«Geld.. sagte er,... Geld!"..Hab ich!" nickte der Grüne,„ja... komm bloß"Und sich nochmals nach irgendeinem Indizium um-Klickend, ging der Zuchthäusler voran, zur Tür. Er drehtedie Beleuchtung aus und horchte, vorsichtig öfsnend. langeZeit hinaus.„Jut... komm!"Sie gingen durch die Entreetllr, die Treppe hinab....Der Grüne zog einen Dietrich aus der Tasche, den er extrgangefertigt hatte— das Schloß parierte sofort.Vorsichtig blieben sie noch im Sckjattcn des Torweges.Da sagte Georg mit Weinen in der Stimme:„Du hast et ja bloß jewollt... darum haste mir's Messerjejeben!"„Stille!" raunte der Grüne,„biste verrickt!..Sie liefen über den Tamm, in den Schatten derBäume... die Laternen waren verlöscht... der Mondschien... Aber in den Bäumen war es wie ein erschrecktesFlüstern von vergossenem Menschenblut...(Fortsetzung folgt.,(Nachdruck»«rdote».,11 Der Totengräber.von Josef Ruederer.Der Vorfrühling war mit leisen Tönen über das Hochgebirgegezogen. Auf der breiten Talfläche regte sich's schüchtern mit mattenFarben unter den gelben, verkrüppelten Halmen der schneebefreitenWiesen. Nur die Berge waren noch eingehüllt in grelles Weiß vonden Gipfeln an bis zu den sanftgeneigten Matten und Triften.Weit hinaus leuchteten sie in den stillen Märztag im Glanz einerharten, blendenden Mittagssonne, wie unbewegliche, starre Eis.Massen. Aber unter der schimmernden Decke tropfte und rieseltees in fortwährender Auflösung und schäumte �tiefer hinab in dieangeschwollenen Gießbäche, um Gehöfte und Dämme.Die schmale Straße entlang durch das weitgezogene Dorf wan-derte ein Mann, der so an die fünfzig sein mochte. Er trug einenschäbigen Filzhut, graufarbene Beinkleider mit breiten, grünenStreifen an den Nähten und derbe Rindslederstiefel. Auf seinerbraunen Lodenjoppe war das Feldzugszeichen des deutsch-fran-zösischen Krieges festgenäht. Gleich neben den ganz erloschenenFarben des zerfaserten Bandes blickte ein Pfeifenstiel hervor, denschwarzseidene Quasten verzierten. Beide Hände hielt der Mannin den Hosentaschen verborgen, und tief in den linken Mund-Winkel hatte er eine Zigarre gesteckt. So schritt er gemächlich dasDorf hinan. Manchmal blieb er stehen und blickte die Richtungzurück, die er hergekommen war. Dann schüttelte er immer denKopf und lachte leise vor sich hin. Jedesmal zog es da höhnischüber das breite, bartlose Gesicht mit den tiefen Falten. Dieklugen Augen leuchteten auf. und die hochgeschwungencn Flügelder derben Habichtsnase setzten sich in leichte Bewegung. Doch dasging schnell vorüber. Bald nahm das Gesicht wieder einen Aus-druck seltener Gutmütigkeit an, wenn er weiterschritt und eineMelodie halblaut bor sich hinsummte.Jetzt war er am Ende des Dorfes angelangt. Keinen Men-schen hatte er begegnet auf der verlassenen Straße, die sich inweiten Windungen auf die Felder hinauszog. Noch einmal blickteer um. Alles still und öd wie an einem Feiertag. Nur dort, wodie umliegenden Berge einen klotzigen Absenker mitten in das Dorfgekeilt hatten, tönte ein gleichmäßiges Raufchen und Brausen.Aus zerrissenen Schluchten klang es herüber von den stürzendenWassern.Langsam bog der Wanderer am letzten Gehöfte vorbei undschlug einen Seitenpfad ein..Zwischen Bäumchen und Strauchwerk ging es dahin, einen feuchten, dunstigen Weg, ohne Licht,ohne Wärme. Die graue, niedere Mauer, die bald hinter denkahlen Gebüschen hervorwuchs, zeigte triefende Flecken, und aufihren verblaßten Ziegeln wucherte grünes Moos. Kreuze undMarmorsleine mit verdorrten Kränzen ragten drüber hinaus undzogen sich fort bis zu dem Torgitter, dem Eingang des Kirchhofs.Mit einem schrillen Ton öffnete sich das Schloß und krachendflog es wieder hinter dem Eintretenden zu. Von den verwittertenEiscnstäben fiel Rost in Menge zur Erde und aufgescheucht huschteein Dohlenpaar über die Kreuze hinweg zur Höhe. Der Mannblickte ihnen nach, so spöttisch, wie er auf der Dorfstraße drein-geschaut hatte, dann schritt er weiter zwischen den Grabhügeln,wie er gekommen war, rauchend und summend. So durchmaß erden ganzen Gottesacker von einem Ende zum anderen.Dort unten, gleich neben der alten Kapelle, stand ein HauSmit hohem, braunem Giebel, das hart an die Friedhofsmauer ge-baut war. Grau und feucht war's wie die ganze Umgebung. Nurdie blumenumstellten Fenster der Vorderfront, die direkt in denFriedhof hineinblickten, milderten etwas den düsteren Eindruck deSwenig einladenden Gebäudes. Um so blanker und weißer warder breite Flur, den die Sonne durchflutete. Der Ankommendeschritt ihn zweimal auf und nieder, dann hängte er Rock und Westean den Nagel und horchte. Das ganze HauS schien wie avSge-starben.„Loni," rief der Mann und sah sich um.„Da bin i," kam es gleichgültig aus der Eckstubc.Hastig strich der Mann die struppigen, schwarzen Haare ttu9der Stirne und ging über die Schwelle.Ein seltsamer Raum war es, den er da betrat, niedrig undfinster, nicht sehr wohnlich, und in der närrischen, fast abenteuer-lichen Einrichtung mehr an die Trödelbude eines Raritätenhänd-lers als an das Zimmer eines Gebirgsbauern erinnernd. Diebreite Wand der Türe gegenüber mochte noch angehen. Sie warverziert mit zwei übcreinandergelcgten Kavalleriesäbeln und Wer-dergewehren. Dazwischen blickte ein ganz zerschundener Helm her-vor mit einer Raupe, die die Motten halb abgefressen hatten, undunter ihm war eine große Reiterpistole an die Mauer genagelt.Aber was sonst noch herumhing, stimmte schon düsterer, verrosteteWeihwasserkessel und eiserne Grabkreuze, durchlöcherte Blechtafelnmit erloschenen Inschriften, zerbrochene Zinkornamente, an denennoch ein letzter Rest der ehemaligen Vergoldung schimmert«— dasalles war an Wand und Kreuzftock kunstgerecht befestigt und da-zwischen grinsten, wohlverteilt im ganzen Zimmer, von grün«gestrichenen Wandgesimsen gelbe Totenschädel herab, die gar sonder«baren Schmuck trugen.Der eine von ihnen hatte ein kokettes Jägerhütl auf, der amdere ein verdorrtes Kränz! oder einen verrosteten Trichter, einerauch hielt einen ausgetrockneten Lederapfel zwischen den weitaus-gesperrten Zähnen, einem besonders großen Schädel waren roteRüben in die Augenhöhlen gesteckt, und so ging es fort bis in dieEcke zu dem mächtigen Kachelofen, wo sich das Tollste von allembefand. DaS war ein ganzes Skelett auf einem Sockel von roh-gezimmertem Fichtenholz, ein närrisch anzusehender Bursche. Aufdem Kopfe saß ihm so halb und halb nach der Seite gerückt einganz zerrissener Zylinder, an den Händen trug er Glacehandschuhe,die einmal weiß gewesen sein mochten, und auf dem Leib einenzerfetzten Großvatersrack. der ihm bis über die Knie herabfiel.„Der Herr Meier." so wurde daL Skelett im Hause deS Totengräbers genannt, und unter diesem Namen kannte man es imganzen Dorfe. Wem eS gehörte? Das hätte der Totengräberselbst nicht sagen können. AuS allen möglichen Winkeln undSchutthaufen hatte er's einmal zusammengesucht, als man denuralten Zigeunerfriedhof in der Mitte des Dorfes aufhob, umeiner neuen Straße Platz zu machen. Nun stand es seit Jahrendahinten mit der gleichen Bekleidung und starrte den Eintretendenan als eine grausige Spottverzerrung des TodeS.Ohne sich umzusehen, ging der Mann zu dem Skelette unk»sperrte ihm den Mund auf, waS eine einfache Feder ermöglichte.Dann steckte er den Rest seiner qualmenden Zigarre zwischen dieZähne des knöchernen Burschen und nickte ihm freundlich zu wieeinem treuen Kameraden.„Lang bist ausblieben." tönte es aus der Fensternische. ESklang wieder so fad wie zuvor.Der Totengräber drehte sich um und sah sich seiner Fraugegenüber. Breit und aufgedunsen saß sie an dem großen Tischund blickte mit müden, schläfrigen Augen auf die Kartoffeln, diesie langsam in eine irdene Schüssel schnitt. Er nickte:„Kannst recht haben, hat laug gedauert. Aber i bin no derErste g'wesen, der fortgangen is."Damit schloß er ein kleines Wandschränkchen auf, holte einPäckchen Tabak heraus und stopfte feine Pfeife.„Wo is der Vater?" fragte er. Fast schüchtern war das heraus«gekommen.Sie hörte zu arbeiten auf und blickte ihn erstaunt an.„Der Vater? das machst fcho gut."Er wurde etwas unsicher.„No ja. i frag halt." sagte er zögernd.In ihren Zügen malte sich eine gewiss« spöttische Uebcr,legenheit.„Hast am End Angst um ihn?" fragte sie lauernd..Red' net so blödsinnig daher," fuhr er sie an.„Wo er iS,will i wissen."„Der werd wohl no im Wirtshaus hocken," entgegnete sie.„Bei so was iS er doch alleweil der Letzte. den'S nausschmeißen."Es folgte eine lange Pause. Der Totengräber bearbeitete seinePfeife und sah zum Herrn Meier hinüber, dem der Rauch derZigarre durch Augen und Nase stieg.-Endlich begann die Frau wieder:.Hast'n denn Du net g'sehn,'n Vater?"„Ich...'n Vater?".Ja, Du!"„Soll i vielleicht sei' Kindsmagd machen?" fragte er barsch.„No, i mein ja nur, weil d' selber vom Kranzlwirt kommst."Er beruhigte sich wieder.„J hab'n net g'sehn," sagte er gleichgültig.„Nacher weiß i's net. Uebrigens, der Andredl werd'n schoholen."Das Gesicht des Totengräbers verzog sich in Falten.„Versteht si," sagte er höhnisch,„'n Andredl hätt' i ja baldvergessen. A Mordsbual I glaub', der bringt uns'n Großvaterno hoam, wenn er scho halb verfault is!"Eilig zog er ein Feuerzeug aus der Tasche und zündete diePfeife an. Dann griff er hinter den Ofen und holte Schaufel und