merken, mit weicher Delikatesse er solche Nebensächlichkeiten nebenher behandelt. Es ist Kultur in ihm. Daß wir dies jetzt noch sagen können, beweist hinreichend seine Künstlerschaft. K E. W. weiteres von den englifchen Madien. Den urwüchsigen Humor der Engländer, der zu Shakespeares Zeiten zun» höchsten Ausdruck kam, hat selbst das harte und nüwterne Regiment des KapiralismuS nicht ausrollen können. Es steckt in diesem Volke eine ausgelassene, knabenhafte Laune, die sehr scharf von der Liebe zur biisigen Satire absticht, die man in Ländern findet, wo der Stumpssinn des Militarismus und der Bureaukratie den Volkshumor zu ätzenden Repressalien herausfordert. Selbst bei diesen Wahlen, in denen die politische Leidenschaft so mächtig entflammt ist, konnte der Humor nicht unterdrückt werden. Die tollen Spähe, die fich das Volk mit den agitierenden Lords erlaubte, sind ja jetzt allgemein bekannt und die Geschichte von dem schlagfertigen Kandidaten, der den Kohlkopf, der nach ihm geworfen wurde, mit den Mörlen aufhob:.Ich glaube, einer meiner Gegner hat den Kopf verloren", scheint schon bis Timbultu gedrungen zu fein. Den wirksamsten komischen Kontrast zu den stürmischen und ernsten Ereignissen verdanke» wir denbaalclsro"(Hechlem), Leuten die in den Wählerversammlungen den feindlichen Kandidaten durch verfängliche Fragen in Verwirrung zu bringen suchen. Die Schotten sind die Meister in der Hechelei. So sagte kürzlich ein Hechler einem konservativen Kandidaten in Glasgow  , was er, falls er gewählt würde, für die Heringsfischerei im Elyde zu tun gedächte. Der Kandidat, der aus einer anderen Gegend kam und den Elyde nicht näher kannte, versicherte treu- herzig, dieser Frage seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken zu wollen, eine Erklärung, die von der Versammlung mir stürmischer Heiterkeit aufgenommen wurde. Der Elyde ist nämlich ein total verseuchter Fluh, in dem ein zarter Fisch wie der Hering kaum eine Sekunde leben könnte. Eine heitere Geschichte kommt aus Dundee  , wo sich die Kandidaten der Arbeiterpartei und der konservativen Partei mit Plakaten bekämpften. Wie der.Lab our Lea der" berichlet. hatten beide Parteielt ihr Komiteezimmer im selben Gebäude, und zwar befand sich das Zimmer der Arbeiterpartei gerade über dem der Konservativen. Der Arbeiterkandidat hängte nun ein grosses Schild ans, das die Worte trug:Haltet die LebcnSmittclbefteuerer aus dem Parlament I" Unten zeigten darauf die Konservativen auch ein grosses Scbild, worauf die Worte fwnden:Indem Ihr für Tarifreform stimmt," so dass jetzt draussen zu lesen war:Haltet die Lebensmittelbestenerer auS dein Parlament I"Indem Ihr für Tarifreforin stimmt." Run begann der Krieg. Die Arbeiterparteiler zogen ihr Schild zurück und hängten ein anderes auS, das folgende Inschrift trug: Ihr werdet Euer Heim zugrunde richten." Die geschlagenen Konservativen gaben ihrem Schilde darauf folgenden Text: Wenn Ihr nicht für Tarifteform stimmt." Die Antwort der Arbeiterparteiler war die Inschrift:Ihr werdet Euer Heim retten". Jetzt strichen die Konservativen aus ihrem Schilde das Wörtchennicht" ans, was von oben dadurch beantwortet wurde, dass an die Stelle des Wortesretten" die Wörterzugrunde richten" gesetzt wurden. Die kombinierte Inschrift lautete schliess- lich:Ihr tverdet Euer Heiin zugrunde richten, wenn Ihr für Tarif- reform stimmt". Als Balfour   erklärte, dass unter Tarifreform die Brotpreise nicht nur nicht steigen, sondern inr Gegenteil sinken würden, machten sich seine Wähler in der City in folgender Weise darüber lustig. Am Tage nach der Balfourschen Rede war in der Londoner Börse   ein Anschlag mit folgender Inschrift zu sehen:Wenn bei einen, Zoll von zwei Schilling für den Quarter Weizen der Preis des BroteS um einen Farthing U'/s Pfennig) sinkt, wie hoch inuss dann der Zoll fei», mit das Brot umsonst zu bekommen? Wer dieses Problem richtig löst, bekommt eine deutsche Knackwurst." Ein sehr beliebtes Mittel, um den Gegner zu übertrumpfen, be­sieht darin, dass man sich seiner Bilder und Karikaturen bemächtigt, ltm sie für die eigenen Zwecke umzugestalten. Da ist zum Beispiel das ergreifende Bild der Konservativen, das ein Opfer des Frei- Handels, einen Arbeitslosen mit Familie, die der Verzweiflung nahe sind, darstellt. Die Liberalen haben das Bild kopiert; nur erscheint bei ihnen der offeneu Tür der Arbeiterwohnung der Zoll- einnehmer, Ar der erstaunten Familie mitteilt, er komme, um die Lebensnkittelzölle einzukassieren. Rot   ist fast überall bei diesen Wahlen die Farbe der Konservativen. Ein ausländischer Sozialdeniokrat kann daher in die grötztc Ver- legenheit kommen. Es wird ihn eine grosse Ueberwindung kosten, all den Pseudogenossen mit der roten Rosette im Knopfloch nicht herzlich die Hand zu schütteln. Und wie wird es ihm erst zumute sein, wenn ihm an jeder Strassenecke ein Mann vertrauensvoll einen Zettel in die Hand drückt, der auf beiden Seiten in fetten Buchstaben die Losung trägt: Wählt rot I Wählt rot! Kleines Feuilleton. Geologisches. Die Erdbeben auf der Wanderschaft. Seit man den Erdbeben eine gründliche Erforschung zugewandt hat und nicht nur die grossen, von gewaltigen Verheerungen begleiteten Ereignisse dieser Art, sondern auch die geringeren Erschütterungen der Erdkruste  studiert, ist der Verdacht enrstanden, dass die Herde dieser Erd« bewegungen und möglicherweise auch der vulkanischen Tättgkeit nicht an derselben Stelle bleiben, sondern langsam von Ost nach West wandern. Zu einer sicheren Feststellung war man jedoch bisher nicht gelangt, da die einzelnen genauer verfolgien Beispiele zu eindwand« freien Schlüsien nicht genüg«». Nunmehr hal Dr. Wehner in der Physikalischen Zeilscdrist  " den Versuch gemacht, diesem Vorgang nicht nur näher nacvzuspüren, sondern auch eine Erklärung dafür zu geben. Die Sacbe ist um so wichtiger, weil sie ein wesentliches Mittel dafür bieten würde, Erdbeben vorauszusagen. Um die Art dieser Wanderung zu zeigen, eignen sich Daten neuerer Zeit auS dem Mittclmeergebiet. Im Jahre l8M trat in Smyrna ein Erd» beben auf. 1881 auf der Insel KioS, 1888 in Athen  , 1888 in Korinth  , 1893 auf der Insel Zanre, zwischen 1893 und 1905 an anderen Stellen im Jonischen Meere, dann 1993, wie bs» kanni, in der Strasse von Messina. Es wäre nun zu ver» muten, dass weitere Erdbeben im Jahre 1914 in Palermo  , 1952 an der spanischen   Küste bei Alicante   und 1972 an der portugiesischen Küste folgen werden. Aus diesem und zahlreichen anderen Fällen hatte Wehner den Schluss gezogen, dass die Wanderung der Erdbeben von Osten nach Westen durchschnitllich im Jahre 22 Minuten und 41.3 Sekunden beträgt, was im gewöhnlichen Längenmass für unsere Breiten ungefähr 50 Kilometer bedeuten würde. Nun könnte man an der Hand des gegebenen Beispiels einwenden, dass die zeillichen Abstände der erwähnten Erdbeben doch im Verhältnis viel grösser und auch unregelmässig sind. Es muss eben hinzugefügt werden, dass diese Wanderung durch den Eintritt eines erheblichen Erdbebens nur an den Stellen zum Ausdruck kommt, die zu den sogenannten Schüttergebicten ge- hören. das heissl auS irgendwelchen anderen natürlichen Gründen der Entstehimg eines Erdbebens besonders günstige Bedingungen bieten. Gebiete wie der Golf von Neapel oder die Strasse von Messina, die Küste von Portugal  (Lissabon  ) sind in dieser Hinsicht längst berüchtigt. Die Erklärung jener angenommenen Wanderung der Erdbeben findet nun Wehuer in der Voraussetzung, dass der unter der festen Erdkruste liegende Erdkern, der an sich fest, aber von jener durch eme feurig° flüssige Schicht getrennt ist, für sich gleichfalls eine Wanderung oder Drehung vollführt. Diese Verschiebung ist selbstverständlich nur relativ, und man müßte eigentlich sagen, dass der feste Erdkern, der sich an sich natürlich in derselben Richtung dreht wie die Erdkruste  , das heißt von Westen nach Osten, nur eine geringere Geschwindig» keil befitzt, und deshalb hinter dieser zurückbleibt. Daraus entsteht eine scheinbare Drehung des Erdkerns im Verhältnis zur Erdkruste   in entgegengesetzter Richtung, also von Osten nach Westen, und zwar würde diese ihren Lauf einmal in 952 Jahren vollenden. In derselben Zeit würden die Erdbeben und Vulkan- ausbräche einmal um den Erdumfang herumwandern. Diesen Zu- sammenhang deutet Mehner daraus, dass sich in dem Erdkern aewisiermassen Ventile befinden, die den vulkanischen und anderen störenden Kräiten einen leichleren Ausgang gestatten, und wo diese bei ihrer Wanderung mit schwachen Steflcn in der Erdkruste   zusammen- treffen, würde eben die Katastrophe entstehen. Physiologisches. Der Nährwert von Weizenbrot und Schwarz« b r o t wird vielfach nicht richtig beurteilt. Wenn das Weizenbrot oft bevorzugt wird, so niag das zuni Teil daran liegen, dass man es für etwas Feineres hält. Im eigentlichen Nährwert besteht zwischen beiden Brotsorten nur ein recht geringer linterschied und jede besitzt ihre eigenen Vorzüge, Der Roggen enthält etwas mehr an löslichen Kohlewasierstoffen, der Weizen dafür etwas weniger Kleber. Die Gesamtheil der Eiweisskörper ist im Weizen» und Roggen« mehl ungefähr gleich. Auch die chemische Untersuchung vermag nur sehr geringfügige Unterschiede in der Zuiammensetziing von Roggen- und Weizenmehl festzustellen. Der nichl von Verwöhnung oder Em» bildung angekränkelte Mensch hält das Roggenbrot im allgemeinen für herzhafter, aber das ist eben Geschmackssache. Dagegen ist es ein unbestrittener Vorzug dieses Brotes, dass es sich besser hält. Ferner wirkt es anregend auf die Verdauung, nament» lich in der Form von Pumpernickel, der aus dem vollen Korn des Roggens hergestellt wird. Uebrigens wird man abgesehen von der Geschmacksrichttmg eines fortgesetzten Genusses von Weizen- bror weit schneller überdrüssig. Diese Fragen haben eine grosse welt- wirtschaftliche Bedeutung, weil man befürchtet, der Weizenvorrat der Erde könnte recht bald unzulänglich werden.(?) Unter diesen Um- ständen wäre es selbstverständlich eine Lebensfrage für Tausende, ohne irgendeine Schädigung der Gesundheit das Roggenbrot au die Stelle des'Weizenbrotes setzen zu können. Kkrantw. Redakteur: Richard Barth  , Berlin. Druck u. Verlag: BorwärlS Buchdruckerei u.Peri«g»anstaltPaul Singer Lcio..Berlln2>äi.