Zlnterhaltungsblatt des Donvürts Nr. 31. Sminabend den 12 Februar. 1910 ütaSdniC tJKEoten.J 81] Im JVatncn des Gefetzte* Von Hans Hyan . Der Kumpan hatte seine Schnapsflasche hervorgezogen, quietschte, als wollte er den Genossen damit aus seinem Hin- brüten aufwecken, mit dem Pfropfen auf dem Glase, trank dann hustend und sagte, indem er nun Georg die Flasche hinhielt: Na, denn nimm man ooch eenen. Du!... wir sind gleich dal" Der junge Hellwig griff instinktiv nach der Flasche. Wie er sie ansetzte und ihm der Fnselgeruch in die Nase stieg, hatte er für einen Moment das Gefühl des Widerwillens, das der Schnaps stets zuerst in ihm aussteigen ließ. Wie wenn er Ekelhaftes, Verderbliches in diesem Getränk witterte, etwas, vor dem er sich hüten und von dem er sich fernhalten müsse. Aber die Gleichgültigkeit gegen das Schicksal, die den, der scheinbar so gar nichts zu verlieren hat, noch weit mehr abstumpft, als den sozial Höherstehenden, ja eine Art unbewußten Trotzes gegen jede Warnung seines geheimen Selbst ließ Georg nun erst recht trinken! Als er die Flasche leer zurück gab, sagte der andere wütend: Na weeste, Du. det war ooch nich jrade nötichl Nu kann ick Rooch schnappen! Und mir durscht immerzu! Un Jeld Hab ick ooch nich!" Georg lachte. Laß man, Fronze! Wir kriegen ja da wat!... Un sind ooch jleich dal Da hast doch ebent jesagtl Langestraße l Na, da is doch schon!... da drieben!" Der Wogen bog jetzt, schwerfällig umlenkend, um die Ecke und hiett gleich darauf vor einer Einfahrt, die den Blick in eine Reihe hintereinander liegender Höfe freigab. Aber det is es ja noch ja nich," schrie der kleine Breit- schulterige, von dem Wagen abspringend und nach vorn zum Kutscher eilend, neben dem noch zwei Ziehleute saßen,et is doch Numma dreizehn, da, een Haus weiter, bei Poppe!.. Georg und seine drei Kollegen gingen in eine Destillation. während der Kutscher seine Ankunft bei den Leuten meldete, die umziehen.wollten. Und Hellwig hörte mit Erstaunen. wie der Kleine, der doch noch eben kein Geld zu haben vor- gegeben hatte, ein Eisbein,-ue kleine Weiße und einen Schnaps bestellte. Dadurch angefeuert, ließ er sich auch zu essen und zu trinken geben: denn, sagte er sich, wenn der nachher nicht bezahlt, kann ich ja auch auf Kredit leben! Indem kam der Kutscher ebenfalls ins Lokal und sagte, an den Tisch zu seinen Leuten tretend: Kinder, det is ja janz wat Feines!" Er ließ die Brauen in seinem faltigen Gesicht auf und nieder spielen. Da wert Ihr Maul und Reese aufreißen, lauta kleene Meechensl" Er schmatzte mit den Lippen, wie nach einem guten Happen. Einer von den vieren, ein verhältnismäßig schwach- gebauter, magerer I ensch, dem niemand seine Stärke zu- getraut hätte, tranig gerade Weißbier und verschluckerte sich vor Lachen: Det is grade wat scheenet! Da wart ick schon seit 8 Dage druff...." Und er machte eine Bemerkung von nicht wiederzugebender Deutlichkeit. Das gefiel allen und der größte, ein langer Kerl mit fuchsigem Reiterschnurrbart, den er zwischen den Fingern rollte, meinte laut: Na uff die Weise wer ick doch mal zu ne Braut kommen! Wat is et denn. Edewanß, Halbseide oder Kattun?" Hm!" Der Kutscher machte, die linke Hand schüttelnd. eine Geste der höchsten Würdigung,det is janz wat Feines! Mlens in Seide un Samt!... Ooch die Olle selbst;'n janz schnudliger Happen!"... Na, denn nehme ick die Olle uff mir!" sagte der Kleine mit den breiten Schultern,ick bin vor wat Jediejenesl Un was thu ick mit den janze Schönheit, wenn keene Platten (Geld) dahinter sind. Ick will Minzen sehen!.. Na, Franze, Du brauchst ihr doch nich jleich zu heiraten!" meinte der Große,aber Du bist schlau: Du denkst, wenn Du de Klucke erscht hast, denn könn' da' de Kiekels ooch nich mehr wechloofen!" Unter solchen heiteren Gesprächen brachen die Männer auf und Georg sah mit erschrecktem Staunen, daß Franz, sein Wagennachbar, trotz seiner Versicherung, kein Geld zu be­sitzen. jetzt seine Zeche bar bezahlte... Er wandte sich heim» lich an ihn mit der Bitte, ihm etwas zu borgen; doch der ging achselzuckend rasch zur Tür hinaus. Und dem jungen Hellwig blieb nichts übrig, als an den Wirt heranzugehen und ihn um Stundung zu bitten, bis nachher, wo er ihn von seiner Trinkgeldeinnahme bezahlen würde. Der Wirt brummte, war aber schließlich einverstanden, und Georg eilte mit einem Ingrimm, den er sich doch nicht merken lasse» durste, den andern nach. Am liebsten hätte er die Kameraden laufen lassen, die er für seine Kalamität verantwortlich machte: aber der Möbelspediteur hatte ja seine Bücherl Und dann brauchte er den Verdienst auch so dringend I Seine Schlafftellenwirttn, der er für mehrere Wochen die Miete sihuldete, hatte ihn auf diese Arbeit aufmerksam gemacht und im Transportkontor hatte sein athletischer Körperbau vollkommen als Empfehlung genügt Er sah die andern gerade noch ins Haus treten und kam eben zurecht, als ein Parterre geöffnet wurde. Wie in allen Wohnungen, die gewechselt werden, sah man verpackte und unverpackte Möbel im Korridor und durch die offenen Türen in den Zimmern umherstchen. Aber was sofort den Wiederschein des Frühlings auf alle diese Männer- gesichter zauberte, das war das Gelächter und die scherzenden Stimmen der Mädchen, die von der eben in einer Tür sichtbar gewordenen Frau angetrieben wurden, sie möchten sich beeilen und endlich mit ihrer Toilette fertig werden I Dann sah man in den hellen Lichtbreite» der Türausschnitte Gestalten in Korsett und Unterrock vorbeihuschen, geschminkte und fahle Gesichterchen mit flatterndem Haar und schöngeordnetem Lockenbau kamen zum Votschein und verschwanden wieder. Und selbst diese einfachen Männer genügten als Ziel für feurige, aufmunternde und schmachtende Blicke aus den kaum erst wachen Augen der jungen Mädchen. Die Wirtin dieses bezahlter Liebe gewechten Tempels. die als Rentiere im Berliner Adreßbuß verzeichnet stand, war eine Wattürenfigur. Hochblond, wenn die Farbe echt war, und mit den Augen eines preußischen Offiziers, dessen Witwe sie in der Tat war, stand sie ihrem umfangreichen Betriebe gewiß mit Energie und Umsicht vor. Jetzt äugte sie, mit dem Kutscher unterhandelnd, voller Interesse zu dem langen Ziehmann mit dem fuchsroten Schnurrbart hinüber, der sie an vergangene Stunden ihres Eheglückes gemahnen mochte.: Also Du, mit de Wirtin is es nischtl" flüsterte Georg Hellwig dem Kleinen zu, der vorhin nicht für ihn bezahlt hatte, die hat sich schon Karln ausjesucht! Die liebt det Große I Na, findste wat unter die andern, wah?" Der Kleine wollte gerade eine giftige Antwort geben, als die Dame, Frau Cusinier wie das Schild an der Türe besagte sich an ihm wandte: Werden Sie denn auch den schweren Flügel tragen können?" Ho!" Der Kleine warf sich in die breite Brust,da ham wa schon janz andre Dinge jeschlcppt, wcnnt weiter nischt isl" Und außerdem sind wir ja ooch noch da, jnädige Frau!" mischte sich Georg jetzt ein, der vortrat und die stattliche Blondine, die trotzdem zu ihm aufsehen mußte, mit dem vollen Blick seiner scharfen, blaugrauen Augen maß. Die Frau blickte ihn mit Interesse an, ein wohlgefälliges Lächeln zog über ihren vollen Mund. Sie verglich am Ende die Männergestalten aus ihren Kreisen mit diesen Söhnen des Volkes, denen die Kraft so etwas Selbstverständliches war, daß selbst ihr vermeintlicher Mangel bei dem einen den Hohn der übriger: weckte. Aber was haben Sie denn?" sagte Frau Cusinier rasch vortretend,Sie tverden ja ganz blaß!"