Gjarta ging draußen über den Hof und in die Häckseltenne fjinein; sie suchte ihn wohl. Er aber saß so gut, daß er nicht auf- stehen mochte: sie fand ja den Weg zu ihm! Da kam sie zurück und ging wieder in das Waschhaus hinein. Die Holzschuhe klapperten fleißig. Wasserplätschern scholl herüber und hie und da hörte man, wie eine Feuerzange an Eisen schlug. Dann trat Gjarta ein. .Du sitzt hier, Peter I  " sagte sie, sich an den Ofen stellend, während ihre aufgeschürzten Röcke von Wasser trieften.Tu der- sengst ja die Socken." Ich fror an den Waden sie sind naß." Du kannst ein Paar trockene Socken von Ole haben, aber laß es ihn nicht merken, er hat Augen wie ein Satan." Sie zog die Lade unter dem Kachelofen auf, wo das Wollzeug verwahrt war, nahm ein paar dicke Socken hervor und warf sie ihm in den Scboß. Dann stand sie neben ihm und sah ihm zu, wie er wechselte. Ein paar ordentliche Heckenpfähle hast Du, meiner Treu", sagte fie. Fa. die Beine, die halten wohl, Wenn'S weiter nichts ist, wo­vor Du bange bist... Gjarta lachte verblümt und trat zum Tisch.Hat Ole wahr- haftigengott doch wieder ausgeschüttet", sagte sie ärgerlich und strich das Bier über die Tischkante wieder in den Krug zurück;er ist doch schon ein wenig zittrig." Ist ja auch bald ein alter Kampel", meinte Peter mitleidig. Fünfundfünfzig, das ist doch nicht so schrecklich, der kann neunzig Jahre alt werden. Wenn Leute erst in dem Alter sind, dann ist kein Ende mit ihnen." Peter antwortete nicht, sondern saß da, in ein Rechenexempel vertieft.Bis zu der Zeit bist Du ein altes Weib, Gjarta", sagte er endlich. Ja, und Du hast auch das Beste hinter Dir." Eine Weile schwiegen fie beide. Na, jetzt wollen wir Kaffee trinken", sagte Gjarta dann und ging zum Kessel. T« Kafkce bestand wesentlich aus nach Brauch und Sitte grundig gekochtem Roggen und wurde gleich aus dem Kupferkessel eingeschenkt. Gjarta holte von dem Gestell im Alkoven eine Schüssel Milch, löste mit dem Finger von den Seiten den Rahm   und schäumte reichlich in die Tassen. Die Kandisschale war leerdas ist Ole gewesenl" sagte sie ärgerlich. Ja. der wird eben auf seine alten Tage wieder zum Wickel- kind kann einen schier nicht wundern", meinte Peter. Gjarta erwiderte nichts, sondern ging wieder zum Alkoven und kam mit einem Sack Kandis zurück. Sie schüttete ein paar große Stücke auf den Tisch vor den Knecht hin, der sie eins nach dem anderen in den Mund steckte, zerbiß und mit offenem Munde in die Zuckerschale hinabfallen lieh. Schön Tank für den Kaffee", sagte Peter und stand auf und jetzt Hütt ich wohl noch gern einen Schlecker unter der Nase." Er beugte sich über seine Hausmutter und trocknete sich begehrlich den Mund. Aber Gjarta setzte ihm eine geballte Faust vor die Brust. Bist Du schlecklustig, so schleck die Gefleckte auf eine gewisse Stelle", sagte fie hart.So lange Ole und ich zusammengehen, will ich ihm auch gcrad in die Augen schauen können. Ich bin ein ordentlich Weib, daß Du's weißt." Sie sah ihm unbeugsam in die Augen. Peter aber senkte den Blick wie ein Hund.«Wir könntcn's so fein haben", murmelte er. Gjarta antwortete nicht, sondern ging zu ihrer Wäsche. Er schlenderte wieder hinaus und herum nach der Südseite, wo er sich daran machte, die Kartoffelgrube zu schließen. Die Miß- stimmung lag über ihm als ein dumpfer Druck, aber er legte sich keine Rechenschaft darüber ab; auch über ihre Ursache nicht. Das Ganze setzte sich bloß in einen Refrain in ihm um, der den Kern festhielt; seine Natur verlangte nach ihrl Damit war eigcnt- lieh alles gesagt; denn was geschehen mußte, das geschah. Es war schneedicke Luft; bleischwer und handgreiflich fast hing sie dicht um jeden Gegenstand. Es lag ein stilles, sicheres Beharren über allem, was das Festland trug, und seewärts ruhten Luft und Waffer fest ineinander. Einen Büchsenschuß unterhalb lag das weiße User, wo Saatkrähen   und blaue Dohlen zänkisch schreiend um etwas stritten vielleicht um die angeschwemmte Leiche eines Ertrunkenen. Es durchlief ihn ein wenig, aber dennoch ging er hinab, um nachzusehen, was eS sei. Es war ein Schwein niit einer klaffenden Wunde in der Seite, das vermutlich von Bord irgendeiner Schute gespült worden war. Er fühlte sich erleichtert; es waren mehr als einmal Leichen hier gefunden worden, häßlich verzerrte Leichen, die aussahen als konnten sie nie mehr in ihren Gräbern Ruhe finden. Die Raubvögel flogen nun längZ der weißen Küstenlinie dahin, mit schweren Schlägen in der schweren Luft, und das Meer lag da und rollte bedächtig hinein über den Sand und glitt wieder zurück, wie ein großes Tier, das sich im Halbschlafe leckt. All dies zusammen wirkte beruhigend wie das Streicheln einer Hand, die stärker ist als wir selbst. Seine Natur verlangte nach ihr, und was geschehen mußte, das geschah. Er warf das Schwein über den Nacken und ging heimwärts man konnte es zu Schmies und grüner Seife verwenden, lFmttsetzMP folgt.) Enton Graff. (Ausstellung bei Schulte.) Man muß die Zeit in Betracht ziehen, aus der der Maker stammt und in der er wirkte. Achtzebntes Jahrhundert! Das heißt: der Beginn einer neuen Epoche, die sich darin betätigt, den RealiS» mus zu erobern. Der Geist des Rokoko hatte seine blendenden Effekte, die uns jetzt wieder reizen, ausgegeben. Watteau  , Chardin  , Laueret, dann die beiden, in denen das binsterbende Temperament des Zeitalters noch einmal sinnlicher aufflackerte, Boucher und Fra- gonard hatte» ausgespielt. Greuze, der Schmachtende. Frau Vigöe- Lebrun, die Grazie noch mit Natürlichkeit zu vereinen wußte, bei der sich aber schon das Gegenwarrsgeiühl meldet, folgten. Nachdem Tiepolo   noch einmal die dekorative Schönheit des Rokoko hatte auf- leben lassen, sank die vergangene Kunst zu Asche zusammen. Eng» land bestieg den Thron. Es trat zum ersten Male tonangebend in die Reihe der kunstschoffenden Völler. Damit war das Schicksal der Kunst besiegelt. Ter Realismus siegte. Die bürgerliche Note wurde Trumps. HogarthS scharfe Charakteristik, die das Alltagsleben in seinen markanten Typen er- faßte, Reynolds, der die Aristokraten porträtierte, Lawrence, der die zarte Frauenschönheit englischer Ladies besang, dann die Landschafter Morland, Wilson und andere sie alle reden von England, von Englands Menschen, von Englands Natur. Eine» aber war ihnen geblieben: die Tradition. Im Porträt schloffen sie sich eng an die Italiener an. Tizian   war ihr Vorbild; noch mehr der schwächere Schüler, Anton van Dyck  . So stark geben sie dem Einfluß nach, daß die Komposition, die Farbengebung, dieser biauntonige Hintergrund, dieses Weiche voller Mollakkorde bei ihnen typisch wiederlehrt. Ebenso stark schloffen sich die Landschaften an Hollands   Kleinkünstler an. deren intime Beobachtung dem Engländer, der für die Natur schwärmt, zusagte, wie auch die Lage der Insel zum Fesilande Berührungspuilkte und Einfluß von selbst gab. Und Deutschland  ? Die AufklärungSzeit setzte ein. Auch hier begann der Karnpf der Natur gegen die Etikette. Frankreich   war nicht mehr vorbildlich. England wurde gerühmt. Natürlichkeit das war die Losung. Man will mit Betonung: bürgerlich sein. Es ist die Zeit, in der der Werther erscheint; 1774. Schiller   schreibt die Räuber. Und so emanzipiert sich auch die Kunst. Es ist nabeliegend. daß diese Note dank der ideologischen Ber- anlagung der Deutschen   hier noch ausgeprägter wurde. Auch waren die Fähigkeiten, die Kultur nicht so verseinert, daß nicht ein ae- legentlicheS Entgleisen ins Flache. Vulgäre vorkommen konnte. Dafür sorgte denn die neue Entdeckung der Antike(Herkulanum und Pompeji  . Winckelmann  !) für einen Eigenbalt, der dann wieder, alS neue Lösung eigener Instinkte, die Romantik auf dem Fuße folgte. In dieses Milieu trat Graff. Sem Leben ist begrenzt durch die Jahre 17361813. Was er als Erbteil Übernahm, war auch noch eine Tradition im Malerischen, eine Schulung der Technik, die seinem Werk im ganzen ein Niveau sicherte. Das Neue gab ihm seine Zeit: die Auffassung des Bürgerlichen  . So ist es natürlich, daß diese Zeit zum Porträt hinstrebte. Der Mensch hatte das Jnreresse, ihn wollte man kennen lernen. Graff hat nur Porträts gemalt. Etwa lOöö. die Zeichnungen nicht ge­rechnet, die auch einige Hundert betragen. Eine respektable Leistung, und es ist selbstverständlich, daß nicht alles gleichen Wertes ein kann. Am IS. November 1736 ist Graff zu Winterthur   in der Schweiz  geboren. Sein Vater war Zinngießer. Nachdem er in der Heimat schon Unterricht in der Malerei genossen haue, kam er nach AugL- bürg, um dort weiter zu lernen. 1737 ging er nack Ansbach  , immer in der Lehre, 1739 sah ihn Augsburg   wieder und er begann nun, sich nach Aufträgen umzusehen, die er auch bald erhielt. Eni- scheidend war für ihn dann der Ruf nach Dresden   an die dortige, neugegründete Akademie. 1766 wurde er, nachdem er ein Probestück geliefert, definitiv nach Dresden   berufen. Hier blieb er bis an fem Lebensende. Alles, was in Leipzig  . Dresden  , Berlin   geschichtlich, politisch, künstlerisch von Bedeuiung war, hat er porträtiert. Einer einer besten Freunde war Chodowiecki   in Berlin  . Nur den Wcimareaner Kreis hat er nicht gesehen; Goethe und die Persönlich- keiten von Weimar   sind nicht in Bildnissen von seiner.Hand erhalten. Schiller   hat ihm gesessen; es ist das bekannte Bildnis im Körner- museum, das den Dichter derRäuber" etwas sanft darstellt, mit der elegischen Handhaltung, die de» Kopf stützt. Aber sonst finden wir in Graffs Porträrgalerie Gellert, Bodmer, Geßncr, Herder, Wieland, Lessing. Bürger. ES ist interessant, wie Graff vorging. Er malt nur ganz selten, ganze Figur. Er konzenrnert alles auf den Kopf, und im Kopf auf Stirn und Augen. Namentlich die Augen sprüher' von Leben. Auch der Mund, die Lippen baben eine beredte Sprache. Graff »cht den geistigen Ausdruck. Er gehl mehr illustrativ, als rein nraleriiÄ vor. Seine Bildnisse haben jene sprechende Natürlichkeit und Aehnlichkeit, die den Laien verblüfft, und eS spricht ür die Tüchtigkeit seines Könnens, daß der Kenner das bestätigt. Wohl hat Graff noch die Tradition überkommen, die die Engländer in der flüssigen Behandlung der Farbe weitergeben. Aber er ist härter, norddeutscher. Er ist mehr Plastiker, er modelliert die Schädel ium Greifen heraus. Aber man muß etwa das Beiwerk, eine Uni- orm, einen wehenden Schal, Kopfschmuck betrachten, um zu de»