»st, war dagzgen von der SaHe des VoylottS und zwar des Boykotts zu allgemeinen politisck-ökonomüchen Zioecken mindestens schon vor bald zwei Jahrhunderten die Rede. Wohl der erste literarische Ver- fechter dieser Idee war der berühmte angloirische Schriftsteller Jonathan Swift , der Verfasser vonGullivers Reisen ". Swift hat 1720 den politischen Boykott zuerst empfohlen als Kampf- mittel gegen die Unterdrückung und Ausbeulung Irlands durch die herrschenden Klassen von England, besonders gegen die vsrderbl-chen Handelsgesetze, die eine eigennützige Krämerpolitik den Iren auf- erlegt harte. ES handelte sich um alle möglichen Einschränkungen der Wirt- schaftlichen Bewegungsfreiheit von Irland , um den englischen Geld- leuten den europäischen, wie den kolonialen, wie den englischen Ab- saymarkt für Jndustrieerzeugnisse ausschließlich vorzubehalten. Be- sonders ist das l69g in Kraft getretene Verbot der Ausfuhr von Wollstoffen aus Irland zu nennen, wodurch die im Aufblühen be- griffen« irische Tuchindustrie vernichtet wurde. Diese Handelsgesetze, die jede wirtschaftliche Entfaltung Irlands unmöglich machten, hatten auch bei den Iren englischer Herkunft, die sonst der zu ihren Gunsten enteigneten keltischen Mehrzahl der Bevölkerung feindselig gegenüber- standen, den Gedanken wachgerufen, sich irgendwie zur Wehr zu setzen. Einen Weg dazu zeigte Swifts Flugichrift von 1720, die das irische Volk aufforderte, den seinem Handel auserlegte» Beschrän- kungen dadurch entgegenzutreten, daß es sich des Verbrauchs eng­lischer Erzeugniffe und also der Einfuhr aus England völlig enthalte, bloß irische Produkte verbrauche. Es wurde gegen Swift wegen dieser Flugschrift Anklage erhoben ohne anderen Erfolg, als daß er zum populärsten Mann Irlands wurde. Ein positives Ergebnis zeitigte der Boykottvorschlag in dem Augenblick, wo Swift ihn aus- sprach, nicht, obwohl er vielfach aufgegriffen wurde. Aber man ist in Irland darauf zurückgekommen, zu einer Zeit, wo auch die keliische Mehrheit der Bevölkerung geneigter war, mit den angelsächsischen Iren für ein genA-insames Interesse gemeinsame Sache zu machen. Das war in den siebziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts, als England infolge des amerikanischen Revolutionskricges in dicken Nöten und gezwungen war. die Besatzungstruppen aus Irland wegzuziehen. Da entstand in Irland eine stürmische Bewegung für Beseitigung der Vormundschaft des englischen Parlaments, besonders auch der englischen Handelsgesetze. Hierauf zu verzichten sträubten sich die Interessentenkreise in England, besonders die Kapitalisten von Liver- Pool, Manchester und Glasgow , hartnäckig. Sobald die Möglichkeit in Sicht kam, daß die Iren einige kommerzielle Bewegungsfreiheit erlangen könnten, erging aus der Milte der englischen Manufakluristen ein Regen von Bittschriften über das englische Parlament, worin die fürchterlichen Folgen ausgemalt wurden, die sich für Englands Wohl- fahrt ergeben müßten, wenn den Iren die Fesseln der Handels- gesetze abgenommen würden. Diese Herrschasten wurden aber still, als man nun<1779) in Irland dazu überging, den alten Boykott- Vorschlag von Jonathan Swist zu verwirklichen. Zahlreiche Ver- sammlungen wurden abgebalten, in denen überall beschlossen wurde, keine Artikel englischer Herkunst einzuführen oder zu verbrauchen, so lange die Handelsbeschränkungen fortbestünden. Die Einmütigkeit in der Durchführung dieser Beschlüsse brachte denn auch zuwege, daß das englische Parlament klein beigeben und den Iren den verlangten freien Handel zugestehen mußte. Wenn also die Iren nach fast 00 Jahren auf Swifts Vorschlag zurückkamen, so hat dazu zweifellos mächtig beigetragen der große Erfolg, den die Durchführung des Boykotts zu politischen Zwecken inzwischen, und zwar in den letzten IS Jahren vor 1799 in Amerika erzielt hatte. Die Handelspolitik der englischen Geld- leute gegenüber Amerika war im wesentlichen die nämliche wie gegenüber Irland; man wollte keine ausländische Konkurrenz in den Kolonien zulassen, die Kolonien mit ihren Erzeugnissen auf den englischen Markt beschränken und dabei ein Aufkommen industrieller Konkurrenz der Kolonien verhindern. Diese gesetzliche Unterbindung der ökonomischen Entwickeluiig von Amerika hat mehr als alles andere dazu beigetragen, die Kolonisten rebellisch zu machen. Ihr Unwillen über die handelspolitische Benachteiligung durch die herrschenden Klassen des Mutterlandes kam zum Ausbruch, als 1764 das englische Parlament versuchte, durch Einführung der Stempel- steuer in Amerika sich ein Besteuerungsrecht über die nicht im Parlament verttetenen Kolonien anzumaßen, das diese nicht an- erkannten. Unter den Abwehrmitteln der Amerikaner spielte nun schon gleich der Boykott eine beträchtliche Rolle. Die Kaufleute von New Uork machten den Ansang mit dem Beschluß, vom I. November ab keine Waren mehr von England zu beziehen, bis die Stenipelsteuer aufgehoben sei. Die Kausteute von Boston und Philadelphia traten bei, und die ganze Bevölkerung, den weiblichen Teil nicht zu vergessen, beteiligte sich an der Boykottierung der englischen Jndustrieerzeugnisse. Das hieß auf fast allen, auch den Primitivesten Luxus verzichten, besonders auf die Beschaffung einigermaßen ansehnlicher Kleidungsstücke; denn in Amerika wurden nur erst die gröbsten Wollzeuge hergestellt. Aber Benjamin Franklin , der große Amerikaner, der die Sache der Kolonisten in London vertrat, erklärte dort an der Barre des Parlaments, daß es der Stolz seiner Landsleute sei, ihre alten Kleider immer wieder zu tragen, bis sie sich selbst in eigenen Manufakturen neue machen könnten. Bald rangen in England die am Kolonialhandel interessierten Kapitalisten die Hände und brachten in beweglichen Petionen zur Kennttiiö des Parlaments, daß sie ihren Absatz nach den Kolonien rapid abnehmen sähen, neue Bestellungen nicht zu ver- zeichnen hätten und zum Teil sch m genötigt gewesen seien, den Betrieb einzustellen. Zehntausend Ä'rbetter waren in England außer Brot infolge des amerikanischen Boykotts. Unter dem Druck der in ihren Profitinteressen bedrohten Kapitalisten verstand sich daS Par­lament im Februar 1766 dazu, die Stempelakte wieder aufzuheben. Dem abgeschlagenen ersten Angriff ließ ober das nächste eng- tische Kabinett North einen neuen folgen, indem es im Jahre 1767 den Versuch machte, den Kolonien einen Einfuhrzoll auf Papier, Malerfarben. Glas und Tee aufzuhalsen. Sogleich setzten sich die Amerikaner wieder zur Wehr und zwar vor allem mit ver schon erprobten Waffe des Boykotts. Die Kaufleute von B o st o�n machten diesmal den Anfang mit dem Beschluß, nichts mehr aus England einzuführen, und fanden überall Nacheiferung. In Virginien spielte George Washington , der nachmalige Revolutionsgeneral und erste Präsident der Vereinigten Staaten , eine große Rolle bei der Inszenierung der Boykottbewegung: er hat hier den Plan zur praktischen Durchführung der Boykoiibeschlüsse entworfen. Er schrieb damals:Die Waffen seien unsere letzte Hilfe. Wir müssen abwarten, inioiefern wir Englands Aufmerksam- keil auf unsere Rechte und Privilegien lenken können. indem wir seinem Handel und seinen Manufakturen Schaden zufügen." Der Schaden war in der Tat enorm. In Jahrcssrist sank die englische Einfuhr nach Neuengland auf die Hälfte, nach New Dort auf ein Drittel der vorherigen Höhe. Bald klagten die englischen Kapitalisten der Regierung und dem Parlament wieder die Ohren voll. Und so mußte man sich 1769 an der Tbemse wiederum zum Rückzug verstehen. Um aber den Schein zu wahren, wurden nicht alle neuen Zölle aufgehoben. sondern der Teezoll blieb bestehen. Die Antwort der Dankees war, daß sie den allgemeinen Boykott zwar aufhoben, den Tee» b o y k o t t aber beibehielten und mit großer Energie durchführten. Dabei mutz man bedenken, daß für die Amerikaner der Verzicht auf den Tee soviel bedeutete, wie für uns die Aufgabe des Kaffee- genusscS. Die Bevölkerung aber hielt aus. obwohl sie von eingeschmuggeltem holländischen Tee abgesehen bloß solchen frag- würdigen Ersatz hatte, wie Tee ans SassastaSblättern. Wie groß der Eifer für den Boykott war, zeigt das Gedicht einer virginischen Dame, die den englischen Tee unter Bezugnahme auf die ungeheuer- lichen Wahlbestechungen im damaligen England also anredet: Fliege wieder heim nach Britannien, dessen käufliche Männer für Gold ihre angeborenen Menschenrechte verhandeln. Soge den. North und seinem bestochenen Schurkenhaufen, daß ihre blutigen Beschlüsse in der Hölle geboren sind. Sie wollen uns das Sklavenjoch auf- halsen und die heiligen Normen der Gerechtigkeit zerstören. Nein. die Söhne Amerikas werden sich nicht unterdrücken lassen." Jahre und Jahre zog sich der Teeboykott hin, um schließlich seine Wirkung zu tun. Schon für die Zeit von Anfang März des Jahres 1770 bis Mille 1771 gibt Hutchinson, der damalige königliche Gouverneur für Massachusetts , den Verlust, den den Teeboykott für die Zoll- einkünfte der Regierung bedeutete, auf 60 000 Pfd. Sterling süber 1 200 000 M.) an. Die englisch -ostindiiche Kompagnie, die das Monopol des Teeimporls nach England hatte, blieb mit dem be» trächtlichen Bruchteil, der sonst nach Amerika weiterging. sitzen, sodaß sich in den ersten Monaten des Jahres 1773 nicht weniger als siebzehn Millionen Pmnd Tee in den Lagerhäusern der Kompagnie angehäuft hatten. Nicht nur litt darunter die Dividende der Aktionäre sehr, sondern die Kompagnie geriet in die dringende Gefahr, ihre Zahlungen einstellen zu müssen. So machte die mächtige Kapitalistengruppe ihren ganzen Einfluß geltend, damit die Behinderung der amerikanischen Einfuhr aufhöre. Das Parlament wollte sich aber nicht die Blöße geben, den Teezoll einfach aufzuheben, sondern verfiel auf einen Trick, der sich in der T e e a k t e vom Mai 1773 verkörpene. Danach sollten der Kompagnie drei Fünftel der britischen Einfuhrzölle zurück- vergütet werden für den Tee, den sie nach Amerika exportiere. In- folge davon würde den Amerikanern der Tee billiger zu stehen kommen, als wenn der koloniale Einfuhrzoll nicht mehr erhoben würde. Man kalkulierte deshalb, daß die UankceS nun wieder Tee trinken würden. So beschränkt waren die Amerikaner aber nicht; sie blieben bei ihrem grundsätzlichen Standpunkte, daß kein verzollter Tee zu trinken sei, und wenn er noch so billig sei. Derweil hatte aber die Kompagnie bereits in der Erwartung eines raschen Absatzes Schiffe mit Tee nach Amerika hinübergeschickt. Nirgendwo fand die Ware Abnehmer. Und in Boston , wo der englische Gouverneur nicht die Rückkehr der in den Hafen eingelaufenen Teeichiffe der Kompagnie gestatten wollte, ohne daß der Tee gelandet und verzollt worden wäre, in Boston kam eS zu dem berühmten Vorgange vom 28. Dezember 1773, der sogenannten Bostoner Tee» gesellschaft: nach einer Massenversammlung, der ein Drittel der Bevölkerung von Boston beiwohnte, ging eine Schar von Bostoner Bürgern, als Indianer verkleidet, an Bord der Teeschiffe und warf den ganzen Tee, 342 Kisten im Werte von 360 000 M., ins Wasser. DaS Parlament antwortete mit der Schließung des Bostoner Hafens. Aber nun tat sich ein Kongreß sämtlicher amerikanischen Kolonisten zusammen, der u. a. beschloß, sich aller Einfuhr aus England und demnächst auch aller Ausfuhr nach England zu enthalten, bis den Kolonien ihr Rech» geworden. Demnächst kamen die eisernen Würfel ins Rollen. Aber eS waren nicht allein die militärischen Erfolge, die für die Kolonisten ent- schieden, sondern auch die ökonomischen Folgen der Unterbindung des Handelsverkehrs mit den Kolonien, die sich für das Mutterland