Der alte Häusler, der am Hofe arbeitete, machte sich auch seineGedanken über allerlei, und eines Tages wurde er zudringlich.Aber Gjarta ließ ihn auf der Stelle seine Kiste packen. Zweiandere waren da, die freiten um ste und meinten es aufrichtig;der eine war ein hergelaufener Geselle, an d-n nichts war, aberder andere konnte ganz gut pasfieren, wiewohl er nichts hatte.Sie sagte nein zu dem einen wie zu dem anderen, eS war nichtaus ihr klug zu werden.Es verstrichen sieben lange Jahre, und Gjarta war im Be-wußtsein der Leute längst zur Ruhe gekommen.Im achten Jahre begann sie zum Amtmann zu laufen umeinen Heiratsschein, und eines Tages spann'e sie vor und fuhrzur Stadt. Sie selbst kutschierte, und eS hieß, sie hole nun Peterab. Es waren auch richtig zwei im Wagen, als sie zurückkam.So war nun Peter Bauer auf dem Sandhof. Er hatte Fleischund Jugend im Gefängnis zugesetzt, war lang und sehnig ge-worden. Er ging etwas gebückt und die Nackenmuskeln warendicker, als es natürlich war. Aber tüchtig war er in allem ge-blieben, ja sogar ganz büchergelehrt, und Böses war so wenig inihm wie zuvor.Er und Gjarta besorgten die Wirtschaft, gingen gemeinsamin die Kirche und verkehrten immer sanft und freundlich mitein-ander. Die lange Zwischenzeit hatte in ihrem Verhältnis undihren gegenseitigen Gefühlen nichts zu ändern vermocht, und dieTat legte keinen Schatten zwischen sie. Sie kam, wie es kommenmußte, und die beiden genossen nun ihre Früchte. Sie schiennicht mehr Spur hinterlassen zu haben als das jährliche Wcihnachts-schlachten.Sie sprachen miteinander von Ole als von einem, der traurigums Leben gekommen, verweilten bloß nicht bei dem Wie, und siehalfen einander sein Grab pflegen, bis es verfallen war.Nun find sie alt, ein altes glückliches Ehepaar, das umein-ander herumtrippelt und ohne einander nicht sein kann. Wer alsFremder in die Gegend kommt, wird ihren milden verrunzeltenGesichtern nichts von dem Geschehenen ablesen können.Und die Bewohner der Gegend werden ihm nichts erzählen.Dem Fremden gegenüber hat das Dorf all die Zeit her eine Mauervon Schweigen aufgeführt über dem Grunde, auf dem jene beidenihr Glück aufbauten. Nur die, die die Kultur gepackt hat, schwatzengruselnd die Geschichte aus und fühlen ihre Nerven.Das Schicksal selbst kennt keine Nerven. Es geht über einenMenschen hinweg wie ein Eisenbahnzug, und man merkt nur einweiches Wiegen.Zur Gefcbicbtc der Zenfur.Das Prinzip der Preßfreiheit, da« dem einzelnen ein zwarimmer noch begrenztes, aber auch gesichertes Recht der öffentlichenMeinungsäußerung verleiht, ist bekanntermaßen erst eine politischeErrungenschast der neuen Zeit. In England freilich war diese Frei-heit schon gegen das Ende deS 17. Jahrhunderts zur Geltung ge-langt, indem daS Parlament im Jahre 1694 die Erneuerung desalten ZensurgesetzeS ablehnte. Auch das kleine Dänemark hatte imJahre 1770 eine Art Preßsteiheit erlangt. Alle übrigen Staatenvon Europa hingegen haben erst unter dem Einfluß der großenfranzösischen Revolution eine fortgeschrittene Preßgesetzgebung be-kommen. Selbstverständlich am spätesten von allen das Land, indem der Sage nach das eigene Denken und Dichten von Anfang anam stühesten zu Hause gewesen ist: Deutschland hat erst imJahre 1874, also nachdem der gesamte Einheits-Demokratismus dervierziger Jahre absolutistisch verseucht war, seine dazu passendePreßsteiheit erhalten. Nicht unintereflant ist ei» wenig be-kannler heiterer Zwischenfall aus der Vorgeschichte dieses Gesetzes. Eswar schon in der VcrfaflungSurkunde für den preußischen Staat vom5. Dezember 1848 die Preßsteiheit grundsätzlich zugesichert worden.Am 6. Juli 1864 ergingen dann die berüchtigten Bestimmungengegen den Mißbrauch der Preßsteiheit. Sie brachte» für die meistenBundesstaaten völlig rückschrittliche Abänderungen. Unter ihnen be-findet fich nun ein Paragraph, der entweder stir die zynische Haltungder preußischen Regierung gegenüber der Wissenschaft, oder für dieLeichtfertigkeit preußischer Gesetzesmacherei charakteristisch ist. DieserParagraph lautet nämlich:.Der verantwortliche Redatteur einerperiodischen Druckschrist muß unbedingt dispofitionSfähig sein. DieRedaktion von Zeitschriften wissenschaftlichenInhalts... kann auch Personen gestattet werden.die... die Dispositionsfähigkeit nicht besitzen."Heber die preußische Zensur, ihr Wesen und ihre Geschichte besonderszu der Zeit, da auch Marx noch gegen sie zu fechten hatte, kann manfich am besten in Mehrings Anmerkungen zum ersten Bande deSMarx-EngelS-Nacftlafles orientieren.Hätte die Philosophie der Menschenrechte, die zugleich die Philo-sophie deS gesunden Menschenverstandes ist, recht, so hätte es nieetwa? freieres gegeben als— den Gedanken. In Wirklichkeit ist dieGeschichte der Gedankensteihcit daS traurigste Kapitel der gesamtenKulturgeschichte und der bezahlte Gedanke ebenso oft ein Hemm-n i S,— wie der steie ein Hebel der Kultur gewesen. Der Nametut nichts zur Sache: Es hat von den, Augenblicke an, wo Menscheninnerhalb eines Verbandes— und das heißt eben vom Uranfangmenschlicher Kultur an— eine Zensur gegeben. Und dem ent-sprechend: Es gibt auch heute noch in Wirklichkeit leine richtige Ge-dankensteiheit, sondern das Maß von Gedankenfreiheit richtet fichnach dem. waS die herrschende Schicht der Gesellschaft an Freiheitvertragen kann, ohne in ihrem Lebensinteresfe geschädigt zu werden.Dem Altertum und dem Mittelalter, d. h. solange der geistigeVerkehr der Menschheit auf mündliche und schriftliche Traditionenbeschrankt gewesen, war die Ueberwachung der literarischen Tätig-keit stemd geblieben. Keineswegs aber hatte man gegen dieVeröffentlichung unbequemer Bücher, Schmähschriften oderSpottgedichte überhaupt sich gleichgültig verhalten; Reaktionender Staatsgewalt gegen den bereits geäußerten und ver-bresteten Gedanke», Straf- und llnterdrückungsbestimmungen gegenbereits veröffentlichte Bücher begegnen uns vielmehr fchon in denältesten Zeiten. Das erste Beispiel einer Art Thealerzenfur begegnetuns im Jahre 498 v. Chr. bei Herodot. Als nämlich der DichterPhrynichoS von Athen in seiner„Eroberung von Athen" die Jammer-szenen darstellte, die Milet. die Tochterstadt und Verbündete vonAthen, bei der persischen Eroberung nach dem Aufstande der Jonierbetroffen hatten, und als das ganze Theater dadurch bis zu Thränengerührt ward, da wurde der Dichter zu einer bedeutenden Geld-summe verurteilt. Das erste Buch von dessen gewaltsamer Unter-drückung die Geschichte berichtet, des Philosophen ProtagorasSchrift„Ueber die Götter", die von Staatswegsn in Athen auföffentlichem Markte kaum 20 Jahre nach dem Tode des Periklesverbrannt wurde, ist religionsphilosophischcn Inhalts, wie dennin dem von je gespanntem Verhältnis zwischen Philosophieund Religion der Zensur auch in der Folge eine besonders bedeut-same Rolle zufallen sollte. In Rom enthielten schon die Zwölstafel-gesetze überaus strenge Bestimmungen gegen Pasquille und Spott-gedichte; die eigentlichen Feindseligkeiten gegen den freien Gedankenbegannen aber erst init der Jmperatorcnzeit. Augustus war nachTacituS der erste, der daS Majestätsgesetz, durch das bisher nurdirekte Handlungen verfolgt worden waren, zum Vorwand nahm, umauch Worte zu ahnden und über Schmähschriften Untersuchungen an-stellen zu lassen. Unter Tibcrius wurde Cremutius Cordus, der inseinem Geschichtswerke den M. Brutus gelobt und G. CassiuS denletzten Römer genannt hatte, unter Anklage gestellt. Er wählte vorAusgang seines Prozesses den steiwilligen Hungertod; seine Schriftenwurden aus Anordnung des Senates verbrannt, aber sie erhieltensich in: Publikuin unter dem Schutze der Verborgenheit und wurden,wie schon der alte Schriftsteller Dio beniertt, dadurch nur um sogesuchter. Auch TacituS, der diesen Vorfall erzählt, fügt bezeich«nenderweise hinzu: Man muß über die Beschränktheit derer lächeln,die da wähnen, durch ihre augenblickliche Allgewalt auch das An-denken bei der Nachwelt austilgen zu können. Im Gegenteil, durchVerfolguitg der Geister wächst deren Bedeutung, und auswärtigeKönige und andere, die die die gleiche Tyrannei geübt, haben damrtfich selbst nur Schande und jenen anderen Ehre erworben. Inähnlicher Weise wurde die Todesstrafe an den Werken desHistorikers Titus Labienus in Rom vollzogen. Unter Caligulawurden dann allerdings die Schriften des Labienus und Cordeswieder erlaubt. ES wechselten freisinnige Anschauungen mit all«genicineni Gedankcnzwange auch in den folgenden Jahrhundertc»der Kaiserzcit.Nicht wesentlich anders wurden die Verhältnisse in» Mittelalter,als die Kirche die Ueberwachung der Geistes- und Denkfreiheitübernahm. Konzilien und Päpste übten das Zensoramt; durchVerbote, die in der Regel die Vernichtung der Bücher durch Ver-brennung im Gefolge hatten, suchte man namentlich ketzerischeSchriften zu unterdrücken, und da die Vervielfältigung der Bücherdurch Abichreiben eine langsame, die Verbreitung eine geringe blieb,so konnte man leicht der im Umlauf befindlichen Manuskripte Hab«Haft werden.Erst die ungeahnte Vervielfältigung, die der Buchdruck ermög-lichte, die rasche und große Verbreitung der gedruckten Bücher unddie hierdurch bewirkte neue, unermeßliche Steigerung des Gedanken-Verkehrs haben die Kirche zu den. Verlangen vorheriger Druck-erlaubnis geführt: die Massenwirkungen der Guteirbergscheii Er»ändnng haben die eigentliche Präventivzensnr geschaffen,und zwar als eine Schutzwehr und als ein Kampf»mittel innerhalb der großen sozialen und reli»giöien Kämpfe deS 15. und 16. Jahrhunderts. Dieerste hierhin zielende Anordnung stammt vom Papste Alexander VI.,jenem fittenlosen Prachtexemplar, das auch die Exkommimikattonund damit den Tod des großen Ketzers Savonarola aus dem Ge»wissen hat.Immer hat sich der Staat des Mittelalters wie der Neuzeit gernder kirchlichen ZwangSmaßregel» bedient, wenn eS in seinemInteresse lag. So hat er auch nicht lange gezögert, die Bücher-zensur nachzuahmen. Das Wormser Edikt vom Jahre 1621 begründeteifie deutsche Bücherzcnsur, und seitdem enthielt jeder Reichstags-abschied eine Anzahl von Geboten und Mahnungen zu strengerZensur der Druckereien, um die„verheerenden" Wirkungen, welchedie Presse gegen bestehende Einrichtungen und Autoritäten im Volkehervorbrachte, abzuwehren und den leidenschaftlichen Eifer derzahllosen Flugschriften zu mäßigen/ mit denen die verschiedenenParteien im Reiche gegeneinander polemisierten. Bis zum Osna-brückcr Friedensschluß hatte das religiöse Moment innerhalb desZensurwesens noch bei weitem überwogen. Mit der Beilegung derReligionswirren trat diese Beziehung auf die Religion mehr undchließlich ganz zuriick. Man begann nun vor allem die Meinungs-äußerung über politische Dinge zu fürchten und sdarum) zu ver-