-- Und auf einmal hatte er es. er stand gewichtig auf, schlugmit der linken Faust auf den Tisch und sagte:„Weißte was!... Jetzt nimniste Deinen Deckel undwir jehn rieber zu Markgrafen!... Da is Heike„Qualm-tute" uud da foll'n se seh'n, daß Du Wieda da bist!... Un-glück kann jeda mal ham, und wenn De sonst nischt weitajemacht hast, wie dis Monojramm aus de Uhr. das is ieba-Haupt nischt, wofor se eenen bestrafen kenn'!... Dis is'neUnjcrechtigtkeit!... und soja'ne janz jroße!..Den Knopfdrücker lockte es nicht übermäßig, zu denalten Handwerksmeistern und Krautern in den Weißbierkellerhinunterzusteigen. Aber daß er dadurch, daß er an VatersSeite dort eintrat, am besten rehabiliert werden würde, dasleuchtete ihm ein: deshalb ging er gern mit.Wie sie schweigend über die Straße schritten, hatte derSohn das Gefühl, der Vater dächte an Ella: und er fühlesich schuldbewußt, dem Bruder gegenüber, der nun doch wiederaufgenommen worden war in die Familie, obwohl mehr undSchlimmeres mit ihm passiert war, wie mit dem armenMädel... Der alte Hellwig dachte aber an ganz andereDinge: Ter Wagemut, der ihn vorhin zu dem Versprechengetrieben hatte, er wollte mit seinem aus dem Gefängniszurückgekehrten Sohne in den Nauchklub„Qualmtute" zuseinen alten Freunden und Stamnitischkollegen gehen, derwar schon wieder bedenklich im schwinden. Er hätte fetztgern den Rückzug angetreten, aber er genierte sich vor Georg.So ta»pten sie denn die Kellertreppe hinunter undgingen durch den Schankraum in das Seitenzimmer beiMarkgraf.In dem vom Gasglühlicht hellerleuchteten Raumherrschte der spezifische Duft dieser Kellerlokale: Die Weißemischte sich da mit dem Tabak, und der Sechserkäse, die„Jold-leiste", bildete sozusagen die Dominante in einer Wolke vonGerüchen....lFortsetzung folgt. 1(?!aSdruck verr-itcn.ZSchick lal.Von M. Andersen-Nexö.Oke Due zitterte heute noch mehr als sonst mit der Hand.Von der gemeinsamen Schüssel, die mitten aus dem Tische stand,führte eine Milchstraße hinaus zur Tischkante und über Ölesschöne Weste bis zum Mund hinauf. Auf jedem Heimweg streuteder Löffel ein wenig hinter sich, als wolle er sich den Rückweg zurSchüssel sichern. So oft die Weste ihr Teil mitbekam, sandteGjarta ihrem Manne einen zornigen Blick zu, und Ole beeilte sich,mit dem Handballen nachzntrocknen.Milch mit Klötzen war übrigens Oles Leibgericht, nur kam eZihm schwer an, demselben beizukommcn. Gjartas Klötze warenhart und hatten einen schleimigen Ueberzug, und Oles Gaumenkonnte auf ihnen keinen rechten Halt gewinnen; sie rutschten indie Backe hinauf und in den Mund zurück, wieviel er auch pickteund hackte.Keiner sprach, aber die Kauwerkzeuge brachten einen Lärmhervor, daß es klang wie eine ganze Werkstatt. Und wenn Ole sichrechte Mühe gab. dann verdrehte er die Augen im Kopf wie einHund, der an einem Eingeweide zerrt.Plötzlich fuhr ihm ein Knödel zum Mund heraus und in dieSchüssel zurück, wo er wie eine Bombe niederschlug. Ole sahverdutzt drein, der Knecht aber brach in ein Gelächter aus undGjartä mit ihm, und nun wälzte sich auch Ole vor Lachen mit demganzen Körper.„Der ist retour gereist", sagte er. mit einemetwas verlegenen Blick—„wo zum Kuckuck bist du geblieben", under rührte mit seinem Löffel rings in der Schüssel herum inkomischer Unbehilflichkcit.„Hättest ein Zeichen hineinbeitzen sollen", sagte Gjarta. Daswar ein Hieb aus seine Zahnlosigkeit„Wollt ich aum, hat mir aber keine Zeit gelassen. Mit derunteren Seite freilich kann ich besser hineinbeitzen, das weißt Duja. Aber wie gesagt, es mutz seine Zeit haben."„Pfui, schämen solltest Du Dich— bei Tisch solche Reden zuführen", sagte Gjarta kopfschüttelnd. Aber lachen mutzte sie doch.Ole saß noch ein wenig und führte unentschlossen die Handhin und her. Dann steckte er resolut den leeren Hornlöffel in denMund, drehte ihn ein paarmal darin herum, trocknete ihn dannmit dem Daumen ab und schmiß ihn in die Tischlade.„Etzt Ihrnur weiter", sagte er und stand auf.„Ich mutz mich auf dieKeine machen."Der Knecht löffelte weiter, Gjarta aber legte den Löffel nieder,um ihrem Mann an die Hand zu gehen.Ole war klein und welk, aber rasch in seinen Bewegungen.Der Kopf war kahl, Gesicht und Kinn glattrasiert, aber ganz hinten«uf dem Halse trug er einen langen Bartkranz, der von Ohrzu Ohr ging und die Körperwärme unter den Kleidern zurück-halten sollte. Er hatte Latzhosen mit weißen Beinknöpfen und einehochgeknöpfte Weste, und nun half ihm Gjarta in den Staatsfrackhinein; der war aus blauem Soldatentuch und ging im Genickhoch hinauf, als hätte er längere Zeit am Strupfen gehangen.„Kannst Du nicht stillestehenl" sagte Gjarta, während sie ihmden Bart unter die Weste stopfte. Aber Ole konnte die Beine nichtstille halten, er hatte das Fieber. Gjarta näßte eine« Zipfelihrer Schürze und rieb ihm an einigen Stellen das Gesicht ab.„So", sagte sie und gab ihm einen letzten Strich,„jetzt glänztDu wie eine Kröte am Wiesenzaun. Wembs halb dunkel ist."„Na, und Ihr kommt wohl miteinander aus?" fragte er undschaute pfiffig von einem zum andern.„Für Gjarta steh ich gut,wenn sie am rechten Zipfel genommen wird; die mutz man nachden Haaren streichen wie die Katzen." Er zwickte fie übermütigin die Seite.„Ach was, halt Du lieber den Mund, Du altes Schnattermaul,und schau, daß Du weiterkommst", meinte Gjarta ärgerlich.„Das kann sie halt nicht leiden", lachte Ole und schnipste mitden Fingern in die Luft.„Nein, in dieser Art komm ihr nicht,sonst gibts eines über den Brotladen. Na, Peter," fügte er ernsthinzu,„Du gehst ihr doch an die Hand— mit Wasser oder wassie sonst brauchen kann."„Tu ich schon", erwiderte der Knecht still und ging hinaus,die Pferde aus dem Stall zu holen.Ole Due stand und schaute ihm nach, während Gjarta dieSchnalle am Wettermantel richtete.„Ein Prachtkerl ist er schon,der Peter", sagte er,„hätten wir eine Tochter, bätt' er sie kriegenmüssen. Da hätten fie meinethalben den Hos morgen nehmenkönnen."Gjarta brummte vor sich hin; sie hätte nicht das geringstsVerlangen, aufs Altenteil zu kommen.Nun kützte er sie und trippelte hinaus. Die Spannung derStadtreise leuchtete ihm aus den Augen, die Arme spreizten sichnacki den Seiten, und er summte lerse. Die ganze Erscheinungerinnerte an die eines großen Kindes, das etwas Ungewöhnlichementgegengeht. Ein Gedanke dieser Art streifte Gjarta.„Er wirdkindisch, der alte Kracherl" murmelte fie vor sich hin. während siesich daranmachte, den Tisch abzuräumen.Der Knecht spannte die mittelgroßen bornholmschcn Pferdevor. Ole lief neben dem Wagen hin und her und sah äußerstzufrieden aus. Unaufhörlich wanderte die Zungenspitze zwischenden erdsleckigen Lippen hin und her.„Sollen wir noch ein paarSäcke darauflegen?" fragte er und schüttelte an den Wagen.„Glaubst Du, es geht?"Der Knecht meinte schon.„Der Bauer ist ja ein wachsamerKutscker", sagte er.Sie gingen auf den Tennenboden. Ole half ihm die Kartoffel-säcke über den Nacken schmeißen und machte die Wege hin undzurück mit ihm, um aufzupassen, daß er die Säcke nicht zu festin den Wagen werfe. Es zuckte in Oles welkem Gesicht, wennPeter so fest anpackte— er kannte eben seine Kräfte nicht!Während Peter den Eimer mit der Wagenschmiere zwischendie Hinterräder hing, riß Ole prüfend an den Wagensträngen undging dann hinein, um einen letzten Schluck zu nehmen und einenletzten Blick von Gjarta zu erhaschen, ehe er sich der Landstraßeübergab. Gjarta war nicht da, und er wollte nicht extra insWaschhaus hinauslaufen; ein Kuß wäre nicht übel gewesen, aberman muß mit den Weibsbildern nicht zu viel Wesens mackcn. Eröffnete den Wandschrank, leerte die Kqndisschale in die Mantel-tasche, steckte ein Stück zwischen die Kiefer und schlug dann dasgroße ockergelbe Halstuch über das Gesiebt hinauf. Draußen standder Knecht und hielt wartend die Zügel, das sah ganz herrschaftlichaus, wirklich ganz herrsch« itlicki. Fa. ja!———Im Waschhaus hantierte Gjarta, guckte aber jeden Augenblickhinaus. Nach einiger Zeit kam sie wieder in die Steche gestürztund fand Ole drin stehen, beide Hände auf die Tischplatte gestützt,blind hinausstarrend mit zitterndem Kopfe und zusammengesunkenwie ein alter Gaul.„Stehst Du noch da?" rief sie barsch.„Du bist doch einrechter Trödelhansl" Da stapfte Ole hinaus und der alte Leiter-wagen knirschte aus seinen Holzachsen zum Hofe hinaus.Der Kuecbt stand an der Giebelwand und sah dem Fuhrtvcrknach. Tief schnitten die Räder in den Sand, der Scbmiereimerschaukelte unter dem Wagen, der Wagen selbst schaukelte und Oleschaukelte. Das Ganze wiegte sich stumpf und regelmäßig wie derKopf eines Schwachsinnigen. Endlich verschwanden sie in derFöhrenpflanzung.Peter stand noch immer da und strich sich mit dem Daumenüber das fleischige Kinn. Sein dünnbehaartcr Schädel war un-gewöhnlich groß, aber das meiste stand leer; er war vorausblickendgebaut, wie m Erwartung eines großen Zuwachses. Das bißchenVerstand, Xdas er besaß, lugte ihm neugierig auS den Augen undmachte das Ganze ein wenig bewohnter, und seine wohlgenährteGestalt strahlte Gutmütigkeit aus und den Wunsch, fich's behaglichzu machen.Er schlenderte über den Hof und in die Stube hinein mitklappernden HolzschuHcn, trank einen Schluck auS dem gelben Ton-krug und setzte sich dann hin. seine Strümpfe beim Kachelofen zutrocknen. Der Ofen spie, so oft die nasse Fußflächc ihn berührte,und ein Geruch verbrannter Wolle verbreitete sich in der Stube.