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brauchte ihren Lebtag nicht zu bereuen, hatte fogar ein red- Farbstoff macht die Generation, die hier das in Familienbetrieb über lich Teil zum Wohlstand des Hauses beigetragen, und war lieferte Gewerbe ausübt, zu einer Raffe von Rothäuten. Die Wiege, dazu nicht geplagt von jenen bitteren Sterbensgedanken, die die der ewigen Arbeit neue Dpfer nährt, ist ebenso rot betupft wie ein ungerechter Wandel em Ende zeitigen muß. Die Ereig- schmuzige alldurchdringende Rot wird nur beschattet von dem tiefen das Leichenbemd, das das Opfer erledigt. Dieses entsegliche, nisse des ihrigen lagen unverstellt da, wenn auch nicht so Schwarz der politischen Färbung. Denn in der Oberpfalz herrscht ganz ohne die Beschönigung der Selbstgerechtigkeit, in welche das Zentrum, und christ- katholische Geistliche lehren in schöner glückgesegnete Menschen so gern verfallen. Von schweren Toleranz allfonntäglich die braven Arbeiter, daß fie geduldig Kämpfen war fie bis zu Beginn ihrer Krankheit immerdar für alle Zeiten die Spiegeljuden" von Fürth zu füttern hätten. verschont geblieben. Das Glück hatte sie in mancherlei Ge- Im Murrntal freilich hat die sozialdemokratische Aufklärung schon stalten: der Zufriedenheit, des Behagens und Gedeihens, fast die Köpfe erhellt. Und diefer kernige tüchtige Menschenschlag auf Schritt und Tritt begleitet, und von all den Nagetierchen gelvinnt durch den neuen Glauben die Kraft, der kapitalistischen des Herzens, als da find: Armut, Schuld, Neid, Haß, Eifer- Berstörung ihres Daseins in tätiger Hoffnung Widerstand zu leisten. sucht, hatte ihr schließlich nur die letztere über Gebühr In drei Abteilungen, die auch räumlich getrennt find, vollzieht Schmerzen verursacht. Ihr Gefährte war nämlich troß seiner fich das Schleifen und Bolieren des Robglases. Die Techni! der fünfundfünfzig Jahre, wenn er wollte, noch ein rüstiger Hoch- Kraftzuführung hat fich den modernen Möglichkeiten angepaßt. Das zeiter, der auch unter den Jüngsten noch wählen konnte. Und große Wasserrad leitet in direkter Umsetzung die Kraft zu. Daher diefer Gedanke freilich hatte scharfe doppelte Schneide. Er die unfreiwillige Pause der Arbeit bei Trockenheit oder lleber schwemmung. In diesen Baufen erhält der Arbeiter nichts. zeigte einmal ihre Entbehrlichkeit hienieden, ließ sie sogar Nur wenn wirtschaftliche Ursachen Arbeitseinstellung veranlaffen, fürchten, dem Manne schon lang zur Last zu fallen, und drückte wird neuerdings eine Entschädigung bezahlt, 6 Mart die sie nieder mit der Vorstellung einer jungen hübschen Nach- Woche für den Mann, 3 Mart für die Frau. Aber selbst folgerin, welche allmählich die Spur von ihren Erdentagen" wenn bei nicht allzu niedrigem Wafferstande der Betrieb noch auslöschen werde. Gleichwohl fand sie nicht den Mut, dem nicht eingestellt zu werden braucht, so wirkt die verminderte Kraft Gatten ein Gelübde abzunehmen, keine zweite Heirat 34 noch mehr. Binnen einem Jahre mußten die Murrntalleute fleben auf die Arbeitsleistung ein und senkt den elenden Alfordverdienst schließen. Auch fann und fann fie vergeblich darüber nach, Wochen( Dktober 1908 vier Wochen, Februar 1909 drei Wochen) wegen wie sie sich anders die Alleinherrschaft hätte sichern sollen. elementarer Ursachen ohne jede Entschädigung, vier Wochen Die tiefinnere Verkettung fehlte ihre Seelen waren zu( August- September 1909) wegen angeblich schlechten Geschäftsganges lange wunschlos nebeneinander hergegangen, verfunken im feiern. Aus der ewigen Arbeit werden die Menschen in die Untätig Einerlei eines unbestrittenen Wohlergehens. So mußte fich feit und in den Hunger gestürzt und die Muße belebt deshalb nicht die Aermste in der Sorge um ein liebreiches Angedenken ihre verbrauchte Energie, sondern zermürbt sie vollends, so daß fie zuletzt ganz an die Kinder halten. gebrochen schließlich nur noch von einem Wunsch getrieben werden: nur Arbeit haben, gleichgültig unter welchen Bedingungen. Diese Ferien" find höchst wirksame Antreiber für die Unternehmer. Das Robglas wird zunächst poliert. Auf großen Eisenscheiben bon bier Meter Durchmesser werden die Gläser in zwei Quadraten aufgegipft. Auf zwei vieredigen Marmorblöden von derselben Größe werden ebenfalls Gläser aufgegipft. Der Schleifer hat dann diefe Marmorplatte, die mit den Gläsern etwa 5 bis 6 Zentner wiegt, äußerst behutsam auf die Unterlage zu fügen. Jeder Bruch einer Scheibe ist wie in dem ganzen Produktionsprozeß überhaupt Die Schleif und poliertverke, die das halb veredelte Spiegel- jede Beschädigung oder Unvollkommenheit von dem Arbeiter glas zur Fertigstellung nach Fürth liefern, sind überall in der Ober- au zablen. So ruht nun Glas auf Glas. Und indem die untere wie die pfala verstreut; sie folgen den Flußläufen, deren Waffer ihnen die Scheibe darauf liegende Platte in gegenläufig mechanische Kraft gibt. Ich sah die entlegensten dieser Werke. Bei rotierende pfeilschnelle Bewegung gesezt wird, fchleifen fich Nun beginnt die höchft verantwortungseiner Wanderung im Murrntal schon nahe der böhmischen Grenze. die Gläser aneinander. Diese Hütten des Murrntals gelten als die verhältnismäßig erträg- bolle Leistung des Schleifers. Fließendes Waffer befpült ständig die lichsten in diesem Gebiet und ich beiuchte sie an einem heiteren warmen Scheiben; der Arbeiter aber hat in regelmäßigen Abständen Sand Herbsttage, nicht im Winter, wo fie verschneit liegen. Ich besuchte hinaufzuwerfen, erst gröberen, dann immer feineren, sieben Sorten fie am Tage und nicht in der Nacht. Und ich sah sie endlich gerade nacheinander, darauf noch drei Sorten Schmirgel. Wenn neuer Sand an dem Tage, da vierwöchentliche unfreiwillige Ferien zu gestreut wird, so zifat es auf wie Meeresbrandung, ist doch auch Ende gegangen waren und der Betrieb wieder aufgenommen wurde; das Meer die große Schleifmühle der Kiefel. Aber die schrillen da herrschte noch etwas wie Feiertagsstimmung, wie Ausgeruhtheit pigen Obertöne scheiden diese künstliche Brandung peinigend von und Behaglichkeit. Die Hetjagd war noch im Gange. Wenn trog der erhabenen ruhigen Sturmgewalt der Natur, die im stärksten diefer günstigsten Umstände fich die Verhältniffe mehr wie Ause Braufen noch die Schönheit des Orgelflangs bewahrt. Alle Ge geburten eines toll gewordenen Menschenquälers, wie fapitalistische räusche der Industrie quälen. Das mähliche Berebben des schreienden grausame Fieberträume, denn wie Wirklichkeit darstellte, fo mag man Sifchens zeigt dem Schleifer, daß er wieder Sand auf die Scheiben einen Begriff davon erhalten, welche Eindrücke ein Wanderer mit zu werfen hat. sich nehmen würde, der in einer eifigen Winternacht die schlimmsten dieser Arbeitsstätten besuchen würde.
( Fortfegung folgt.)
II.
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In acht bis neun Stunden find die Scheiben auf einer Seite geschliffen und werden gewendet. Die Arbeit wiederholt sich, so leber Schwandorf - Bodenwöhr zweigt das Bähnchen von der daß das Schleifen der Scheiben auf beiden Seiten den ganzen hier Hauptlinie ab, das nach Neunburg vorm Wald führt. Es ist ein üblichen 16stündigen Normalarbeitstag erfüllt. Nicht nur die Scheiben, lustiges altes Städtchen, dessen helle Häuser bergwärts zum Schloß sondern auch die Menschen werden aneinander gerieben und schmerz und zum Dom flettern. In seinen Hauptstraßen scheinen nur Gaft haft geschliffen. Hat der Sandsortierer feine Arbeit nicht sorgsam häuser zugelassen zu sein, ehemalige Klöster und Schlösser find da geleistet, so mißraten dem Schleifer die Gläser. Ist der Schleifer zu Bierbrauereien ingewandelt, die das billigste Bier der Erde aber unachtiam gewesen, so vermehrt er die Arbeit und mindert den hervorbringen; denn in der Oberpfalz fostet das Liter nur 20 Pf. Lohn der Douciererin, die in der Regel seine Frau oder Tochter ist. In einer fleinen Wanderung erreicht man von hier den Wald, noch Aus der Schleiferei nämlich wandert die Scheibe in den Doucierraum, wo eine anmutige Ortschaft und dann geht es hinauf in die unendliche Frauenarbeit herrscht. Hier wird mit der Hand die Feinschleiferei Einsamkeit des ernsten Tales. Bald springt am Bach die erste An- vollendet. Mit Hilfe einer Glasscheibe und feinsten Schmirgels fährt siedelung schroff und plump empor. Troy ihres Alters die Arbeiterin unabläffig über die zu schleifende Spiegelscheibe hin haben sich diese ungefügen Gebäude nicht in diese Wald- und her. Hat der Schleifer gut gearbeitet, so ist wenig auszubeffern, einsamkeit hineingewöhnt, Sie sind fremd geblieben in der Natur, find starke Mängel, so beansprucht die Veredelung viel Zeit, und die in ihrer nadten geschäftlichen Dede. Sie sollen Gewinn abwerfen, gelohnte Stückzahl vermindert sich. Der Doucierraum ist zugleich Produktionskosten sparen, nicht Menschen freundliche Hausung ge- Wohn- und Schlafraum, Küche und Kinderstube der Arbeiter. In diefer währen. Um die langgestredte Scheune, die das Werk birgt, ein menschenleeren Gegend wird mit dem Raum gespart wie in der Hauptpaar armselige Hütten, in denen die Menschen wohnen. Diese straße einer Weltstadt. Schon die unendliche Arbeitszeit, die notwendig Hütten sind der Stolz der Murrntalwerke, denn anderswo haben die ist, um ein paar Mark zu verdienen, fesselt ja den Arbeiter unabläffig Arbeiter überhaupt feine Wohnung, sondern sie hausen unter dem an die Arbeitsstätte. Warum soll er da nicht gleich ganz wohnen. Dach der Hütte oder in der Werkstatt selbst. Alles ist schmutzig, Das haben sich in vielen Werken die Besizer zunuze gemacht und berfallen, wie unfertig. Und die Dede der Ansiedelung wird noch nicht nur die Douciererin, sondern alle Arbeiter wohnen in, neben gesteigert durch die Blutfarbe, die Häuser, Bodengegenstände und über dem Werkraum. Emil Girbig schilderte fürzlich im und vor allem die Menschen beschmutzt. Alles ist von diesem Fachgenossen", dem Organe der freien Gewerkschaft der Glasabscheulichen Rot befleckt, das die Leute dort Pottie nennen: Es ist arbeiter solche Wohnungsverhältnisse: Die Wohnungen befinden das Polierrot( Eisenoxyd), das zum Polieren des Glases verwendet sich fast ohne Ausnahme auf dem Boden der Polierwerkstätte. Die wird. Der Farbstaub dringt überall ein, malt die Gefichter und die Räume find aber nicht abgeteilt. Ein großer Bodenraum Hände, die Haare, die Kleider, die Wäsche, die Betten. Die Zeitung, gilt als Aufenthalt für sechs bis acht Familien. Es steht das Sie sie lesen, ist rot gefärbt, der Lohnzettel, ebenso wie der Brief, den Bett, in dem die Eltern schlafen, dicht neben dem Vett der Kinder; fie schreiben. Ein Brief von einem Glaspolierer verrät auch uneröffnet dazwischen steht der Doucierblod und das Faß mit Wasser zum Abund ohne Poststempel den Ursprungsort durch die roten Flecken. Der spülen der doucierten Gläser. Dann folgen die Betten der Nachbarn