Von der Hpfelfme und ihrenVerwandten.Von C. S ch e n k l i n g.Es ist erstaunlich, in welchem Maße sich die Einfuhr fremd-ländischer Gartenirüchte bei uns steigert. Man blättere nur einmaldie einschlägigen Preislisten durch: Spanien, Frankreich, Süditalien,Jstrien, die Türkei nebst Griechenland, Rordafrika— sämtlicheKüstenländer des Mittelländischen Meeres senden uns von ihren Erntenan Orangen, Trauben, Pflaumen. Gemüsen usw. Selbst das Landjenseits„des großen Teiches" wollte in dieser Hinficht nicht zurück-stehen und gibt uns von dem lachenden lleberfluß seiner kruit-karmosObstfarms) einen das Auge wie die Zunge gleich entzückenden Begriff. Undnoch mehr: das ferne Australien sendet ganze Schiffsladungen seinerschmackhaften Aepfel— zum größten Verdruß unserer Obstzüchter. Deutsch»land hatte bekanntlich aufgehört, den eigenen Bedarf an Obst deckenzu können. Glücklicherweise ist ja die Zeit, in der man den Obstbauals Raubbau betrachtete, vorüber, denn überall, wo die Gunst derSonne und des Bodens es erlanbt, entstehen wohlgepflegte undsachgemäß behandelte Obstgärten und Obstplantagen. Verständiger-weise find die Heuligen Obstzüchterauch von dem einst üblichen Brauch ab-gekommen, möglichst vielerlei Sorten zu züchten. Das war es eben, was denfremdländischen Aepfeln, Tirolern wie amerikanischen und austra-tischen bei uns so leicht Eingang verschaffte— der Händler konntenur auf diese Weise enorme Quantitäten einer Qualität beziehen,war also imstande, eine ganze Saison über gleichmäßige Früchte zuliefern. Während die amerikanischen Fruchtkonserven durchwegkalifornischen Ursprungs find, erhalten wir die Aepfel, die uns selbstin dem primitivsten Grünkramkeller so rotbäckig aus den Fensternanlachen, zn einem großen Teile aus Kanada.In dem gleichen Maße aber, in dem der Genuß und Verbrauchan Fruchten die statistischen Tabellen mit immer größeren Zahlenfüllt, wächst auch das Interesse an dem Wissen über Herkunft undGeschichte der verschiedenen Obstgattungen und der immer zahlreicherwerdenden Untersorten. Aufgabe dieses Auffatzes soll es nun sein,die Ergebnisse der Forschungen, die von den KulturHistorikern undNaturforschern über diese Punkte angestellt worden sind, zusammen-zufaffen.Beginnen wir mit der Apfelsine, Citrus sinensis. Bevorwir näher auf diese Frucht eingehen, sei vorausgeschickt, daß fie diewichtigste Spielart von Citrus auruntium ist. Der Orangenbaum,auch Orangcn-Agrume und Pomeranzenbaum genannt, hat etwa7 Meter Höhe, immergrüne, lederartige Blätter, deren Stiel deutlichgeflügelt ist und weiße, wohlriechende, ziemlich große Blüten, die inDoldentrauben stehen und als Frucht eine kugelige Beere mit einer mehroder minder dicken druien- und ölreichen Oberhaut entwickelt, die eineschwammige Schicht, die das Fruchtfleisch überzieht, bedeckt. Citrusaurantium, d. i. Goldapfel, hat zwei Varietäten, eine süße, dieApfelsine, und eine bittere, die Pomeranze. Die Botaniker nehmenan, daß sich jene aus dieser entwickelt hat. Wildwachsend findet fichdie Apfelfine noch in den Wäldern von Bengalen, in Birma, imsüdlichen China, in Cochinchina— daß man dort ihre Heimat zusuchen hat, lassen die chinefischen Schriften annehmen, nach denen fichdie Bevölkerung iencr Gebiete bereits zwei Jahrtausende vor unsererZeitrechnung an dieien süßen Orangen labte. Der Heimat verdanktdie Apfelfine auch ihren Namen: Citrus sinensis, d. i. chinesischerApfel, China- oder Sinaapfel, nicht mehr gebräuchlich ist die Be-Zeichnung Pomefine für diese Frucht.Im 17. Jahrhundert waren Apfelfinen in Europa noch eine der-artige Seltenheit, daß nur fürstliche Personen solche Früchte kaufenund sich gegenseitig zum Geschenk machen konnten. In Spanien wiein Griechenland begann man aber bald den chinesischen Fremdlingzu pflegen, und rasch entstanden Orangenhaine, namentlich in derNähe der Klöster. Die Hauptkultur der Apfelfine fällt indes nachItalien, woselbst fie in nicht weniger als 150 Spielarten kultiviertwird. Es soll hier nicht näher auf diese Spielarten eingegangenwerden; einige von ihnen dürfen wir aber doch nicht übergehen.Zu ihnen gehört die Blutapfelsine von Malta mit blut-rot gestreiftem oder ganz blutrotem, süßem Fruchtfleische;ste ist also eine Unterart der Apfelsine und nicht durch Impfungbezw. Einspritzung erzeugt worden, wie das einmal vermutet wurde.Eine weitere Sprelart ist die doppelfruchtige Orange, bei der jedeFrucht in ihrem oberen Teile sozusagen noch eine zweite enthält.Eine Spielart ist auch die violette Orange, deren Blätter und unreifeFrüchte violett angehaucht find und die neben der buchsbaum- undmyrtenblältriaen Orange nur Zierpflanze ist. Eine andere Varietätder süßen Orange ist die P o m p e l m n S mit birnförmigen,dickrindiaen und aeblich-orangefarbenen Früchtei». Ihr aromatisches.schwach säuerlich schmeckendes, rosafarbenes oder blaßgelbes Fleischläßt sich, weil in große Saftsäcke eingeschloffen, leicht teilen, wasdaS Verspeisen der 2— S Kilo schweren Frucht ungemein erleichtert.Der eigentümliche Rame rührt von dem ftanzöschen Orange pompel-mouse her; die nicht minder seltsam klingende englisch« Bezeichnung»Schatdock" soll mit dem Namen jenes Kapitäns zusammenhängen,der die Frucht von Asien nach Westindien brachte; gänzlich irre-führend ist aber die gleichfalls englische Bezeichnung mook-oranAS(falsche Orange). Dagegen erscheint der für eine kleineSpielart der PompelmuS gebrauchte Rame forbidden fruit(verbotene Frucht), der mit der deutschen Bezeichnung„Adamsapfel"übereinstimmt, recht paffeud. Die PompelmuS ist im IndischenArchipel sehr häufig; sie stammt aus China und ist jetzt auch nachAmerika verpflmrzt.Wenn schon ganz Italien sich mit der Kultur der Agrumen.unter welchem Namen die Orangen. Zitronen, Cedrati, Mandarinen,Bergamotten usw. zusammengefaßt w irden, beschäftigt, so kommtdoch von Sizilien die weitaus größte Menge zur Ausfuhr. AusPalermo wurden z. B. im Jahre 1300 für 10 630 000 Lire Südfrüchteverschifft, davon für 3 006 000 Lire nach den Vereinigten Staatenund für 1 345 000 Lire nach England, lieber Messina gingen fürmehr al? 15 000 000 Lire. Deutschland empfing von diesem Export14 242 000 Kilogramm im Werte von 1333 800 Lire. Gegenwärtigsteht die Agrumenkultur Siziliens in einer schweren Krisis: einmalhat sich der Wert des Agrumenbodens und der daraus zu erzielendePachtzins bedeutend verringert, zum anderen hat das Agrumen-fieber eine bedeutende Ueberproduktion hervorgerufen und drittensist der Insel die Hauptabsatzguelle, die Vereinigten Staaten, vir«loren gegangen.In den Vereinigten Staaten von Amerika hat man freflich erstnach dem Bürgerkriege begonnen, der Orangekultur ein größeresInteresse zuzuwenden und Orangen in nennenswerten Mengen fürden Markt zu züchten. Heute ist das amerikanische Orangen-land Kalifornien; namentlich werden im Süden diesesStaates, ostwärts der Stadt Los Angelos, vorzügliche Früchtegewonnen. Die kalifornische Orangenernte belauft sich zurzeit aufmehr denn 18 000 Waggonladungen a 300 Kisten. Die Ernte derApfelsinen(und Zitronen) gibt m jedem Jahre Veranlassung zumAbhalten großartiger Meffen und Märkte, die zu den Merkwürdig«leiten des Landes gehören. Diese Messen finden in der Regel imApril in einer der bedeutendsten Städte des Lande? statt. Selbst«verständlich verfehlen die größeren und größten Züchter nicht, sich zurrechten Zeit am rechten Orte einzufinden. Bei dieser Gelegenheitdenken der Handelstrieb und der Reklamefinn der Uankees natür-lich allerlei Schnurrpfeifereien aus. So war unter anderem eineriesenhafte Apfelsine ausgestellt, die aus 3000 an einem Gerüst vongeeigneter Gestalt befestigten Früchten bestand. Ein anderer Aus»steller hatte eine Säule von mehreren Metern Höhe errichtet.Frankreichs Produktton an Orangen und Zittonen ist zwarnicht vernachlässigt, aber doch nur gering im Vergleich zu dem starkenKonsum. Es importiert seinen Bedarf von Haiti und den VereinigtenStaate».Jntereffe dürfte die Tatsache erregen, daß in der Umgebung derStadt Orange(Departement Vaucluse) Orangen nicht geerntetwerden. Der Topograph Merian(f 1650) schreibt daher in semer„Topographia Galliae" über diesen Ort:„Der Boden herumb isteben und lustig, so Wein, Getraid. viel Obst und sonderlich Safran:aber wie man sagt, keine Pomerantzen trägt. Daher daS Sprich«wort: A Oreage il ny a point d'Orenger.(In Orange gibt eSkeine Orangen.)In hoher Blüte steht dagegen in dem südöstlichsten TeilFrankreichs die Herstellung von Parfümerien aus Orangen«blüten. teilweise auch aus Fruchtschalen und den Blättern desBaumeS. Der Hauptsitz dieser Industrie ist die Umgebung vonNizza. Hier wird alljährlich ein Blütenmarkt abgehalten, der vierWochen andauert und auf dem täglich 15— 20 000 Kilo Orangenblüten zum Verkauf kommen.In Spanien bildet die Kultur der Orange und Zitrone einenbedeutsamen Erwerbszweig, zumal in den Bezirken Sevilla undValencia. Leider werden seit Jahren die dortigen Orangenhamevon einer Krankheit heimgesucht, die die Kulturen gänzlich' zu ver-nichten droht. Erstklaifige Früchte find die auf den Balearen ge»wonnenen, namentlich erzreuen sich die prächtigen Mallorcaorangenin den Hasenstädten des Mittelmeeres eines„gutklingenden" RufeS.Portugal eignet fich in seiner ganzen Ausdehnung zum Anbauder Agrumen, wie auch auf den griechischen Inseln dieKultur der Orange stetig zunimmt. Momentan versendet die InselAndros(eine Zyklode) jährlich über 12 000 000 Früchte nach Konstan«tinopel und nach den Häsen des Schwarzen Meeres. AndereOrangeländer sind Aegypten, Syrien, Mexiko, Süd-Amerika, Neu-Südwales, Süd- und Westaustralien, Japan und verschiedene West-indische Inseln. Das klassische Land der Apselfinenkultur ist undbleibt indeffeu die Inselgruppe der A z o r e n, deren Früchte mit Rechtwellberühmt sind.In Deutschland hat der Konsum der Apfelsinen während derletzten zwei Jahrzehnte ganz außerordentlich zugenommen. Während1830 213 226 X 100 Kilogramm im Werte von 4801 X 1000 M.eingeführt wurden, betrug der Import 1300 bereits 416 286 X 100Kilogramm im Werte von 11 268 X 1000 M. und hat fich seit dieserZeit verdoppelt, ja verdreifacht. Im Jahre 1308 wurden im Deutschet»Reich 1112 488 Doppelzentner Lpfesinen und Mandarinen im Wertevon 17 332 000 M. eingeführt.föeines f euilleton*Der geschichtliche Kern der Sewiramissage. In den Anfang derassyrischen Geschichte setzen die griechischen Berichte, die hauptsächlichauf den Ktesias, einen Arzt w persischen Diensten, zurückgehen, die