und Heinrich meinte sogar den Duft zu sprcen, den die ge- häuften Trauben allüberall aushauchten. Wer auch nur ein schmächtiges Endchen Rebland fein Eigen nannte, tat jetzt groß vor dem Herrn. Das war nie anders gewesen, soweit Heinrich zurückdenken mochte. Von nah und fern kamen zu dieser Zeit die Freunde des Land- manns herbeigereist, namentlich die Treustädter Verwandt- und Bekanntschaft, geschniegelte Herren und Damen, ließen sich diese schönste ländliche Feier nie entgehen. Es war außer- dem eine Ehre, dabei zu sein, den Segen zu besprechen, die ersten Tropfen desNeuen" frisch von der Kelter zu kosten und die Güte des Jahrganges mit Kennermiene wahrzu- sagen. Niemand wußte das besser als die Nichtgeladenen. Heute niocht es da und dort ein armes Kartoffelbäuerlein, kleine Handwerker geben, die im Gefühl ihrer Nichtigkeit verbissen beiseite schielten, wenn die fröhlichen Karawanen der Winzer und Winzerinnen an ihnen vorbeizogen. Ob ich morgen auch eingeladen werde? dachte Heinrich mit traurigem, sehnsuchtsvollem Auge. Ach, wohin waren die hochfliegenden Gefühle glücklicher Heimkehr so schnell ent- schwunden! Als er vorhin den schmalen Weg von der Station da hinaufging, glich sein Herz noch einem überströmenden Eimer des Glücks und die Quelle seiner Freude war das Be- wußtsein, heimzukommen als einer, dem selbst die höchst- gestellten Mitbürger Achtung zollen mußten. Wenn seine Güter nicht gemünzt auf einem großen Haufen lagen, so hatte dafür sein Name einen guten Klang, denn er gehörte trotz seiner Jugend schon zur Zunft jener Schmiede, die ihre Er- fahrungen gleich Edelsteinen sammeln, läutern, schleifen und fassen, um sie endlich zum Segen aller dem herrlichen Krön- schätz der Menschheit einzuverleiben. Wenigstens stand es so in seinem Sinn und diesen Stolz hatte er nicht eben ge- stöhlen. Sein Pfad war keineswegs bequem gewesen, sondern mit großen Fährnissen im Zickzack steil aufwärts gegangen und manche Hülle war abgestreift am Wege liegen geblieben, ehe er seinen wahren Beruf zu ergreifen vermochte. Nun hatte ihn aber ein bitteres Heimweh zurückgetrieben an die Stätte seiner Kindheit. In Träumen sah er sie lang vor dem Aufbruch, ein silbern Geläute Hub an von auf- erwachten Erinnerungen, Willkommen winkten die vertrauten Gehege, der Anger wirbelte feine Düfte und Schmetterlinge in die Luft, der See hielt den Atem an und ließ ihn schauen das blitzende Leben der Tiefe und auch Rauschebart, der Alte im Walde, erschien ihm im Traum, er, der damals so manchen Ast gutmütig stützte, wenn der Waghals Vogelnester aus- nahm, der das Kind erfüllte mit seinem sinnbetörenden Odem und die spielend durchgedrungenen Sonnenflitter heimlich verwob mit den Schößlingen der Dichterseele. Ja, und nun hatte Heinrich gehofft, einmal recht von Grund auf auszu- ruhen von den Irrfahrten seiner Jugend, eines ziel- und meisterlosen Gesellen, der von einem Gewerbe zum anderen lief und vergeblich strebte, die geraden Märsche der Regel- rechten mit Seitensprüngen und Winkelzügen zu über- trumpfen. Hier wollte er vergessen die erlittene Schmach des Arbeitsscheuen, der in mancher selbstverschuldeten Not lieber- lich die Hand ausstreckte und kaum mehr errötete, wenn die Gabe bettelhast gering ausfiel oder barsch verweigert wurde. Ja freilich, dem Beutel nach gehörte er noch recht wohl da hinauf ins Tobel, wie die kleine Ansiedlung oberhalb des eigentlichen Dorfes hieß. Das war der Grollwinkel der armen Haldensteiner, und nicht wenige gab es da, die nie ein Fäßlein Most im Keller, keine Rübe im Felde hatten. Inmitten der unansehnlichen Hütten, aus denen da und dort deutlich das Laster der Faulheit, des Schmutzes, der Trunksucht durch die mit Pappe geflickten Scheiben grinste, stand, etwas erhöht mit herrlicher Aussicht das Haus des Stickers Bastian Hugentobler. Eine alte Baracke desgleichen, doch sah man auf den ersten Blick, daß hinter dem bröckelnden Gemäuer, dem verräucherten Fachwerr unter dem maus- grauen Schindeldach eine Hand wirkte, die sich mühte, das runzlige Gesicht des Häuschens mit allerlei Ranken und Blumen zu verschleiern. Das war aber nicht etwa der Base, sondern des Vetters vielverhöhntes, gescholtenes Stecken- pserd. Die drei sprachen nun weiter von ihren häuslichen An- gelegenheiten. Der Vetter hatte eS durch seinen Fleiß end- lich vom Pächter zum Eigentümer sowohl des Hauses als auch der Maschine gebracht, die zusammen einen Wert von siebentausend Franken ausmachten. sWir könnten auch schon einen schönen Batzen am ZinS haben, wenn der einfältige Tropf da" die Base wies mit dem Kopf schmälend nach ihrem Manne hinnicht die Hälfte von Jeinem Verdienst dem Großen zusteckte." Sie meinte den ältesten Sohn.Wie wenn der nicht alt und stark genug wäre, sich ehrlich durchzubringen. Eine Schande ist das!" lFortsetzmig folgt.) Hus dev JVaturgcfdncbte des Sites. Die Forschungen der letzten Jahrzehnte haben die Kunde von der Natur und Bedeutung des Eises der Erde in hohem Matze er- weitert und vertieft. Dazu haben sowohl die Reisen in Polar- gebieten wie die Untersuchungen an den Gletschern der Hochgebirge das meiste beigetragen. Aber auch die Eisbildungen auf Seen und Flüssen der gemäßigten Zonen find nicht vernachlässigt worden und außerdem hat man sich auch im physikalischen Laboratorium mit der Ergründung der Eigenschrsten des Eises eingehend beschästigt. Daraus ist eine Summe von Kenntnissen entstanden, die viel Lehr- reiches enthält. Im allgemeinen kann man auf der Erde drei der- schiedene Arten von natürlichem Eis unterscheiden: das Eis der Landgewäffer, das Meereis und das Gletschereis, und all« drei Arten lassen sich an ihrem Aufbau unterscheiden. Außerdem kommen nun aber noch ander« Eigentümlichkeiten hinzu, die zum Teil von großer, man könnte sagen weltbehcrrschcnder Bedeutung sind. Pro- fessor Buchanan, der das berühmte SchiffChallenger" schon vor fünfunddreißig Jahren auf einer Kreuzfahrt an die Grenzen des Südpolargebietes begleitete, machte damals die Beobachtung, daß die Schmelztempevatur des McereiscS durchaus nicht, wie es so lange von jedem Eis angenommen war, genau bei 0 Grad lag. Es schmilzt vielmehr schon bei einer niedrigeren Temperatur. Auch ergibt solches Eis, nachdem es geschmolzen ist, niemals rxines Wasser, wie es ja auch nicht aus reinem Wasser, sondern eben aus Seewasser entstanden ist. T amols wurde zum erstenmal der Schluß gezogen und bald vollgültig bestätigt, daß in dem Eis, das sich auf' dem Meere bildet. Salz in festem Zustand enthalten ist. Ebenso wie eine Mischung von Schnee und Salz eine Temperatur besitzt, die erheblich unter dem Gefrierpunkt liegt, auch wenn sie sich in schmelzendem Zustand befindet, so hat auch eine Mischung von Schnee und Seewasser, wenn sie beständig umgerührt wird, eine niedrigere Temperatur, nämlich von fast 2 Grad. Diese Beob. achtung wurde zuerst bei den Arbeiten gemacht, die sich an die rühmliche Vega-Expedition von Nordenskjöld anschlössen. Professor Buclwnan hat jetzt in einem Vortrag schlechthin den Satz aufge- estllt, daß es In der Natur wahrscheinlich kein Eis gibt, das genau bei 0 Grad schmilzt und friert. Diese sonderbar erscheinende Be- hauptung rechtfertigt sich einfach daraus, daß vollkommen reines Wasser in der freien Natur fast gar nicht vorkommt. Wenn aber das EIS oder das Wasser, in das eS eingetaucht ist, irgendeine Ver­unreinigung enthält, beginnt das Eis schon bei einer niedrigeren Temperatur als 0 Grad zu schmelzen. Das. was man als reineS festes Eis zu betrachten pflegt, ist überhaupt kein solches, sondern eine Mischung von Eis und reinem Wasser. Die häufigste Art der Verunreinigung des Wassers, weil sie eine Eigenschaft der ge- samten ungeheuren Masse der Ozeane darstellt, ist selbstverständ- lich das Chlornatrium, mit gemeinem Namen Kochsalz genannt, und die Anwesenheit dieses Stoffes bedingt für sich allein bcttits eine ganz wesentliche Beeinflussung sämtlicher Eigenschaften des EiseS. Der Gefrierpunkt und der Schmelzpunkt können beim Seeeis je nach der Natur der llmgebung, wobei ganz besonders noch die Druckverhältnisse zu berücksichtigen sind, um 30, 40 ooer gar noch mehr Tcmperaturgvade schwanken, eine gewiß gang erstaunliche Tat- fache. Wenn man aus dem Polarmeer ein Stück schwimmenden Eises auflöst, so erweist eS sich zunächst als nicht durchaus gleich- förmig in seinem Bau. Es besteht möglicherweise oder wahr- scheinlich aus einem Grundstock von echtem Meereis. In den oberen Lagen aber finden sich immer Bestandteile anderer Ratur, die au? Schnee, aus gefrorenem Spritztvasser und sehr oft auch aus Bruch- stücken von Landeis hervorgegangen und zu einem sehr eigentüm- lichen Konglomerat verkittet sind. �Wenn nun das ganz« erhitzt wird, so fängt es schon bei einer Temperatur zu schmelzen an, die 1 oder 2 Grad unter dem Schmelzpunkt von reinem Eis liegt, und die sich ergebende Flüssigkeit ist Salzwasser. Die am stärksten salz. haltigen Teile deS Eisstückes schmelzen zuerst, die reineren später. Man kann diese Tatsache durch ein hübsches Experiment im Labo» ratorium beweisen. Man versckaffe sich einige Würfel von reinem Eis, die genau aneinander passen, begieße das ganze mit Salz- Wasser und lasse es gefrieren. Dadurch entsteht ein einheitlich aus- sehender Eisblock. Wenn dieser nun der Sonne ausgesetzt wird, so schmilzt zuerst das Salzwasser und nach einiger Zeit zerfällt der Block, und zwar genau in die früheren Eiswürfel. Etwas ganz Aehnliches geschieht, wenn man einen Block von natürlichen- Gletscherwasser der Sonne aussetzt. Dieser löst sich dann auf in eine Anzahl von Körnern. Diese werden zuerst los« in ihrem Bindemittel, so daß sie ein klapperndes Geräusch geben, wenn man den Block hin und her schüttelt, und schließlich fallen fie auf einen