von Schling- kraut umwuchen» lassen. Und lange hatte man nicht gewagt, zu säiibem, denn den üppigen Efeu adelte sein Alter. Erst ganz neuer- dingS rih man die deckenden Ranken rücksichtslos herunter, drang aus dem Wege vorurteilsfreier Wissenschaft in die lichtlosen Räume des Märchenlabyrinihes und in das Dunkel strömte mancher belebende Strahl. Endlich stand man da erstaunt und stumm vor Entzücken über diese Welt bunter Träume und lind- licher Sehnsucht, diese Welt ungescfcauter Fremdheiten und schöner Wildnisse, diese Welt der blauen Wunder, die doch zugleich die Heimalöwelr war in ihrer stillen, einfachen, berzrührenden Einfalt. Und immer geheimnisvollere Wunder enthüllten sich und lockten weiter und immer weiter. Doch immer neue dornige Gebüsche stellten sich in den Weg und schüttelten die Köpfe über die, die sie beiseite drängten. Aber weiter, viel weiter ist die Wissenschaft vom Märchen inzwischen gelangt. Wir wissen, dah das WortMärchen" zu dem heute geläufigen Sinne am Ende des 18. Jahrhunderts gekommen ist. als die orientalischen Märchen bekannt wurden. Und erst vor etwa hundert Jahren wurden die drei wissenschaftlich von einander geschiedenen Begriffe Mythos, Sage und Märchen geprägt, indem man mit Mythos die Göttersage bezeichnet, Sage, die an bestimmte Persönlichkeiten oder Orte oder Gebräuche geknüpften Erzählungen, Märchen die Fülle der frei schwebenden Geschichten nennt. Die Brüder Grimni sahen den Götlermythos als den ältesten Quell von Sage und Märchen an. Ihr Lieblingsbeilpiel war unser liebes Dornröschen. Das schien den Brüdern Grimm zweifellos nichts anderes alö der letzte Nachklang der Göttersage von Brunhilde . Nach der Edda , die in ihren alten Liedern die Stoffe der germani - schen Götter und Helden enthält, wird Brinihild in strahlender Waffen- rüstung von Odin mit dem Scklafdorn gestochen und schläft den Zauber- schlaf in der Waberlohe, einem Feuerwall, den nur Siegftieo sali- nordisch Sigurd ) durchdringen kann, der furchtlose, der der beste ist und stärkste und glänzendste der Menschen. Brunbild verfällt dieser Strafe, weil sie sich dem Willen der Götter widersetzte. Das Dorn- röschen des ValkSniärchcns handelt gegen den ausdrücklichen Willen der Eltern, als es sich an die Spindel setzt, und auch sein Un- gehorsam wird bestratt. Die Brüder Grimm fanden auch in der Mythe, der Göttersage, wie im Märchen das gleiche Natursinnbild: der Rosenzeit folgt eine Zeit, da die Natur im Winterschlaf« ruht. Mit Brunhild wie mit Dornröschen sei also nichts anderes als die Erde gemeint. Diese Deutung sprachen die Brüder Grimm als ihr sicheres wissenschast- liches Forscherergebnis aus. Und sie glaubten das Sinken der meisten uralten Götterlypcn von Stufe zu Stufe beweisen zu können; sie kamen zu der Ueberzcugung, daß der tvahre Sinn von Märchen und Sage nur erfafit werden könne durch Rückführung aus ihren mythischen Ursprung: Götter sollten ur- sprünglich die Helden der Sage und des Märchens gewesen fein, und der Schauplatz ihrer Taten der Himmel. Also Brunhild , die Schlachtenjungsrau der alten germanischen Heldensage, und das Dornröschen, so meinten die Brüder Grimm , seien eine und dieselbe Person. Das schien ja auch so selbstverständlich und so leicht faßlich und unwiderstehlich anziehend. Diese Anschauung hat sich durch »oeite Schichten verbreitet und ist mich heute»och die Meinung gar