Mit kaltem Blick und harter Stimme sagte er zu derFrau:„Melden Sie michl..Und gleich danach hörte er den Aufschrei einer Stimme,die selbst jetzt sein Herz noch schneller schlagen machte...Wie würde sie aussehen? und wie würde sie ihn ansehen?...wie ihn nennen?...Ein heftiges Stimmengewirr drinnen im Zimmer,Schluchzen und Weinen ließ schnell den Entschluß in ihm ent-stehen: Ich gehe hinein IIZitternd, niit bangem Atem, aber festen Schrittes trater ins Zimmer.... Da lag eine Mädchengestalt, bei derenAnblick sich sein Herz krampfte, über dem Bett. Und derseine Körper in weißer Mullbluse und schwarzem Seidenrock,den er so oft in seinen Armen gehalten hatte, flog von derungeheuren Erregung, wie vom Sturm geschüttelt.In einem Plüschsessel saß eine ältere Frau, deren Haareschlohweiß waren, mit dickverweintem Gesicht, ratlos undangstvoll zu dem jungen Anwalt aufblickend. Kurt sah ander Aehnlichkeit dieses früh gealterten Gesichtes, über demdas weiße Greisenhaar doch überraschend wirkte, daß er EllasMutter gegenüberstehe... Er grüßte respektvoll und wandtesich an die Wirtin:„Sie sind wohl so freundlich und lassen uns allein!!!"In den Zügen dieses Weibes war nichts als ordinäre Neu-gier. Aber es kam etwas Drohendes hinein, als Kurt sie ausdem Zimmer wies. Und mit bösem Blick auf ihre Mieterinverließ sie murrend den Raum.(Fortsetzung solgt.1(Nachdruck derdoten.13] Der Totengräber.Von Josef N u e d e r e r.Den Fricdl kümmerte das sehr wenig. Immer eifriger schleppteer von den« verrückten Zeug herein, immer lebhafter beschäftigteer sich mit dem Skelette, an das er gelungen- Gespräche hielt,und er rieb sich heimlich die Hände,. als er merkte, daß bald daraufdas ganze Dorf eine Heidenangst, v«".- dem Totengerippe empfand,das er mit grotzcj; Mitzr? getauft hatte. Mit demgleichen Spottnamen war nämlich vor vielen Jahren ein armer,alter. wardon,-. der aus Böhmen zugewandert warUnd hucch H�sfeullinqe� fetn elendes Dasein fristete. Nach seinem1satse?nmu rhir auch im stillen Winkel beerdigt, weil er niein die'WrDi ging und angeblich mit Teufeln und Hexen imBunde stand. Friedl besann sich seiner noch sehr lebhaft. AlsKnabe hatte er oft mit ihm gesprochen und seltsame Eindrückevon den wunderbaren Erzählungen des alten Burschen empfangen.Nun ehrte er ihn noch im Tode und erzielte damit im Dorfe einetreffliche Wirkung.„Der Herr Meier geht um," hieß eS allenthalben, wennjemand dem Tode nahe war, viele sahen das Skelett in den Gassenspazieren gehen, manchem war es gar auf freiem Felde begegnet,und nachts wich ein jeder dem Hause des Totengräbers auf Nuf-weite aus, weil man meinte, der Herr Meier könnte den Schädelzum Fenster herausstrecken.Das paßte dem Fried! vortrefflich in seinen Kram. Wennsich diese blödsinnige Menschheit nur fürchtete, wenn sie nur Angsthatte, die dumme, abergläubische Masse mit Gebetbuch und Rosen-kränz. Ungestört konnte er sie dem Gelächter preisgeben, denn dieGeistlichkeit duldete stillschweigend den Unfug mit den Toten-schädeln und den Gerippen. Anfangs zwar, da hatte sich derPfarrer, wie immer, wenn er um etwas im Dorfe nicht gefragtwurde, sofort eingemischt und mit funkelnden Augen und auf-geblähten Backen seine Autorität zu wahren gesucht, als er abermit der Zeit merkte, welch wohltätigen Aberglauben das Skelettin die Menge trug, da kam es ihm nicht einmal so ungelegen, under tat so, als wüßte er nichts davon.Das setzte nun allem Spaß noch die Krone auf! Der pfiffige �Totengräber durchschaute die Politik des Pfaffen und wollte sich.schief lachen, als er dahinterkam, daß die hohe Geistlichkeit Armin Arm mit ihm marschierte. Jetzt trieb er den Spuk nur umso verwegener. Er drohte den Leuten mit dem Herrn Meier imWirtshaus oder bei der Arbeit und konnte ziemlich sicher sein, daßjeder Streit kurzweg abgebrochen wurde, wenn er seinem Gegner inAussicht stellte, er wolle ihm das grausige Skelett auf den Hals hetzen.So wurde der Herr Meier eine ganz bekannte Persönlichkeit, inder man schließlich nichts anderes nichr als den wirklichen Toderblickte, der bei Meister Friedl Quartier genommen hatte undje nach Belieben seine schaurigen Wanderungen unternahm.Dem Totengräber war's recht. Was er selbst glaubte, behielter für sich allein oder er redete es manchmal an seinen knöchernenFreund hin.„Haben wir wieder ein'n?" fragte er oft, wenn er die Werk-zeuge an ihm vorbei in die Ecke trug.Oder er stierte ihm lang in die hohlen Augen, Kenn einer i«Dorf zwischen Leben und Tod schwebte.„Holst ihn?" fragte er.„Gehst bald wieder fort?"Und als einmal der hochmütige Landrichter ganz elend imBette stöhnte und sein Ende nahe glaubte, suchte der Friedl denHerrn Meier hinter dem Ofen hervorzulocken wie einen bissigenHofhund.„Pack ihn, pack ihn, den Schuften! Js net schad d'ruml"Solches Vertrauen hatte er zu seinem einzigen Freunde, denndas war der Herr Meier. Andere besaß der Friedl nicht imDorfe, und das verstand sich auch ganz von selbst. Die Leute über-trugen die Angst vor seiner unheimlichen Umgebung auf ihn selbst.obwohl der einfache Mann mit den klaren, sicheren Augen nichtsweniger als abschreckend aussah. Aber eben diese durchdringendenBlicke und seinen Spott, den er stets auf den Lippen trug, denscheuten die Dörfler. Der Friedl konnte einen so kerzengerade an-schauen, daß jeder den Kopf nach der Seite wandte.„Wart, i krieg di' scho noch!" rief er dann drohend.„Wann kriegst mi?"„Balst stirbst, da mußt d' nacher stillhalten."Und wenn dann der andere entsetzt abwehrte freute er sichköniglich.Alle mußten ja zu ihm kommen. Daß es ihn selbst auch ein-mal treffen könnte, das wollte ihm gar nicht einleuchten. Mit demSkelett glaubte er den Tod wirklich in seiner Gewalt zu haben.und der durfte ihn erst dann hinausführen in den einsamen Fried-Hof, wenn er selbst einmal sein Haupt zur Ruhe legen wollte. DieZeit war aber noch fern. Der Totengräber dachte nicht gern daran,denn sein ganzes Dasein war auf diese Welt gestellt. Hier muhteer die letzte Minute auskosten, denn drüben— da gab's nichtsmehr.Spaßig mochte es freilich werden, wenn sie ihn einschalten.das Dorf seinen Totengräber! Da ruhte er auch dort unten ineinem finsteren Loch wie der Mödlinger, den er heute an demlachenden Frühlingstag zudecken sollte. Kränze und Blumen mitAtlasschleif-n und Bändern bekäme er wohl nicht wie der alteGauner, auch keinen so schönen, schwarzpolierten Sarg mit Silber-beschlag, sondern eine rotgestrichene, fichtene Truhe, auf der einweißes Wachskerzlein brannte als Symbol der Leuchte in derEwigkeit. Auch mit der Predigt und den Leichenfeierlichkeitenmöchte es hapern, denn so etwas kostete mehr Geld als im Hause desTotengräbers vorhanden war. Aber eines bliebe das gleiche: dieErde, die auf seinen Sarg herabflog! Stein und Sand vom Hoch-gebirge deckte sie alle zu— da gab's keinen Unterschied. Und aufihn, den Totengräber, schleuderte sie wohl sein eigener Bub, derAndredllSonderbar, daß ihm heute wieder dieser Gedanke kommenmußte! Es war nicht das erstemal. Oftmals schon war er ihmaufgetaucht, ganz schnell und unvermutet, und dann ließ er ihnauch so bald nicht wieder los, sondern verfolgte ihn mehrere Stun-den. Friedl wurde sehr nachdenklich. Er trat ganz dicht vor dieoffene Grube und stieß die Schaufel in die Erde. Wuchtig stützteer sich auf den derben Stiel und wiegte den Kopf leicht nach vorne.Dann verkniff er die Lippen uno schloß die Augen. Deutlich konnteer jetzt gewahren, wie sich dereinst alles abspielte. Das ganze Dorfsah er vor seinem Sarge stehen, und jeder rieb sich freudig dieHände. Denn nun hatten sie den hinuntergelassen, der sie seinLebtag mit Hohn und Spott Übergossen hatte. Drum wollten sieheute aber auch eine Extramaß trinkejr zu Ehren des frohen Er-eignisses. Und als sie lachend ins Wirtshaus abschoben, da bliebnur einer zurück, der Andredl, und der ging ungesäumt an dieArbeit. Einen Stein nach dem andern warf er herab auf denSarg des Vaters, bis die Last immer drückender wurde und schließ-lich den Deckel mit lautem Krach auseinandersprengte.Wie ein Schwindel durchfuhr es da mit einem Schlag denTotengräber, und heftig riß er die Augen auf.„Na, na," schrie er laut,„so weit sind wir no net."Hoch schwang er die Schaufel in der Luft herum und reckte dieBrust heraus. Der Bub sollte ihn nach lange nicht unter die Erdekriegen, noch lange nicht! Zuerst wollte Friedl den eigenen Vatereingraben, der doch der Grube am nächsten war.Freilich, wann traf es den Alten einmal? Der war voneiserner Konstitution, und der unmäßige Schnapsgenuß schien ihnförmlich abzuhärten gegen alle Anfechtungen von Alter und Wetter.Wie lange noch? fragte sich der Friedl und starrte auf den Sarg� des alten Mödlinger hinab. Wie lange? Sollte der immer be-trunkene, geifernde Greis noch zwanzig Jahre im Haus herum-lungern oder gar so alt werden wie Methusalem oder Jakob?Ohne daß er es merkte, war Friedl wieder in seine vorigeStellung zurückgesunken und starrte ins Leere.Tiefe Ruhe spann sich in den klaren Frühlingslüftcn über demKirchhof, auch unten zwischen den Gräbern und Kreuzen regte sichkein Ton, nur manchmal knisterte es geheimnisvoll in der lockerenErde, wenn sich der aufgestemmte Spaten unter der Last desstarken Mannes etwas tiefer in den Boden grub.Plötzlich aber riß es den Träumer in die Höhe. Er hattedeutlich gefühlt, daß sich von rückwärts etwas an ihn heranschlich,und nun war er erschrocken wie ein Mensch, den man auf bösenGedanken ertappt. Hastig drehte er sich um. Richtig, da standeiner! Und warum mußte es gerade der Mödlinger Michl sein,der verdammte, heimtückische Geselle? Wie der Kerl nur drein-