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Ich wußte nicht, daß ein Blick so viel sagen kann. Ein ein ziger Blick, den ein gequältes Wesen, den ein Hund zur Sonne auftut.

Dann ging es bergab mit ihm. Der Karren rollte langfamer, die Schläge fielen dichter. Er war alt, er konnte nicht mehr. !" schrie sein Herr, ein roher Patron. Füttere ich Dich umsonst, faules Luder?!" "!" äfften die Gassenjungen ihm nach. Füttern wir Dich umsonst?!" Und er zog

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War er denn überhaupt ein Hund? Ein Gleichwertiger, einer der ihrigen? Nein. Er war ein Arbeitstier, halt Karrenwächter, halb Lastgaul, das im Rinnstein wohnte, im Ninnstein fraß und im Rinnstein sterben würde.

!" schrie sein Herr.! faules Luder!" !" äfften die Jungen ihm nach.

Ich erinnere mich des Tages, da er zusammenbrach. Es war ein heißer Tag, und er lag auf der Straße, mitten auf dem Fahr­damm, etwa zehn Schritt vom Hause. Die Zunge hing heraus, das Maul stand offen, die Augen quollen vor. Er lag auf der Geite, den Stopf vorgeftredt, und wand sich in Krämpfen. !" schrie sein Herr. Die Peitsche flatschte.

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Aber es ging nicht. Die Krämpfe wurden heftiger, der Atem schwerer, dann fam ein Rud und er war nicht mehr.

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Er lag auf dem Fahrdamm in der Sonne. Menschen famen vorbei und blieben stehen. Einige zuckten die Achseln. Niemand hatte ein Wort für ihn, auch nicht ein Wort. Die Menschen sind Hart. Aber selbst Hunde gingen vorbei. Ein Mops kam daher, schnupperte in der Luft und trottete weiter. Ein Windhund kam, wohl ein Westethifer in seiner Art, fuhr zusammen und lief Gewiß, war denn das ein Hund? Ein Vollwertiger, der? Ein Karrenwächter, ein Lastgaul, der im Rinnstein lebte, im Rinn­ftein starb? Bah, machte er

davon

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Ich habe ihn gesehen, wie er an einem Mittag im gof lag.' geführt, die oft von lebenrettendem Einfluß für den Betreffenden Er war ganz voller Staub und Schweiß, ganz Ermattung. Aber sind. Die günstigen Resultate verdankt die Chirurgie in erster fein Blid war flar. Es war etwas wie Stolz in ihm, wie Hoffnung Linie dem aseptischen Vorgehen der Operateure auch bei den und Stolz. Er glitt über die Brandmauern, glitt höher hinauf fleinsten Eingriffen. Seitdem Pasteur , der geniale französische höher gen Himmel. Zur Sonne auf. Aus dem schmußigen Forscher, nachgewiesen hat, daß in der Luft, auf unseren Händen, Hoffchacht zur Sonne an unseren Kleidern usw. zahllose Bakterien ihr Dasein führen, die bei gegebener Gelegenheit Eiterungen und andere Infektionen machen, ist es ein Grundsatz jedes operativen Vorgehens geworden, nur nach Desinfektion aller Gegenstände und Personen, die irgend wie unmittelbar mit der Operation zu tun haben, fünstliche Wunden anzulegen. Auf diese Weise ist die Wundinfektion, das Wundfieber, das früher den meisten Operationen ihren unheilvollen Ausgang gab, so gut wie vollkommen aus der praktischen Medizin verdrängt und damit die Grundlage zu den Erfolgen, deren sich die Chirurgie rühmen darf, gegeben worden. Das fenfibelfte Organ Bon Straße zu Straße, von Haus zu Haus. unseres Körpers, das Gehirn, ift in jüngerer Zeit ebenfalls Niemand hatte einen Blick für ihn, niemand ein gutes Wort. Gegenstand operativer Eingriffe geworden. Darüber berichtet der Nicht nur die Menschen nicht; die Menschen sind hart. Nein, Direktor der Berliner chirurgischen Universitätsklinik, Professor auch nicht die Hunde. Es gingen Hunde vorbei, feist und ge- Sildebrand, in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift": striegelt, die fich warm durchs Leben fchmarotten, es fuhren Hunde Wenn man berücksichtigt, daß unser Gehirn das Zentralorgan der daher in breiten Equipagen, große auf dem Kutschbock und fleine zahllosen Nervenstämme darstellt, daß es ferner der Sit unserer in Decken gehüllt, feiner achtete auf ihn. psychischen( feelifchen) Vorgänge ist, so wird man begreifen, mit welchen Gefahren ein Eingriff in die Substanz des Gehirnes ver­bunden ist. Dennoch ist es gelungen, Geschwülfte, die sich im Ges hien ausgebreitet haben, Wafferansammlungen, die ebenso wie erstere auf die ungemein empfindliche, nervöse Substanz des Hirnes gedrückt und Ausfallserscheinungen wie Lähmungen der Gliedmaßen, Seh- oder Hörstörungen je nach der Stelle ihres Sizes hervorgerufen haben, operativ zu beseitigen und damit eine dauernde Heilung zu erzielen. Freilich bedarf es zur Ausführung des chirurgischen Eingriffes der genauen Feststellung, der Diagnostizierung des Krankheitsherdes. Dies ist die Arbeit des Nerbenarztes, des Neurologen, der die verschiedenen Krankheits­symptome so verwerten muß, daß er vor der Gröffnung des knöchernen Schädeldaches den Siz der Geschwulst, die Ausdehnung der Flüssigkeitsansammlung usw. genau bestimmen und seinem chirurgischen Kollegen beschreiben kann. Durch die Beteiligung ver schiedener Gehirnzentra, deren Sib meist gut befannt ist, 3. B. durch Schstörungen, durch Hörverluste, durch Schwindelanfälle uſw. fann der geübte Nervenarzt mit großer Sicherheit die Stelle um­schreiben, an der sich der frankhafte Prozeß lokalisiert haben muß. Es bedarf also auf jeden Fall der Zusammenarbeit des Chirurgen und des Neurologen, um eine Gehirnoperation auszuführen. In Berlin haben seit mehreren Jahren zivei hervorragende Bertreter ihres Spezialfachs, der Nervenarzt Professor Oppen heim und der Chirurg vom Augusta- Hospital, Professor Fedor Strause, in dieser Weise zusammengearbeitet und durch ihre Re fultate berechtigtes Aufsehen erregt. Jest beteiligen sich auch andere Nervenärzte und Chirurgen an Gehirnoperationen. In der Ueberempfindlichkeit der nervösen Substanz gegen Drud, Einstich usw. besteht die große Gefährlichkeit aller Gehirnoperationen, die trotz der Ausbildung der modernen chirurgischen Technik und Diag noftif zu den ernstesten Eingriffen gehören, zu denen sich die Heil­funde entschließt. Deshalb zerlegt man, da die Operation meist sehr umfangreich und zeitraubend und infolgedeffen sehr schwächend ist, den ganzen Eingriff in zwei Stadien. Während der ersten Sigung wird zur Eröffnung des Schädels ein breiter Haut und Knochenlappen in der Gegend der diagnostizierten Stelle aus dem Schädeldach herausgeschnitten oder gesägt. Mit der Bildung des Knochenlappens ist der erste Akt der Operation beendet; den zweiten Aft, die eigentliche Hirnoperation, verschiebt man auf einen späteren Tag. Der Knochen- und Hautlappen, der an einer Seite mit dem übrigen Schädel noch in fefter Verbindung steht, wird wieder in die Höhe geklappt, und der Patient etwa eine Woche, je nach dem Verlauf fürger oder länger, in Ruhe gelaffen. Hat er den ersten Teil der Operation gut überstanden, so wird der zweite Teil in Angriff genommen, der meist sehr viel blutiger wegen im Chien befindet des enormen Blutgehaltes des Gehirns große Menschenmassen zufammen zu strömen pflegten. Vielfach schritt ein Pfeifer sich etwa ein Viertel unseres Gesamtblutes verläuft. Bebor und ein Pauker dem Zuge voran; oft erhielten auch die Buben das Gehirn freiliegt, muß noch die harte Hirnhaut durchschnitten faule Eier; und die Burichen betranten sich mit dem Wein, der ihnen werden. Ist dies geschehen, so gewinnt man die Uebersicht über das für Rechnung der Delinquentin verabfolgt wurde. Wie E. v. Künz wird. Der Krankheitsherd macht sich häufig schon durch eine Auf­lebende Gehirn, ein Anblick, der auch dem Arzte nur selten zuteil berg in den Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtstreibung der Hirnsubstanz an einer bestimmten Stelle bemerkbar. geschichte" mitteilt, haben wir in der Strafe des Steintragens ein Die Geschwulst wird meist stumpf, mit dem Finger oder mit einem Rudiment, eine Abschwächung der früheren Straftnechtichaft ebenso wie in dem Hunde-, Sattel- und Pflugradtragen zu sehen. Der anderen stumpfen Instrument, um feine Subftanzverlebungen am Bagstein war ursprünglich ein Handmühlstein als Zeichen weiblicher Sirn selbst zu machen, herausgeschäft, eine 3yfte ihre flüssigen In hafts entleert und eventuell herausgezogen. Dann wird die Wunde geschlossen, erst die Hirnhaut vernäht, der Knochenlappen in seine richtige Lage gebracht und die Haut vernäht. Wenn keine Ver. legungen an empfindlichen Stellen der Hirnsubstanz erfolgt sind, fann die Operation die glücklichsten Resultate geben und dem Be. troffenen die volle Funktionsfähigkeit zurückbringen. Eine große Gefahr liegt darin, bei der Entfernung des Krankheitsherdes Icbenswichtige Gehirnstellen zu verleben, deren Erhaltung oft durch den Sib der Geschwulst unmöglich geworden ist. Immerhin find aber die glücklich ausgeführten Gehirnoperationen wahre Meister

Jch aber fannte ihn. Ich sehe ihn noch jenen Tag im Hofe. Gehe ihn müde und gequält.

Ich sehe den Blick zur Sonne..

Werner Peter Larsen.

Kulturhistorisches.

Die Strafe des Steintragens im Mittelalter Zu verschiedenen Berliner Museen werden sog. Bagsteine"( von bagen" zanken, streiten, hadern) aufbewahrt, eine unter den vielen Arten der Strafinstrumente des Mittelalters. Das Tragen des Bagsteins wird zuerst um 1300 erwähnt und erhielt sich bis ins 16. Jahrhundert; seitdem wurde diese Strafe allmählich durch die sog. Fiedel erjeszt, ein Instrument aus Holz oder Eisenbändern zum Ein­pannen von Hals und Händen für eine oder auch zwei Berionen. Das Steintragen wurde vornehmlich zäntischen Frauen als Sühne auferlegt. Es war feinerzeit geradezu ein Freudentag für die ganze Einwohnerschaft eines Ortes. Die Verurteilte wurde mit dem Steine behängt und gefesselt von dem Büttel auf einem vorgeschriebenen Wege durch die fich auf den Straßen drängende Menge geführt, die natürlich an der Delinquentin ihre Spottluft und ihren Uebermut aus ließ. Meist wurde die Strafe an einem Markt- und Gerichtstage bollzogen,

Arbeit

da

"

solchen Terminen

Medizinisches.

Gehirnoperationen. Die moderne Chirurgie hat mancherlei Operationen mit Erfolg ausgeführt, deren Gelingen man früher für unmöglich gehalten hätte. Dank der Narkose, der vollkommenen Asepsis( Keimfreiheit) und einer immer weiter aus gebildeten Technit ist es heute möglich, immer fomplizierte Opera­tionen auszuführen. Daß der Bauch in beträchtlicher Ausdehnung aufgeschnitten wird, große Teile innerer Organe, etwa vom Magen, Darm, Gebärmutter usw. entfernt werden, gehört gewissermaßen stücke der chirurgischen Technif. gum täglichen Brot der Chirurgen. Auch an so empfindlichen Or­ganen wie erz und Nieren werden mit Erfolg Operationen aus­

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W.

Berantw. Redakteur: Misard Barth, Berlin . Druck u. Berlag: Borwärts Bucheruderei u.Berlagsanstalt Baul Singer& Co..Berlin SWE