-
991
-
und Mitarbeiter. Es gibt feine Scheidewand. Jahraus, jahrein Wie ein einfach schlichtes stilles Märchen Mingt die Geschichte von hausen die Familien nebeneinander. Die Kinder werden in den dem Leben dieser Frau, die lange Jahre als Lehrerin in einer Räumen geboren; und wenn der Tod an den Arbeiter herantritt, fleinen Stadt den Kindern Schreiben und Rechnen beibrachte und dann stirbt er unter dem Dach und bleibt auch in diesem gemeinsamen Raum drei Tage bis zur Beerdigung liegen." Die Geschlechter sind nicht getrennt und eine bayerische Berordnung, die die Trennung verfügte, wird kaum gehalten, wie denn für dieses ganze Arbeitsgebiet alle Schutzmaßregeln versagen.
dann plöblich aus engstem Kreise emporstieg. Da lebte sie, nachdem sie das Lehrerinnenegamen gemacht und durch das Seminar hina durchgegangen war, eine ganze Reihe von Jahren in der süda schonischen Stadt Landskrona , ein stiller, in sich gekehrter Mensch. eingesponnen in ihre Träume und Bistonen, sich versenkend in die wundervolle Landschaft ihrer Heimat, aus der ihr die Gestalten märchenhafter Kindergeschichten leibhaftig entgegentraten. Da fam im Frühling 1890 in ihre weltferne Einsamkeit zufällig die Kunde von dem Preisausschreiben einer Stockholmer Frauenzeitung, das eine Rovelle von ungefähr 100 Seiten" forderte. Die Zweiunddreißigjährige fandte Fragmente aus einem Buch ein, in dem sie ihre Phantasien festgehalten hatte; es waren Teile jenes Wertes, das weit über Schweden hinaus ihrem Namen Klang und Liebe erweden sollte aus Gösta Berlings Saga. Aus der Jugendzeit her hatten sie die Klänge dieser Traumgeschichten durch ihr Leben geleitet; diese helldunklen Gestalten, die aus Wirklich geläutert waren, hatten ihre Mädchenzeit umschwebt, waren ihr entgegengetreten auf allen Wegen und Stegen des fagenreichen Wermlands, das sie geboren. Aber spät erst war ihr der Gedanke gekommen, diese Visionen, die aus den grauen Nebeln der Haiden, der grünen Düsternis der Wälder und den glänzenden Seen auftauchten, die sie bedrängten und nach einer Befreiung durch die Dichtung fich sehnten, in dichrerischer Form festzuhalten. Sie suchte lange nach dem rechten Stil, der all das Eigentümliche dieses Stoffes bewahren würde und fand ihn endlich in jener wundervollen Verbindung realistischer Beschreibung mit romantischer Märchendämmerung, von moderner Psychologie mit der fraftvoll andeutenden Knappheit der isländischen Saga. Der große schwedische Romantiker Almquist und der Wiedererweder nordischer Bergangenheit Björnson waren ihre Helfer bei diesem schwierigen Werke der reinen Ausformung und Durchbildung eines fünst lerischen Stils, wie er so vollendet, originell und geschlossen wor felten in einem Erstlingswerk ausgeprägt worden ist.
Aus den Händen der Douciererin kommen die Scheiben in den Polierraum. Bieder werden die Gläser auf große Bänke aufgegipst und darüber fährt dann, von einem Gestänge geführt, ein schwerer mit Fila bekleideter Block. Eng aneinander, oft zu Hunderten, stehen die Blöde nebeneinander, so eng, daß ein ungeübter Mann nur mit äußerster Gefahr durch das Getriebe hindurch zugleiten vermag. Der Bolierer aber, der eine die einzelne Arbeitstraft weit übersteigende Anzahl von Blöcken zu bedienen hat, wenn er leben will, drückt sich zwischen den Blöden hindurch und richtet sie, damit Ser Filz allmählich alle Teile der Scheibe gleichglättet. Eine diefer Polierer familien, die ich besuchte, hatte nicht weniger als 72 Blöde zu verfeit und Phantastik zu einer geheimnisvollen höheren Existenz sehen. Alles Aechzen der leidenden Kreaturen in der ganzen Weit, alles Heulen der Schmerzen auf Erden scheint sich in diesem Raum bereinigt zu haben. Hier beginnt das Polierrot seine Wanderung in alle Boren des Betriebes und der Gegend. In diesem Geäch und Geheul verbringt der Polierer sein ganzes Leben. Er wird schwerhörig, und man muß laut zu ihm sprechen, wenn man sich draußen auch in der Waldstille mit ihm verständlich machen will. Sein ganzes Leben buchstäblich! denn hier wandelt sich die 16ftündige Arbeitszeit in die 24ftündige Endlosigkeit. Tag und Nacht fahren die Polierblöcke gespenstig hin und her und sie bedürfen unabläifig von Zeit zu Zeit der Wartung, sei es, daß die Lage verändert werden muß oder Polierrot hinzuzufügen ist. Die Arbeiter hausen Tag und Nacht in diefem Grauen. Am Montag in aller Frühe beginnt das Radern und endigt erst, wenn die Kirchengloden des nächsten Drtes nächsten Ortes Sonntags zum Christen dienst rufen; denn die erforderliche Religionsübung läßt sich eben doch nicht im Bolierraum vornehmen. Während der ganzen Woche tommnt der Arbeiter nicht aus den Kleidern. Wohl fann er, wenn die Blöde richtig laufen, eine Weile fich auf einer Bank niederstrecken; aber er ist die ganzen 24 Stunden des Tages zur Arbeitsbereitschaft verpflichtet. Will er ein paar Nachtstunden ungestörter Ruhe haben, fo muß er sich entweder von Familienmitgliedern vertreten lassen, oder auf seine Kosten einen Hilfsarbeiter stellen. Auch seine Arbeitsleistung hängt in ihrem Ertrag wesentlich ab von dem Zustand, in dem ihm die Doucirerin
die Scheiben überliefert.
Der Polierer weiß nichts von der Welt. Sein ganzes Dafein ist erfüllt von dem Lärm der Polierblöcke, dem roten Polierstaub und dem Kampf mit dem gemeinen Hunger.
Die Szenen aus dem Leben der Kavaliere auf Ekeby", die des dämonisch genialen, leidenschaftlich dahinstürmenden Gösta Berling Gestalt zur Einheit zusammenfaßt, zeigen schon all die Wunder in vollster Ausbildung, die der Dichterin Selma Lagerlöf die gütige Waldfrau der schwedischen Volksmärchen in der Wiege verliehen hatte. Eine gewaltige, fast übermächtige Phantasie, deren unaufhörlich andrängende Bilder nur mühsam von einer erstaunlichen Schärfe der Beobachtung und Klarheit des Sehens gebändigt werden und die Fähigkeit des Spannenden, nie ermüdenden Erzählers, das aus einer Situation notwendig eine andere erwachsen läßt und, stets weiter wirkend an dem bunten Teppich der Dichtung, ein herrliches Webemeisterstück" entstehen läßt. Es ist unmöglich, die Schönheiten dieses Buches auszuschöpfen, das die ganze ursprüngliche Darstellungskraft der Volksdichtung hat und zugleich die geläuterte Reife eines ästhetisch feinen Schöpferwillens. Der tolle Wagemut und die lebemännische Wildheit, die der größte Shriker Schwedens , Michael Bellmann, in den Balladen feiner Helden Fredman und Mowitz in die Schnörkel und Zierrate des Rokoko gebannt, eint sich mit einer romantischen Beseelung der Natur und einer modernen Bergliederung der Seelen zur allfeitigen Schilderung einer Zeit, eines Voltes, einer Welt. So ist denn Gösta Berling auch bei uns ein Volksbuch geworden, das große Verbreitung gefunden hat. Die Dichterin aber, die wohl selbst die Furcht haben mochte, mit diesem Erstlingswert ihren Höhepunkt erreicht zu haben, versuchte sich an neuen, ganz anders gearteten Aufgaben und bewährte auch hier ihre Meisterschaft.
Die schwedische Akademie, die in der Verteilung des Nobelpreises für Literatur schon so manchen Mißgriff getan, hat diesmal nach langem Sträuben sich dazu entschließen müssen, der dichterischen Persönlichkeit diese Ehrung zu verleihen, die durch ihr Genie und ihre Stellung in der Literatur vor allem dazu würdig war: Selma Lagerlöf . Die Dichterin ist neben Strindberg die großartigste fünstlerische Erscheinung, die gegenwärtig das Schrift. fum Schwedens aufweist. Aber während der faustische Problem dichter und Grübler in seinen vielgestaltigen Wandlungen eine allgemein europäische Entwickelung durchmachte, ist Selma Lager löf die berufenste Hüterin des unerschöpflichen Schakes an Poesie, den die schwedische Erde birgt, Mutter Sveas liebstes Patentind". Sie hat eine neue Epoche in der Geschichte der schwedischen Dichtung gegründet, in der die nationalen Heldengestalten der Vergangenheit zu einem neuen leuchtenden Leben erweckt wurden, der wundersame Zauber der Volksphantasie, die urtümliche Schönheit der alten Bauernkultur aus verborgenen Tiefen in dem befreiten Strom eines reichen Künstlertums durchbrach. Ein ganzes Dichter- heimliche Nebelstimmung des Nordens nicht. Nach ihren Reisen hat geschlecht stand in den neunziger Jahren um sie, als dessen Mittelpunkt fie schon heute klassische Geltung besitzt. Schwedens größter Dichterin, der in der ganzen Welt gefeierten Erzählerin, einem der stärksten Talente, die heute überhaupt schaffen und wirken, gebürte in erster Linie die Gabe, die eine schwedische Akademie zur Förderung und Anerkennung literarischer Verdienste verwenden follte.
"
Ihre Stellung als Lehrerin hatte sie nach dem Erfolg von Gösta Berling aufgegeben; ihr ganz von den Bildern der Heimat erfülltes und doch nach Märchenfernen sehnsüchtiges Gemüt verlangte in die Fremde, und der größte Gegensatz zog sie an, die Schönheit des Südens, die Mystik des Orients. Aber auch vor den Werken italienischer Kunst, in der üppigen Sonnenhelle Siziliens , an den geheiligten Stätten Jerusalems vergaß sie die fie fich wieder in einer schwedischen Provinzstadt niedergelassen, in der alten Bergwerkstadt Falun , die der Schauplah so vieler Sagen und Geschichten ist, in der Hauptstadt des urschwedischen Dalekarlien, und die Erlebnisse der fremden wundersamen Gegenden vereinten sich mit ihrer tiefen Liebe zum Vaterland in der Synthese ihres großartigsten Romans Jerusalem ". Vorher hat fie im Antichrist" den stärksten Gegensatz zu ihrem Hymnus auf Schwedens Schönheit angeschlagen und die klassische *) Die Werke Selma Lagerlöfs sind in guten deutschen Ueber- Landschaft Siziliens zum Rahmen einer tiefsinnigen Erzählung fetzungen in A. Langens Verlag in München erschienen. Die gewählt. Signorellis Fresten in Orvieto , die den Ernst und Wunderbare Reise des Nils Holgersson, diese beseelte und das Grausen des jüngsten Gerichtes so erschütternd malen, erweckanschauliche Schilderung von Schwedens Land und Tierwelt, wohl ten in ihr den Plan, die Wunder des Antichrist in der Gegenwart das beste Kinderbuch der lezten Jahre, ist jetzt von demselben aufleben zu lassen und mit der sozialen Frage zu verbinden. Verlage auch in einem Bande herausgegeben. 95 Jlluftrationen und aber ihre Phantasie hob alles empor aus der nüchternen Wirklichacht farbige Vollbilder von Wilhelm Schulz schmüden ihn. feit in die romantische Traumhelle der Wunderstadt Diamante, Leider ist das( etwas schwer geratene) Buch für Arbeiterkinder zu übergoß alles mit Purpur, Gold und Azur. Und doch ist diese teuer.( Preis brofchiert 10 M.) Der Berlag sollte einen billigen schönheitstrunkene Schilderung ewigen Himmelblaus und üppiger Auszug daraus von der Verfafferin felber veranstalten laffen. Fruchtbarkeit der sehnsüchtige Lobgesang eines Nordländers, der Gösta Berling" und Eine Gutsgeschichte" find auch bei Reclam feine eigene Mysterien- und Märchenstimmung hineinträgt in die Hare Heiterfeit der antiken Landschaft, der die Sonnenhelle durch zu haben,
-