Nus den Jugendjahren hatte er das Vorrecht herübergerettet. den Herrn duzen zu dürfen. Uebrigens wäre es ihmunmöglich getvefen. den Meister auf andere Weise anzureden,aber das„Du" war immer von eüwr ehrfurchtsvollen Betonung begleitet.•Er war von Kopf bis zu Füßen ein Torero und wußteüberhaupt von nichts andereur in der Welt, als lvas mit Stier-fcchterei zusammeuhiiig. aber feine eigentliche Verrichtung wardie eines Kleidermachers und Kammerdieners. An den Um-schlagen seines Nockes trug er stets eine ganze Anzahl vonStecknadeln und Klammern, und der linke Aermel war mitverschiedenen Nähnadeln gespickt,«eine dürren, langfingeri-gen Hände besaßen eine weibliche Zartheit, um die Sachen zuordnen und in stand zu setzen.Nachdem er alles zum Ankleiden des Meisters Nötigehcrbcigebracht hatte, warf er einen prüfenden Blick auf diezahlreichen Gegenstände', es fehlte nichts. Sodann stellte ersich in der Mitte des Zimmers aus und sagte, wie im Selbst-gcspräche, mit heiserer Stimme:„Zwei Uhr!"Gallardo schaute jetzt mit nervöser Kopfbewegung auf,als ob er bisher die Anwesenheit des Dieners nicht bemerkthätte, steckte den Brief in die Tasche und ging zögernd gegenden Hintergrund des Zimmers, als wollte er den AngeriMickdes Anziehens so weit wie möglich hinausschieben.„Ist alles bereit?"Aber Plötzlich rötete sich sein bleiches Gesicht tief. SeineAugen öffneten sich übermäßig wie unter dem Druck einerschreckhaften Ueberraschung.„Was ist das für ein Kostüm?"Garabato wollte Rede stehen, aber che er noch ein Worthervorbringen konnte, fiel auf ihn der Zorn des Meistersdröhnend und furchtbar hernieder.„Kreuzhimmeldonnerwettcr l Verdammtes Ferkel, sau-dummes Luder, was zum Teufel ist Dir denn in den Kopf gc-fahren? Bist Tu verrückt oder was wandelt Dich an, DuMensch? Eine Corrida in Madrid. Stiere von Miura, undTu gibst mir das rote Kostüm, desselbe, das der armeManuel, der Espartero, getragen I Es sieht geradezu aus, alsob Tu es absichtlich tätest, als ob Tu meinen Tod herbei-wünschtest. Tu Hundeseele!"Immer höher schwoll sein Zorn. In Madrid mit demroien Kostüm auftreten, nachdem der Espartero in diesem auf-gespießt worden, das hieß ja geradezu das Unglück heraus-fordern... Seine Augen warfen feindselige Blitze, als säheer sich einem verräterischen Angriff gegenüber, ihre Hornhautrötete sich, und es schien, als ob er im nächsten Augenblick überden armen Garabato herfallen und ihn mit seinen rauhenSticrfechtcrhänden mißhandeln müsse.Ein leises Klopfen an der Tür machte diesem Auftrittein Ende.Herein trat ein junger Mann in einem hellen Anzug, mitroter Halsbinde, der in seinen ringgeschmücktcu Händen denbreitkrämpigeu corduanischcn Filzhut hielt. Der Stierfechtererkauute ihn sofort, vermöge seines Physiognoiniegedächtnisses,das gewöhnlich Leute besitzen, die viel mit Volksmengen zutun haben.Auf einmal ging er vom Zorn zu einer lächelndenLiebenswürdigkeit über, als fühlte er sich durch den Besuchangenehm überrascht. Es war ein Freund aus Bilbao, einbegeisterter Aficionado und Anhänger der GallardoschenKampfesart. Tas war alles, worauf der Torero sich besinnenkonnte. Aber der Name fiel ihm nicht ein. Er kannte so vieleLeute. Wie hieß er doch?... Das Einzige, worüber erkeinen Zweifel hegte, war, daß er ihn duzen mußte, dennzwischen beiden bestand eine alte Freundschaft.„Nimm doch Platz!... Welche Ueberraschung! Wannbist Tu gekommen? Alles wohl zu Haus?">Forts«tzung folgt.),Iraner unct cler Impressionismus.tAuSstellnng der Sammlung Pellcrin-Paris im Kunstsalon Casstrer.)Maiiets Leben ist begrenzt durch die Jahre t8M— 188.?.In diese Jahre fällt die Befreiung der Malerei von allenromantischen und klassischen Rnckcrinnerungen, von allen historischenund sentimentalen Darstellungen, die das Interesse von dem Cigcnt-lichen, von der Malerei, ab auf das Inhaltliche, das Dargestellte ab-lenken. Das Jllustrationsniäßige wurde abgetan, die Farbe kam zuihrem Recht. Man hatte überall versucht, mit dem Inhalt zu der«bluffen. Man ging nach Griechenland, nach Italien, nach Holland,man malte bedeutsame Begebenheiten der Geschichte— nichtshalf. Man kehrte bei der eigenen Natur, bei der unmittelbaren Um»gebung ein und stehe da, als man ganz absah vom äuherlichenEffekt, da entdenkte man den Zauber des atmosphärischen Lichts undden Reiz der Farben.Die Franzosen haben diesen Kampf als erste durchgekämpft. Sieinalten erst wie die Meister der Renaissance, fie malten>oie Rubens,sie malten dann wie die Holländer, die Maler deS Rokoko malten sienach— nichts half. Da erkannte man, daß nur die Natur Vorbild-lich sein könne und Zola gab die Parole aus, die von der da-maligen aufstrebenden Jugend geprägt war:„Laßt die Sonneherein!"Das war der Impressionismus(Eindrucksmalerei), dernun auf die Fahne geschrieben lourde. Sein Sinn: Die Dinge nichtso wiederzugeben, wie fie find, sondern wie fie scheinen: nicht wieder rechnende Verstand fie weiß, sondern wie das Auge, das ein-gestellt ist auf den einen entscheidenden Sehpunkt, der daS Wichtige»das Wesentliche gibt, fie sieht. Damit ist von selbst gesagt, daß Ab-stufungen erscheinen. Das Auge sieht nicht alles gleich deutlich;dieses Wesentliche gilt eS hervorzuheben, so daß danach die Teilesich sinngemäß unterordnen, im Erscheinungswert, in der Leuchtkraft,was man in der Malersprachc Valeurs nennt.Im Zusammenhang damit steht unsere feinere Empfindlichkeitin der Aufnahme von Beweg ungSmotiven. Die Japanerhaben uns das gelehrt. Ebenso aber trägt auch die sorgfältigereAusbildung nnserer optischen Apparate mit dazu bei, die unSBewegungen sehen ließen, an die wir sonst nicht glaubten, an diesich nun das Auge gewöhnte.Das alles war nicht eine ganz neue, umstarzlsrische Entdeckung.Immer waren die Maler darauf darauf auS gewesen, das Licht imFarbenspiel«inzufangen. Aber dem Grade nach war eS eine erheb-licde Verfeinerung. Schon in Italien war man in der Rc-naifiance den Problemen der H e l l m a l e r e i nachgegangen;VelaSquez ordnete die Farben dem Licht unter, unter dessen Wechselsie sich nuancieren; und Goya hatte es gewagt, grelle Lichteffekte zugeben; an Rembrandt braucht man nur zu erinnern; und Turnerin England gab sprühende Bilder, in denen sich alles in Licht auf-löste. Aber die Intensität, mit der man sich nun diesem neuenIdeal hingab, war nie so durchgängig rege gewesen. Alle Regelnder Komposition wurden über den Haufen geworfen; das lln-symmetrische gab den zufällige» Reiz der Erscheinung suggestiverwieder. Nicht lcbcnSgetreu alles Detail nachzumalen galt es. DenHaupleindnick wollte man geben, mit all' dem Zwingenden desMonients. So befreite man sich immer mehr von der sklavischenAbhängigkeit von der Natur und kam immer mehreiner Schönheit nahe, die nur aus den eigentliche»Mitteln der Malerei geboren war. Die Natur wardas Vorbild. Aber ebenso maßgebend war das Auge des Malers,in dem sich daS Eigentliche, das Wichtige des Motivs, um dessent-willen er dieses wählte. herauSdestillierte.Und die Farbe, dieses Medium deS Künstler?, trat nun wiederin ihre Rechte. Was diese Maler gaben, war nicht in dem Sinneein fertiges Bild, in allen Teilen ausgeführt, wie man es frühergekannt hatte. DaS Unfertige, das Skizzenhafte war notwendig, umdem Werk den Zauber des Moment?, deS Lichts zu erhalten. Fürdie Mängel des im Detail Unfertigen entschädigte das Ganze, aufdas der Betrachter hingelenkt wurde, entschädigte die Schönheit derFarben, das Leichtflüssige des Vortrags, das Spiel des Lichts; manhatte entdeckt, daß auch iin Schatten die Farben noch leuchten unddaß es keine Lokalfarben, bestimmt und unabänderlich gibt, sonderndaß eins das andere beeinflußt. So war die Natur eme Vorratskammer reizvollster, neuer Motive und der Künstler, der trunkendiese Welt, die sich vor ihm wie neu auftat, durchwanderte, war derEntdecker.«Manet war der Bahnbrecher dieser neuen Malerei.Mer auch bei ihm zeigte es sich, daß die Franzosen neben demRevolutionären daS Gesühl für Tradition besitzen.Alle diese Maler hatten braunsaucig zu malen begonnen, wieeS früher üblich war, und erst nach und nach befreiten fie sich ausdiesen Fesseln. Da dämpfen sie nicht mehr die Farben ab, vollesLicht strömt ein und ihre Palette zeigt helle Nuancen.Auch lassen sich bei Manet sehr wohl die Meister nachweisen,an denen er sich erzieht.VelasquezI Diesem folgt er. Dieser spanische Maler des17. Jahrhunderts hatte zuerst versucht, hellere Töne zu geben; erstellt die Menschen, die er malt, in ein fluktuierendes Licht, das alleFarbe» eint. Seine Farbenharmonien find kühl und gewählt;Schwarz, Gelb, Grau, Blau. AuS dieser Periode ManetS ist aufder Ausstellung bei Casstrer vornehmlich das.Frühstück imAtelier"(drei Personen an einem gedeckten Tisch) zu nennen.Atelierlicht, abgedämpftes, dominiert noch. Die Figuren sind gestellt.Alles ist auf Grau gestellt. Manier noch und Einfluß der altenMeister.Franz HalS! Von ihn, lernt er den breiten, flüssige»Strich, das Satte, Volle aller Töne, das Unmittelbare, Flotte.Neberzeugcnde deS Eindrucks. Man kann als Beispiel hierfür dasSelbstbildnis anführen, das in dieser breiten, flüssigen Maniergemalt ist, auf dem übrigens Manet mit seinem braunblonden,langen Vollbart mehr wie ein Deutscher denn ein Franzose aussieht.Schließlich S o y a. Dieser zweite Spanier, dem Manet folgt,hat es ihm ganz besonders angetan. Soya steht an der Schwelle