172 VerlehrZivege gab eS nicht, ober man beschränkte sich, um solche zu schaffen, darauf, daß maneinen Weg einschlug", d. h. in einer bestimmten Richtung gassenbreit Bäume fällte. Im übrigen mußte man, wie die Sprache seitdem bezeugt,bei Nacht und Nebel" tvohldurch Dick undDünn",über Stock und Stein" dahin wandern. Kam man an einen Fluß, so watete man hindurch, wo er seicht war. und diese Stellen erhielten den Namen Furten vom Fahren, das ur- sprünglich jede Art der Bewegung bezeichnete: Frankfurt (Franken- furt), Haßfurt (Hessenfurt), Herfort(HeereSfurt) u. a. deuten die Stellen an, die von ganzen Völkern auf ihren Heereszügen zum Uebergang gewählt wurden. An tiefen Stellen gab es Fährleute, die man mit einem holä( hol über, daher Hollah I) heranrief. Der Senkil st e i n diente noch als Anker, das Steuerruder war rechts hinten befestigt und hat dieser Schiffsseite den Namen Steuerbord bis heute beivahrt, obwohl im 13. Jahrhundert das Steuer an den Achtersteven verlegt wurde. Der Steuerniann drehte der anderen Seite den Rücken(englisch bacle) zu, so ward sie zum Backbord. Die nomadisierende Lebensweise bedingte und gestattete einen großen Herdenreichwm, der dann eine große Fülle von Be- Zeichnungen für die Haustiere schuf. Nicht nur unterschied man männliches und weibliches Tier(z. B. Bock und Ziege), sondern man hatte vielfach auch mehrere Bezeichnungen für dasselbe Geschlecht (OchS und Stier) und obendrein fächliche Gattungswörter(Rind, Schaf). Die frohe Zeit, in der man die Tiere wieder auf die Weide (Wonne) trieb, war der Wonnemonat, wie dem gotischen Wort winja Weide das althochdeutsche wini= Freund ent­spricht.(Vergleiche auch den Ausdruck Augenweide.) Und der Gewohnheit, im März die Lämmer aus der Herde aus- zuscheide», verdanken wir das Wort ausmerzen. Noch zur Zeit des Tacitu?»rnd später war das Vieh im Innern Deutschlands Haupt- Zahlungsmittel, daher bedeutet althochdeutsch kibu zugleich Vieh und Geld, und bis heute haben wir in dem Worte feudal den Nest eine? Wortes, da? den Besitz an Vieh ausdrückte. Ja, der Gote Ulfilas vermochte in seiner Bibelübersetzung das hebräische Wort Mammon nur durch kaibnttlraibns(Viehgedränge) wiederzugeben. Zur Zeit der ausschließlichen V i e h w i r t s ch a f t hatten Käse und Butter echt deutsche Namen, die dann aufgegeben wurden, als die verbesserte Znbereitungsweise der südlichen Völker und mit ihr auch die Lehnwörter eingeführt wurden. An die Stelle deS alt­hochdeutschen ancho und chuosmero(Kuhschmeer) trat butgrutn =- Butter.(Mit der Feldwirtschaft wurde zum Hauptnahrungsmittel das Brot, daher noch heute die Hauptmahlzeiten Mittagbrot und Abendbrot heißen,) Würz, d. h. Kräuter aus Wald und Feld, gab das Gewürz. Nebenher standen Wasser, Wald und Weide jedem zur Benutzung frei, die Jagd(auch Weide genannt) lieferte der Sprache zahlretche Ausdrücke(wie Weid- werk, auStveiden), auch solche, die wir heute fast nur in über- tragenem Sinne gebrauchen: weidlich(jagdgemäß), nachspüren, ftobcrn(mittelhochdeutsch stöuber heißt der Jagdhund), Wildfang Wildgehege) usw. Von ganz besonderer Bedeutung war natürlich auch die kriege- rische Betätigung für den Sprachschatz. Wer als Führerauf den Schild erhoben" wurde, da? entschied oft ein Zweikampf, zu dem man sich herausforderte: grüßen bedeutete eigentlich angreifen. Noch in die Zeit der steinernen Waffen weisen der Hammer(althochdeutsch llamar= FelS) und das Schwert(althochdeutsch sabs lateinischem saxtitn der Stein). Das Schild aber war von Lindenholz und heißt daher althochdeutsch liuta. Der Lindner ist der Schildmacher. Auf die Nomadcnzeit weisen noch allerlei Maßbezeichnungcn zurück, wie die mittelhochdeutsche tageweide, das heißt die Strecke, die das Vieh in einein Tage weidend getrieben werden kann. Lederne Schläuche dienten zur Aufbewahrung der Getränke: Balg und Bulge gehen ebenso wie Butte auf die Grundbedeutung Schlauch zurück. -t Kleines Feuilleton. Der Dalai Lama . Der Dalai Lama macht wieder von sich reden. Er soll vor einer anrückenden chinesischen Truppe auf indisches Gebiet entwichen seilt. Ein ähnliches Intermezzo hat sich vor einigen Jahren abgespielt. Die Engländer entsandten 19(14 eine friedliche" 415 Tausend Mann starke Militännacht nach Lhassa , der selbst Sven Hedin unzugänglichen tibetanischen Hauptstadt, um zu imponieren". Der Dalai Lama floh nach Urga in der Mongolei und kehrte erst Ende 1903 wieder in die Heimat zurück, nachdem er sich in Peking besondere Anweisungen geholt hatte. Tibet ist zwar gewissermaßen selbständig, dennoch aber eine chinesische Provinz; vor allem ist e? ganz in den Händen einer geistlichen Hierarchie, die mit der katholischen Kirche große Aehnlichkeit hat und eine be- sondere Abart des Buddhismus darstellt. An der Spitze dieses LamaismliS steht eben der Dalai Lama , was wörtlich einen Ozean von Priestcrtum bedeutet. Er gilt als eine Verkörperung Buddhas, ist allwissend nnd unfehlbar und wird auS drei auserwählten Kindern in einem Konklave der obersten Würdenträger nach iechStägigem Fasten durch das LoS bestimmt. Diese Würden- träger oder EhutuktuS entsprechen etwa den katholischen Erzbischöfen und residieren in den einzelnen Provinzen. Der bekannteste Patriarch ist der von Urga. Die dritte Rangklasse sind die Chubelghane, die einfachen Wiedergeborenen, also auch noch Berantw verkörperte Buddha». Di« übrige Klerisei ist ein dielgegliedertes Mönchtum, das theoretisch von Almosen leben soll, in Wirklichkeit dieser aber nicht bedarf, da die koloffalen, manchmal ganze Städte bildenden Klöster über reiche Liegenschaften verfügen. Die Mönche zerfallen in geistliche Lehrlinge, angehende Mönche, geweihte Priester und Meister oder Aebte. Daneben gibt es noch mancherlei akademische Titel. Alle diese sind aber Subalterne, und einzig die Buddha-Verkörperten können über die Rangstufe eines AbteS hinaufsteigen. Ehelosigkeit ist vorgeschrieben. Im Mttelpunkl eines Klosters steht der Tempel aus Stein oder Ziegel. Darum gruppieren sich die Nebengebäude: VersammlungS- und Beichtsäle, Wohnungen, Vorratshäuser, Bibliothek und eine An« zahl von Türmen und Pyramiden. Alles umfriedet von einer hohen Mauer. Durch Wahl werden auf bestimmte Zeit noch folgende Acmter vergeben: Ein Profeffor zur Leitung der Studien, ein Schatz- meister, ein Oekonom, zwei Polizeiauffeher. Ferner sind da Vor- sänger, Rechtsgelehrtc, Aerzte, Sekretäre. Zauberer und Beschwörer. Es lastet also auf diesem Lande ein sehr komplizierter geistlicher RegierungSkörper. Der jetzige Dalai Lama zeichnet sich vor seinen Vorgängern dadurch aus, daß er bereits ein Alter von 33 Jahren erreicht hat, während man die früheren nicht zur Groß- jährigkeit kommen ließ. Im wesentlichen darf der Dalai Lama wohl als ein Spielball in den Händen der obersten Kirchenfürsten gelten. Er hat auch eine Art von Konkurrenten im T a s ch i- Lama, der ein kleineres Gebiet beherrscht und hauptsächlich im Lehramt Autorität ist Erwähnenswert dürste noch eine Nachricht sein, die unwidersprochen durch die Jahrhunderte gegangen ist. Es heißt, daß der göttlich verehrte Dalai Lama anstatt der Ordens- zeichen kleine Quantitäten seiner körperlichen Abgänge an die be- gliickten Verdienstpatrioten verteile. Diese Methode dürste sich in Europa zwecks Entlastung deS OrdenSetatS zur Nachahmung empfehlen. A. K. Aus dem Tierlebe«. Neues von den Ameisen. Den Ameisen wird von vielen Naturforschern, und namentlich von denen, die sich aus- schließlich ihrer Erforschung gewidmet haben, ein Grad von Intelligenz zugeschrieben, wie er angeblich selbst die der menschen- ähnlichen Affen übertrifft und im Tierreich überhaupt keinen Ver- gleich findet. DuboiS Reymond pflegte in einer seiner öffentlichen Vorlesungen mit seiner plastischen Ausdrucksweise den Satz zu prägen:Mit welcher Ehrfurcht steht der Naturforscher vor dem winzigen Eiweißklümpchcn eines Ameisengehirns." Mit Bezug auf die Ameisen ist die viclumsttittene Frage, ob Instinkt oder Verstand, jedenfalls besonders schwer zu entscheiden. Wer einmal die Um- gebung eines Ameisenhaufens bettachtet hat, wird für Stunden eine reizvolle Beschäftigung gefunden haben. Besonders in einem Nadelioald läßt sich das Treiben der Tierchen klar überschauen. da die von ihnen angelegten Sttaßen deutlich zu erkennen sind. Sie ziehen sich zwischen den sonst überall umherliegenden ttockenen Nadeln ost auf große Strecken hin und werden immer wieder von weiter herabfallenden Gegenständen sorgfältig gereinigt. Wie die Ameisen ihren Weg finden, ist insoweit durch wissenschaftliche Untersuchungen festgestellt worden, als man jetzt weiß, daß die Fühler ein feines Geruchsorgan besitzen, das dabei ohne Zweifel tvichtige Dienste leistet. Außerdem haben sie Mittel, sich durch Signale zu verständigen, denn sie be- sitzen ein merkwürdige? Jnsttument, mit dem sie einen hohen Ton oder eine Art von Quieken hervorbringen, wenn sie böse sind, und einen tiefen und sanften Ton, wenn sie Gelegenheit haben, ein Lustgefühl zu äußern. Diese Annahme beruht steilich auf einer Vermutung, da das menschliche Ohr diese Töne nicht zu hören vermag. Man kann sich aber das betreffende Organ nicht anders erklären, und falls die Deutung richtig ist, muß auch der Schluß gezogen werden, daß die Ameisen unter« einander jene Töne jedenfalls hören und verstehen. Merk- würdig ist die von Professor Hill ermittelte Tatsache, daß das männliche Geschlecht unter den Ameisen kein Gedächtnis oder wenigsten? keinen Ortssinn besitzt und ohne den Beistand eines Weibchens nicht imstande ist, seinen Weg zum Nest zurückzufinden. Es wäre leicht, aus diesem Umstand eine kleine Satire aus dem Ameisenleben zu schöpfen. Die Ameisen sind übrigens auch ausgezeichnete Kraukenpfleger. Wenn man eine Ameise durch eine Säur« betäubt, so eilen ihre Geschwister hinzu. lecken die Säure ab und befreien das gelähmte Insekt auf diese Weise von seiner Ohnmacht. Freilich ist ein derartiger Versuch von Hill nur mit der vom Ameisenkörper selbst erzeugten Ameisensäure gemacht worden, und in diesem Fall bleibt es ungewiß, ob solche Somariterdienste diesen Namen verdienen, weil sie nur aus Güte und Hilfsbereitschaft entspringen, oder ob den Ameisen diese Säure vielleicht besonders gut schmeckt. Daß die Ameisen Sklaven halten, ist längst bekannt. Professor Hill meint, daß es ihnen in moralischer Hin- ficht dadurch ähnlich ergeht wie den Menschen. Die Sklaven haltenden Ameisen im Gebiet des Amazonenstroms sind nämlich in vollkommene Abhängigkeit von ihren Sklaven geraten, also demo- ralifiert. Wenn man zwei oder drei von ihnen allein in eine Schachtel tut, so würden sie Hungers sterben, auch wenn man neben sie das schönste Futter hinlegt, weil sie gewohnt sind, sich von einem Sklaven füttern zu lasten._ Redakteur: Richard Barth , Berlin. Druck u. Verlag: Born>ärr«Bucb»ruck«rel u.BerlUgSanjtalt Maul Singer chEo..Berlm t>At.