Ton von Versöhnung und wirklichem Frieden, eine Wehmut und Weichheit, wie sie den Bauern so oft in seiner Kindheit befällt. Freilich, die Ankunft im Dorfe sollte ihm nur zu bald zeigen. daß die Glocken nicht für ihn geläutet hatten. Man empfing ihn so gleichgültig und kalt, als ob er vor acht Tagen fortgegangen wäre, um im Holz zu arbeiten. Mancher ging sogar scheu an ihm vorüber. Auch der Vater machte das Wiedersehen ohne stärkere Gemütsbewegung ab. Er war von dem Brandunglück nicht mehr recht hergestellt worden und jammerte sofort über seine schlechte Gesundheit und den strengen Dienst, den er kaum mehr versehen könnte. Friedl seufzte und suchte den stillen Winkel auf. Dann ging der heimgekehrte Sieger zum Kranzlwirt und kaufte sich eine Halbe Bier. Mutterseelenallein saß er auf seinem Platze und kaute an den Nägeln. Am Nebentisch hockten der Pfarrer, der Landrichter und andere Dorfphilister bei rotem Tiroler. Keiner hieß ihn willkommen, keiner beachtete ihn. Man rauchte Zigarren und redete bedächtig vom Essen und Trinken. Eine halbe Stunde kauerte Friedl so in der Ecke. Da plötzlich überkam es ihn mit unwiderstehlicher Gewalt, er mußte lachen, hell auflachen, und als sich die würdigen Honoratioren, erstaunt über diesen rohen Ausbruch unerlaubter Heiterkeit, nach ihm um- drehten, da lachte er erst recht, grinste ihnen frech ins Gesicht, trank sein Krügel leer und hieb den Deckel zu. daß es nur so klappte. Mit einem Schlage hatte er die ganze Lächerlichkeit dieser Spießbürger empfunden, die am warmen Herde hockten, während er in der Welt die Menschheit mit all ihren Greueln gesehen und seine Haut zu Markte getragen hatte für Gott, für König und Vaterland. Ha, ha, hat Was war denn das alles? Gott  , den gab'S nicht mehr für ihn, den König hatte er nie gesehen, und das Vaterland? Da drüben hockte es und klopfte sich auf den fetten Wanst in behaglicher Ruhe. Noch einmal lachte er auf, und als nun die ganze Sippschaft zum Gebetläuten die Hände faltete und das Vaterunser ableierte, da fragte er sich beim Hinausgehen, was das wohl für ein Herrgott sein müßte, zu dem diese vollge- fressenen Schweine ihr Gebet grunzten. Am selben Abend suchte er wieder den stillen Winkel auf, und dabei befand er sich in einer fast heiteren Stimmung. Alles gleich," rief er zu seinem Kinde hinab,.alles wurscht, ob du da liegst oder wo anders. Kei' Herrgott holt di mehr'rauf in die Welt, in das Komödieg'spiel. So viel sag i dir, dei' Vater, dem kannst d' eS glaub'n." Und als er sich wieder abwandte und gerade gegenüber in der Nische der kleinen Kapelle die Schädelstätte hinter dem schwar- zen Eisengitter gewahrte, da nickte er eiftig hinüber zu den grin- senden Gesellen wie zur Bestätigung. Siehst du'S," rief er,so schau'n wir einmal aus, alle mit- einander, und wenn oeS bisset a no z'grund geht, nacher bleibt kei Stäuberl mehr von uns übrig und kei' Seel a net, na, kei' Seel a net. De erst recht net." Das blieb seine feste Ueberzeugung. Mit ihr nahm er dem Vater am anderen Tage wieder die Arbeit ab und trat die Stelle als Totengräber des Dorfes an, mit ihr unterzog er sich auch ganz gelassen jenen kirchlichen Verpflichtungen, die unumgänglich waren, wenn man unter den Mitmenschen auf dem Lande überhaupt leben wollte, und mit ihr ging er ein Jahr später auch eine neue Ehe ein. Seine Frau ließ er glauben, was sie wollte, nur in eines durfte sie sich nicht mengen, in die neue, sonderbare Leidenschaft, die seit der Rückkehr aus dem Feldzug mit seinem Unglauben er- wacht war. Kein Wort durfte sie sagen, als er eines Tages die sämtlichen Heiligenbilder der Eckstube entfernte und an ihre Stelle das alte Gerumpel mit den Totenschädeln setzte, denen auch bald das Skelett in der Ecke folgte. Nicht mucksen durste sie. Auch der Vater wurde energisch zurechtgewiesen und kurzerhand aufs Altenteil gesetzt, als er sich weigern wollte, die sündigen Dinge in sein Haus aufzunehmen. Von dem Tag an Hatzte er seinen Sohn wie die Sünde und wich ihm aus, wo er nur konnte. Den ganzen Tag blieb er für sich, und wenn er aus dem Dachgeschoß, das ihm zum Aufenthalt angewiesen war, herausschlich, so tat er es stets mit giftigen Blicken und lautem Brummen. sFortsetzung folgt.). Die dcutfchc Sprache» Von Dr. R. Franz. I. Auch die EntWickelung der deutschen Sprache spiegelt uns die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse und die Klassengeschickte des deutschen Volkes wider. Wenn wir unsere Beobachtungen dabei auf die Entwickelungsstufen von kaum anderthalb Jahrtausenden be- schränken müssen, so teilen wir diesen Zwang mit der deutschen Sprachwissenschaft überhaupt. Was die rein stoffliche Seite der Sprache anlangt, so hat die Wissenschaft wohl alle Wandlungen und Wandlungsgesetze der Laute erforscht, aber damit nichts weniger als eine Erklärung dieser Wandlungen gegeben. Kommt man doch erst jetzt dazu, die Bedeutung der physiologischen Momente für die Lautgestalt wenigstens ahnungsweise zu würdigen. Erst ein Buch, das die Jahreszahl 1910 trägt*), räumt folgendes ein?»DieLantgestalt«itttt Sprache ist in erster Linie abhängig von der Beschaffenheit der Sprachwerkzeuge derer, die sich ihrer bedienen. So wird die vielfach im Niederdeutschen   hervortretende starke Entfaltung der Doppellaute aus älteren, einfachen, laivjm Selbstlauten hauptsächlich hervxt- §e rufen durch die Schlaffheit und Langsamkeit, Erweiterung und urückziehung der Zunge, die dem Bewohner der norddeutschen Tief» ebene eigentümlich ist. und so findet auch die Neigung der Ober» deutschen, die Vokale zu nasalieren, d. h. der ausgeatmeten Luft den Weg durch die Rase offen zu lassen, ihren Grund darin, daß die Muskel, von denen das Gaumsegel gehoben Wird, schwächer entwickelt find, so daß dieses herabhängt. Inwieweit das Klima und die Bodenbeschaffenheir einer Gegend Einfluß auf die Sprachorgane und damit auch auf die Aussprache haben, bedarf noch genauerer Untersuchungen; doch hat man vielfach beobachtet, daß zwischen Gebirge und Ebene Unterschiede vorhanden sind." So hat denn auch H. Meyer in der.Zeitschrift für deutsches Altertum" ftb) die germanische Lautverschiebung aus der Verlegung des Wohnsitzes der Germanen in eine Gebirgsgegend erklärt. Das ist aber auch fast der einzige Versuch zu einer materialistisch fundierten Laut» Wandeltheorie. Ja, derselbe Oskar Weise, der in seinem neuesten Buche die oben angeführten Sätze schreibt, hat noch 1909 in einem anderen Buche**) als Haupthebel des Lautwandels denHang der Menschen zur Bequemlichkeit' erklärt, den«Trieb, an Kraft zu sparen und sich die Aussprache zu erleichtern". Und er schloß:«Andere Ursachen treten an Wirkungskraft und an Umfang der Betätigung sehr zurück." Aber freilich beteuert Weise auch heute noch, daß der Lautwandel stets.von Einzelwesen" ausgehe, und beruft sich auf Pauls«Prin­zipien der Sprachgeschichte":«Jede Veränderung des SprachusuS ist ein Produkt aus den spontanen Trieben der einzelnen Individuen einerseits und den Verkehrsverhältniffcn andererseits." Eine Auffassung, die wir natürlich glatt ablehnen, weil sie eine Halbheit darstellt. Denn niemals würde eine Veränderung allgemein werden, wenn nicht allgemein die Bedingungen für ihre Verbreitung vorhanden wären. Die«Triebe der einzelnen Individuen" spielen dabei eine reine Handlangerrolle und sind vor allem nicht in dem Sinne spontan» alS ob sie selbst unabhängig wären von den allgemein veränderten Bedingungen. Wenn wir das auch weder apriorisch behaupten wollen, noch es empirisch beweisen können, so läßt es sich doch durch Analogie schließen. Denn während uns der empirische Beweis durch die erwähnte Rückständigkeit der Sprachwissenschaft in lautlicher Hinficht heute noch nicht möglich ist. gestattet uns das von derselben Sprachwissenschaft zur Wortlehre und zur Phraseologie(Rede» wendungcnlehre) aufgehäufte Material einen klaren Einblick in die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlicher und sprachlicher Ent« Wickelung. zwischen Volksklasseubewegungen und Wortklassen» bewegungen. Vor 2000 Jahren war Deutschland   noch fast ausschließlich Wald- gebiet. Das wissen wir von Cäsar und später von Tacitsts. das bestätigt uns aber auch die Namenkunde. Man denke an die zahlreichen Ortsbezeichnungen auch in Gegenden ohne Spur von Wald, die auf-Hain  ,-holt(Bocholt  ),-holz(Buchholz),-hart (Spessart   bedeutet Spechtswald),-reut,-rode,-grün,-Walde,-loh ausgehen, d. h. auf lauter Silben, die irgendwie auf die Bedeutung«Wald' zurückführen. Ja, Holland  (-Holzland) und Holstein(aus Holsten  , Holsaten Holzsassen) beweisen, daß ganze Landschaften ihren Charakter völlig geändert haben, und vielleicht sind auch Anhalt(am Holz) und Dänemark  (altnordisch mörk Wald) dazu zu zählen. Vor ollem kommen noch die Dörfer und Städte hinzu, die nach Fichten, Tannen, Buchen, Birken, Eschen, Erlen, Eichen und Linden benannt sind, nach Bäumen also, die seit ältester Zeit auf deutschem Boden wachsen. Und wiederum wird der Bericht des Tacitus, daß seine deutschen Zeit- genossen noch' keine Obstzucht trieven, bestätigt, wenn wir hören, daß nur der wilde Apfelbaum, der häufig vorkam, in Ortsnamen wie Affoltern  , Affaltrach  , Effelder   und Apelern   seine Spur hinterlassen hat, denn alle diese Namen gehen zurück auf das althochdeutsche apdoltra Apfelbaum. In den Wäldern hausten Ur(Auerochse), Elch, Bär und Wolf, deren Jagd unseren Vorfahren ebenso sehr Lebenszweck war, wie sie ihnen Lebensimttel schaffte. Namen wie Urach  , Auerbach, Ellwangen  (Wange vom gotischen vraggs= Aue), Bernburg  , Wolfenbüttel  zeugen noch heute von diesem frühere» Tierbestand und seiner Be- deutung für den Kampf ums Dasein. Die Lust war rauh, feucht und kalt. Was Wunder, daß im Althochdeutschen das Wort Winter zugleich das ganze Jahr bedeutete! Das abgehärtete Menschengeschlecht badete sich im kalte» Wasser. Das lateinische Wort für baden, lavars, nahm im Deutschen  (laben) die Bedeutung erquicken an, vermutlich weil die Verweichlichung einer späteren Zeit das warme Bad als größere Annehmlichkeit erscheinen ließ. Die derbe LebenSiveise erforderte(zum Schutz) und begünstigte den kräftigen Haarwuchs. Das Wort kahl brachten wieder erst die Römer herbei: es stammt vom lateinischen ealvus. *)«Unsere Muttersprache, ihr Werden und ihr Wesen." Siebente, verbesserte Auflage.(Ebenfalls bei Tcubncr.) Wie alle Schriften WeiseS materialreich und als populäre Einführung empfehlenswert. **)Unsere Mundarten, ihr Werden und ihr Wesen." Von Prof. Dr. Oskar Weise(Verlag von B. G. Teubner, Leipzig  .)